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Ärzte gegen Tierversuche sieht Teilerfolg

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Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) kritisiert angesichts des aktuellen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bremen massiv, dass der invasiven Affenhirnforschung nicht in Gänze eine Absage erteilt wird. Positiv wertet der Verein jedoch, dass die Versuche nur mit Einschränkung und vorübergehend zugelassen werden. ÄgT ist insgesamt zuversichtlich, dass diese Entscheidung für die Genehmigungsfähigkeit der Primatenhirnforschung nicht nur in Deutschland, sondern auch international Bedeutung hat und diese fragwürdigen Versuche massiv auf den Prüfstand stellt.

Das Bremer Verwaltungsgericht hat beschlossen, dass die Genehmigungsbehörde dem Affenhirnforscher Kreiter vorläufig gestatten muss, einen neuen Versuch durchzuführen, allerdings mit der Einschränkung, dass neue Tiere keinen versuchsvorbereitenden chirurgischen Eingriffen unterzogen werden dürfen, womit der weitergehende Antrag abgelehnt wurde. Das Gericht hat zudem diese Gestattung auf lediglich zwei Monate nach einer Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Widerspruch gegen die Ablehnung des Tierversuchsantrags des Affenhirnforschers begrenzt.

Zu den Gründen führt das Gericht an, dass die Fachgutachten keine wissenschaftlich fundierte Grundlage bieten würden und eine Abwägung zwischen der Belastung der Tiere und der Bedeutung des Forschungsvorhabens nicht abschließend möglich sei. Im Rahmen einer Folgenabwägung hat es daher lediglich die Argumente des Antragstellers vollumfänglich berücksichtigt. Da die gutachtlichen Ausführungen zur Belastung und ethischen Vertretbarkeit weitestgehend unberücksichtigt blieben, kam es zu dem Ergebnis, dass die Versuche höher wiegen als die Belastung der Tiere. Die Belastung der Tiere wurde lediglich als mittelgradig eingestuft.

Diese Abwägung ist aus Sicht von ÄgT nicht nachvollziehbar. Dass jedoch das Gericht invasive Maßnahmen an den zehn neu beantragten Tieren zunächst nicht für erforderlich erachtet, wertet ÄgT - gerade angesichts der Tatsache, dass diese Versuche maßgeblich auf invasiven Messungen fußen -, als Meilenstein. Angesichts der Dokumentation über das schwerste Leid in der Affenhirnforschung bei gleichzeitig unerwiesenem Nutzen ist der Verein zuversichtlich, dass bei einer weiteren Überprüfung diese Forschung keinen Bestand haben wird. Weiterhin weist das Gericht in seinem Beschluss darauf hin, dass die Bewertung des Schweregrades in einem Hauptsacheverfahren durchaus anders ausfallen könnte.

Hintergrund ist, dass im November 2023 die Bremer Gesundheitsbehörde die Weiterführung der Experimente abgelehnt hatte. Die Entscheidung fußte unter anderem auf verschiedenen Gutachten, die die Behörde in Auftrag gegeben hatte. Demnach würden neurophysiologische Versuche ein Leben lang schwere Leiden bedeuten und können bei Affen dazu führen, dass sich aufgrund der Belastung Verhaltensstörungen entwickeln. In Summe hält die Behörde die Versuche für ethisch nicht vertretbar.

Aufgrund des Ablehnungsbescheids stellte die Universität Bremen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht, über den nun aktuell beschieden wurde. „Aufgrund des seit 2021 verbesserten Tierschutzgesetzes, der großen Bandbreite an tierversuchsfreien, humanrelevanten Hirnforschungsmodellen sowie der Tatsache, dass das Leid der Affen nachweislich sehr schwer ist gegenüber keinem erwiesenen Nutzen der Versuche für die menschliche Gesundheit, ist diese Entscheidung nicht vollständig nachvollziehbar, geht aber einen kleinen Schritt in die richtige Richtung“, so Dipl. Biol. Silke Strittmatter, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche.

Erst im Oktober 2022 hatte der Ärzteverein mit dem Fall des Affen Jara aus Baden-Württemberg aufgedeckt, dass die Affen in derartigen Versuchen nicht nur schweres, sondern schwerstes Leid erfahren. ÄgT liegt eine interne amtliche Dokumentation vor, aus der unter anderem rund 20 Bohrlöcher im Schädelknochen und dazu korrespondierende Stichverletzungen im Gehirn mit dazugehörigen Entzündungsherden bei Jara hervorgehen. Weiter wird darin bestätigt, dass die Verletzungen unvermeidbarer Standard sind, also nicht als Einzelfall abgetan werden können.

Bereits 2008 hatte die Bremer Gesundheitsbehörde die Hirnversuche an Affen abgelehnt, woraufhin es zu einem Rechtsstreit kam. Schlussendlich befand das Bundesverwaltungsgericht 2014, dass der Tierschutz weniger wiege als die Forschungsfreiheit und das Leid der Tiere allenfalls als „mäßig“ zu werten sei. Die Entscheidung fußte dabei maßgeblich auf einem Gutachten des Primatenzentrums Göttingen, das selbst derartige Versuche durchführt und zudem verschiedene Affenarten für die Verwendung in der Forschung züchtet und für weitere Institutionen bereithält.

Der Ärzteverein unterstützte seit Jahren mit seiner Expertise und umfangreichen Stellungnahmen die Genehmigungsbehörde und sorgte mit weiteren Aktivitäten wie Plakataktionen für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit. In den Versuchen werden die Affen mit angeschraubtem Kopf und unter Flüssigkeitsentzug dazu gebracht, Aufgaben am Bildschirm zu lösen, während invasive Messungen im Gehirn vorgenommen werden.