Bundeslandwirtschaftsministerium legitimiert Tötung von Überschusstieren
- Pressemitteilung
Ärzteverein fordert Korrektur des Tierschutzgesetzes
Im aktuell vom Bundeslandwirtschaftsministerium vorgelegten, erneut überarbeiteten Entwurf des Tierschutzgesetzes, haben sich nach Aussage des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) die Interessen der Tierversuchslobby einmal mehr durchgesetzt. So ist die Tötung sogenannter Überschusstiere erlaubt, wenn Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen wurden. ÄgT sieht darin eine Legitimation der Tötung dieser Tiere aus nur wirtschaftlichen Gründen. Damit würde der nach dem Tierschutzgesetz erforderliche vernünftige Grund zu Gunsten der Tiernutzer ausgelegt und ad absurdum geführt werden.
Als „Überschusstiere“ werden Tiere bezeichnet, für die Experimentatoren keine Verwendung haben, weil sie nicht das gewünschte Geschlecht oder nicht die gewünschte Genveränderung haben oder aber zu alt sind. Solche Tiere werden getötet. Erst seit 2021 werden diese in der jährlichen Tierversuchsstatistik für Deutschland erfasst. 2022 waren es fast 1,8 Millionen Tiere, die mangels Verwendungszwecks „entsorgt“ wurden, wobei einer Auswertung von ÄgT zufolge sogenannte Überschusstiere nur „Pi mal Daumen“ gezählt, gar nicht gemeldet oder nur geschätzt werden, das tatsächliche Ausmaß also unklar ist.
Im nun auf Druck der Tierversuchslobby angepassten Gesetz und den Auslegungsempfehlungen ist geregelt, dass für den Bereich der Tierversuche ein nach Tierschutzgesetz vorgeschriebener vernünftiger Grund für die Tötung von sogenannten Überschusstieren anzunehmen ist, wenn die Zucht und Verwendung der Tiere sorgfältig geplant wurden und die Einrichtung Maßnahmen ergriffen hat, um überzählige Tiere zu vermeiden. Wie konkret diese Maßnahmen aussehen und ob und inwieweit diese einer unabhängigen Kontrolle unterliegen, ist nach Kenntnis von ÄgT nicht geregelt.
Der Ärzteverein sieht darin eine Festschreibung der Legitimation zur Tötung von Tieren aus rein wirtschaftlichen Gründen ohne ernsthafte Rechtfertigung. Zwar gab es bisher große Rechtsunsicherheit. Nun aber hat die Bundesregierung es versäumt, klare Regeln zu schaffen, die explizite Nachweise von Tierversuchseinrichtungen und Zuchten verlangen, Tiere eben nicht ungestraft aus bloßer Arbeits-, Zeit- und Kostenersparnis zu töten, wie dies de facto bislang der Fall war und jetzt quasi legalisiert werden soll. Nach Ansicht des Vereins widerspricht dies dem grundgesetzlich verankerten Tierschutz. Mit Verweis darauf untersagte das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem jüngeren Urteil die Tötung von unerwünschten Tauben auf einem Firmengelände.
„Angesichts der Tatsache, dass sich die Bundesregierung bislang verwehrte, im Zuge der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes auch den Bereich Tierversuche einzubeziehen, ist es umso dramatischer, dass jetzt den Forderungen der Tierversuchslobby nachgegeben wird und in tierschutzwidrigem Sinne Regelungen geplant sind“, so Dipl.-Biol. Silke Strittmatter von ÄgT. „Im Prinzip wird für die Tötung von unerwünschten Tieren im Labor ein rechtsfreier Raum geschaffen und jede Ernsthaftigkeit eines vernünftigen Grundes umgangen.“
Im Gegensatz zum vorherigen Entwurf des Tierschutzgesetzes wurde auch der Bußgeldrahmen verringert, der für Tierquälerei im Bereich Tierversuche gilt. Eine ernsthafte Bestrafung gab es zwar auch bislang in der Praxis nicht. Die nun abgemilderte Regelung jedoch zeigt nach Ansicht von ÄgT, dass die Rechte der Tiere bei der Bundesregierung eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Verein hat sich in einer E-Mail-Aktion bereits vor Monaten an rund 800 Adressaten aus der Politik gewandt, darunter Bundestagsabgeordnete und Ministerien, mit dem Apell, sich dafür einzusetzen, die Verschlechterungen zu Lasten des Tierschutzes rückgängig zu machen und sich stattdessen der Korrektur der immer noch bestehenden Rechtsverstöße gegen EU-Vorgaben zu widmen. So ist in Deutschland die Genehmigung besonders leidvoller Tierversuche immer noch ohne Einschränkung möglich, obwohl die EU eine Schmerz-Leidens-Obergrenze vorschreibt, ab der ein Tierversuch grundsätzlich nicht mehr durchgeführt werden sollte.