Tierversuchslobby blockiert Fortschritt in Deutschland
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Warum Deutschland beim Ausstieg aus dem Tierversuch den internationalen Anschluss verliert
Deutschland bleibt beim Umstieg auf tierversuchsfreie Forschung weit hinter internationalen Entwicklungen zurück. Die von der früheren Ampel-Regierung angekündigte Reduktionsstrategie für Tierversuche wurde trotz fertigem Entwurf nicht beschlossen. Auch die aktuelle Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD zeigt bislang keine Initiative, den Prozess fortzuführen. Stattdessen setzte sich die Tierversuchslobby durch und verhinderte die Veröffentlichung.
Seit September 2024 hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gemeinsam mit Wissenschaft, Industrie, Tierschutzorganisationen, darunter Ärzte gegen Tierversuche, an der Reduktionsstrategie gearbeitet. Ziel war die Förderung humanrelevanter, tierversuchsfreier Methoden. Doch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen legte massiven Widerstand ein. Sie verwies auf die Wissenschaftsfreiheit, obwohl weder Verbote noch Fristen vorgesehen waren. Besonders Vertreter der Grundlagenforschung opponierten lautstark und starteten sogar eine Kampagne unter dem Motto „Wir machen Tierversuche“. Rund 80 % der Unterstützer kamen aus den Neurowissenschaften – einem Bereich, in dem tierexperimentelle Ergebnisse besonders selten zu Therapien/Medikamenten für Menschen führen.
Während Teile der Forschung blockieren, zeigt die Industrie längst, wohin die Reise geht. Unternehmen wie Merck, AstraZeneca, Sanofi und Roche investieren massiv in tierversuchsfreie Verfahren. Merck-Chefin Belén Garijo sprach bereits 2023 von einer Zukunft ohne Tierversuche – „in wenigen Jahren, nicht Jahrzehnten“. Auch international schreitet der Wandel voran: Die US-amerikanische FDA verzichtet zunehmend auf Tierversuche, Australien hat eine nationale Reduktionsstrategie verabschiedet, und die EU will 2026 eine eigene Roadmap zur tierversuchsfreien Chemikalienbewertung vorlegen. Deutschland droht den Anschluss zu verlieren.
Ein weiterer Rückschlag für Deutschlands tierversuchsfreie Forschung war im April 2025 die Nichtvergabe des Tierschutzforschungspreises in der Nachwuchskategorie. Statt junge deutsche Wissenschaftler zu fördern, gingen zwei Preise ins Ausland. Der mit bis zu 100.000 Euro dotierte Nachwuchspreis blieb unbesetzt – ein fatales Signal an innovative Forscherinnen und Forscher hierzulande.
Besorgniserregend sind zudem die Verflechtungen im Wissenschaftssystem: Der Wissenschaftsrat, der die Bundesregierung berät, bewertet gleichzeitig das BfR, gehört aber auch zur Lobbyvereinigung Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die die Reduktionsstrategie deutlich abgelehnt hat. Diese Allianz finanziert auch die Pro-Tierversuchsinitiative „Tierversuche verstehen“. Unabhängige Beratung der Politik ist unter solchen Bedingungen nicht möglich.
Deutschland braucht dringend eine Strategie zur Abschaffung von Tierversuchen, um in der biomedizinischen Forschung zukunftsfähig zu bleiben – ethisch, wissenschaftlich und wirtschaftlich. Die Regierung darf sich nicht länger von Lobbyinteressen aufhalten lassen. Ärzte gegen Tierversuche fordert: Der Wandel zu humanrelevanter, tierversuchsfreier Forschung muss jetzt beginnen.