Sprache auswählen

To Homepage

LAL-Test - Das Leid der Pfeilschwanzkrebse

Wir alle wünschen uns sichere Medikamente, Impfstoffe und Medizinprodukte. Doch warum dafür jedes Jahr 550.000 Pfeilschwanzkrebse leiden müssen, von denen Schätzungen zufolge bis zu 150.000 versterben, ist unverständlich. Es gibt bereits seit 25 Jahren eine tierfreie Methode, welche nachweislich mindestens ebenbürtige oder sogar bessere Aussagen zur Sicherheitsbewertung ermöglicht. Dieser Beitrag beleuchtet die enormen Gewinne einer verborgenen Tiernutzungs-Industrie, welche sie mittels geschickter Lobbyarbeit zu erhalten versteht und bricht eine Lanze für ein Tier, welches zwar fremdartig erscheint, aber dennoch Schutz vor Leiden und Ausbeutung verdient.

Der Pfeilschwanzkrebs: Fremdartig und unbedeutend oder faszinierend und schützenswert?

Pfeilschwanzkrebs
Der Pfeilschwanzkrebs - ein urtümliches Tier.

Der Pfeilschwanzkrebs gehört zu den ältesten Lebewesen der Erde. Es gab ihn bereits von 400 Millionen Jahren und die Art hat mehrere erdgeschichtliche Katastrophen und Massenaussterben überlebt, unter anderem auch das Aussterben der Dinosaurier vor ca. 66 Millionen Jahren (1). Da sich die Pfeilschwanzkrebse über diese unvorstellbaren Zeiträume kaum verändert haben, werden sie auch als lebende Fossilien bezeichnet. Die bis zu 85 cm langen urtümlichen Tiere, welche gar keine Krebse sind, sondern vermutlich eher mit den Spinnentieren verwandt sind, verfügen über ein dreigeteiltes Außenskelett, bestehend aus Vorderkörper, Hinterleib und Schwanzstachel. Der bedrohlich wirkende pfeilförmige Schwanz der Tiere ist harmlos, er dient ihnen als Hilfe beim Umdrehen, wenn sie auf dem Rücken liegen, sowie als Steuer.

Heute existieren noch vier Arten von Pfeilschwanzkrebsen. Drei davon leben in den Gewässern Südost-Asiens und eine Art (Limulus polyphemus) vor der nordamerikanischen Atlantik-Küste. Die nordamerikanischen Pfeilschwanzkrebse leben überwiegend verborgen am Meeresgrund, wandern im Frühjahr aber aus tieferen Gewässern zu ihren Laichgebieten an der Ostküste der USA.

Vom nahezu wertlosen Massenprodukt zum kostbaren Pharmarohstoff

Pfeilschwanzkrebs am Strand
Pfeilschwanzkrebse werden auf dem Weg zum Laichen gefangen. 

Der Pfeilschwanzkrebs kam an der Ostküste der USA Mitte des 19. Jahrhunderts in solchen Massen vor, dass er als Futter für Schweine und Hühner gesammelt und verwendet wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Pfeilschwanzkrebse in den USA dann in großem Umfang zu Dünger verarbeitet (2). Diese intensive Nutzung und die Tatsache, dass die Tiere dafür auf dem Weg zur Paarung gefangen wurden und so ihre Fortpflanzung unterbunden wurde, führte dazu, dass sich ihre Zahl dramatisch verringerte (2). Dennoch wurde der Fang der Tiere zur Düngerproduktion erst in den 1970er Jahren eingestellt – nicht aufgrund des Artenschutzes, sondern wegen der Einführung künstlicher Düngemittel. Daraufhin erholte sich die Population wieder. In den 1990er Jahren wurde erneut damit begonnen, die Tiere massenhaft zu fangen. Diesmal, um sie als Köder zum Fangen von Wellhornschnecken und Aalen zu verwenden (3).

Auch heute noch werden die Pfeilschwanzkrebse systematisch gefangen und genutzt. Auch, aber nicht nur als Köder. Denn ihr durch das für den Sauerstofftransport zuständige und kupferhaltige Molekül Hämocyanin blau gefärbtes Blut kann dazu verwendet werden, fieberauslösende Substanzen, sogenannte Pyrogene, nachzuweisen.

Pyrogene

Pyrogene sind Substanzen, die beim Menschen Fieber auslösen oder sogar zu einer Blutvergiftung mit womöglich tödlichem Ausgang führen können. Stoffe, die dem Menschen unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes verabreicht werden, müssen daher auf diese fieberauslösenden Stoffe geprüft werden. Dazu zählen Lösungen, die in die Vene, den Muskel oder unter die Haut injiziert werden, wie Impfstoffe, Infusionslösungen und injizierbare Medikamente, aber auch medizinische Materialien, die in den menschlichen Körper eingepflanzt werden sollen, wie Hüftprothesen oder künstliche Herzklappen. Die Überprüfung einer jeden Charge dieser Produkte auf Pyrogene ist vom Europäischen Arzneibuch vorgeschrieben, um Patienten vor Schäden zu schützen.

Pyrogene können dabei aus unterschiedlichen Quellen stammen und in das Produkt eingebracht werden: Sie können entweder bakteriellen Ursprungs sein wie beispielsweise die Endotoxine, die beim Zerfall von gramnegativen Bakterien freigesetzt werden, ebenso können sie aus grampositiven Bakterien, Pilzen oder Viren stammen oder beispielsweise aus dem Abrieb von Gummi, Kunststoff und Metall.

Die klassische Methode zur Testung auf Pyrogene ist der sogenannte Rabbit Pyrogen Test (RPT). Dabei werden Kaninchen in einen kleinen Kasten gesperrt, aus denen nur ihr Kopf herausschaut. Ihnen wird dann in eine Ohrvene die zu testende Substanz gespritzt und über ein Thermometer in ihrem Enddarm wird über mehrere Stunden beobachtet, ob die Tiere Fieber entwickeln. Die Kaninchen können mehrfach in diesen qualvollen Versuchen eingesetzt werden, welche für Kaninchen als Fluchttiere schon alleine durch die Fixierung einen enormen Stress darstellen. Dann werden sie getötet. Während sich das Bewusstsein, dass Kaninchen nicht auf so grausame Art als Messinstrumente missbraucht werden sollten – nicht zuletzt aufgrund unserer Kampagne (4) – immer mehr durchsetzt und auch in Deutschland immer mehr Firmen auf die Nutzung des Kaninchentests verzichten, ist zunehmend der Pfeilschwanzkrebs in den Fokus der Pyrogentestung geraten.

Der Limulus Amöbozyten-Lysat (LAL)-Test

Die Blutzellen des Pfeilschwanzkrebses, die sogenannten Amöbozyten, enthalten Eiweißstoffe, die auf Endotoxine mit Gerinnung reagieren. So können in den Körper der Tiere eingedrungene Bakterien unschädlich gemacht werden, indem sie in ein Gel eingekapselt und so an der Ausbreitung gehindert werden. Dieses besondere Verhalten der Amöbozyten machen sich spezialisierte Firmen zu Nutze. Dazu wird das Blut wildgefangener Pfeilschwanzkrebse abgezapft, die darin enthaltenen Zellen aufgebrochen und so der Inhalt der Zellen, das sogenannte Lysat, gewonnen. Dieses enthält die Substanz Koagulogen und den Eiweißstoff Faktor C. Werden diese Substanzen mit einem fieberauslösenden Endotoxin zusammengebracht, zerfällt das Koagulogen in unlösliche Bruchstücke. Diese Bruchstücke lagern sich aneinander und verfestigen sich so zu einem Gel.

Im sogenannten Limulus Amöbozyten-Lysat (LAL)-Test wird dies ausgenutzt, um Kontaminationen mit Endotoxinen festzustellen. Der LAL-Test wurde in den 1970er Jahren auf den Markt gebracht und ist noch heute eine der Standardmethoden zum Aufspüren bakterieller Verunreinigungen in injizierbaren Lösungen. Dabei zeichnen die Firmen, die LAL-Tests herstellen, gerne das Bild einer nachhaltigen Nutzung des Pfeilschwanzkrebses: Die Tiere würden nur kurz dem Meer entnommen und nach der Blutabnahme unbeschadet wieder zurückgebracht. Im Gegenzug dafür würden sie zudem vor der übermäßigen Nutzung als Köder in der Fischerei geschützt (5).

Das Leid der Pfeilschwanzkrebse

Angesicht der Unmenge an Infusionslösungen, injizierbaren Medikamenten und implantierbaren Medizinprodukten, die bei der Chargenfreigabe auf den Gehalt an Pyrogenen untersucht werden müssen, wird rasch klar, dass gewaltige Mengen an Amöbozyten-Lysat verbraucht werden. So werden einer Quelle aus dem Jahr 2018 zufolge jedes Jahr alleine an der Ostküste der USA etwa 550.000 Pfeilschwanzkrebse für die Blutgewinnung verwendet (6). Die Tiere werden von Trawlern mit Schleppnetzen gefangen und in die Labore gebracht. Dort werden sie gereinigt und auf Verletzungen überprüft. Ihr Körper wird stark verbogen, sodass zwischen dem Panzer des Vorder- und Hinterkörpers ein Spalt entsteht. Die Pfeilschwanzkrebse werden dann in langen Regalen aneinandergereiht und ihnen wird ohne Betäubung eine dicke Kanüle in das Herz gestoßen (7), durch die das blaue Blut austritt und in Flaschen aufgefangen wird. Jedem Krebs wird so bis zu 30 % seines Blutes entnommen. Dann werden die Tiere zurück ins Meer gebracht.

Pfeilschwanzkrebse werden in Massen getötet
Pfeilschwanzkrebse werden in Massen gefangen, viele sterben.

Auch wenn es gerne anders dargestellt wird, ist der Prozess mehr als eine kurze Entnahme aus ihrem Lebensraum, in den sie nach einem kurzen „Melken“ zurückgebracht werden: Den Fang, die oft lange Zeit an der Luft, den Transport und die Prozedur des Blutabnehmens überleben viele Tiere nicht. Von den überlebenden Tieren werden zudem 13 % an örtliche Fischer als Köder verkauft, der Rest wird wieder ins Meer entlassen (8). Schätzungen zufolge sterben auch von den ins Meer zurück gebrachten Tieren zwischen 10 und 30 % (9). Dabei sind die Tiere, die bereits beim Fang oder Transport getötet oder verletzt werden – und deshalb bereits vor der Blutabnahme aussortiert werden – noch nicht eingerechnet.

Aber auch die Tiere, die die Prozedur überleben, sind beeinträchtigt. Um ein wiederholtes Fangen und Blutabzapfen zu verhindern, werden die Tiere weit weg von dem Ort, an dem sie eingesammelt wurden, wieder freigelassen (9). Es wurde zudem festgestellt, dass die Tiere nach der Blutentnahme langsamer und lethargisch sind. Dies schränkt die Tiere besonders während der Paarungszeit ein, sodass ihr Fortpflanzungserfolg gefährdet ist (10). Insbesondere weibliche Pfeilschwanzkrebse leiden unter der Blutabnahme. Es wird angenommen, dass die Produktion der Eier für die Tiere eine hohe energetische Belastung darstellt. Da ein Großteil des Fangs der Tiere in oder kurz nach der Paarungszeit stattfindet, sind die Weibchen durch die Produktion der Eier und den Blutverlust doppelt belastet. Somit ist ihre Sterblichkeit höher, und in manchen Gebieten wird bereits eine zunehmende Verschiebung der Geschlechter zugunsten der Männchen beobachtet (11). So ist es nicht verwunderlich, dass die in Amerika vorkommende Art Limulus polyphemus von der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) seit 2016 als gefährdet („vulnerable“) gelistet wird.

Die Rolle der Industrie: Enorme Gewinne und Täuschungsmanöver

Pfeilschwanzkrebsen wird Blut abgezapft
Pfeilschwanzkrebsen wird ihr blaues Blut abgezapft.

Das Blut der Pfeilschwanzkrebse wird zu einem Preis von 15.800 $/l (umgerechnet derzeit etwa 15.000 €/l) gehandelt (12). Es wird daher auch als „blaues Gold“ bezeichnet. Geschätzt werden pro Jahr etwa 550.000 Tiere gefangen (6), wobei diese Zahl aus dem Jahr 2018 bis heute vermutlich nicht geringer geworden sein dürfte. Allein schon durch den Bedarf an Coronaimpfstoffen wird ihre Zahl vermutlich noch gestiegen sein (13). Je Tier lassen sich 200 bis 400 ml Blut gewinnen (7). Selbst bei einer konservativen Schätzung kommt man so auf mindestens 110.000 Liter Pfeilschwanzkrebsblut, die pro Jahr gewonnen werden und einen Wert von ca. 1,65 Milliarden Euro haben. In den folgenden Abschnitten werden einige der Firmen vorgestellt, die Pfeilschwanzkrebse nutzen und an ihrem Blut verdienen. Eine vollständigere Übersicht über die beteiligten Firmen ist bei der ERDG (Ecological Research & Development Group) online verfügbar (14).

Associates of Cape Cod

Associates of Cape Cod bietet nicht nur verschiedene LAL-Produkte und entsprechendes Zubehör an, sondern führt die LAL-basierten Pyrogentests auch als Auftragsarbeit gemäß der US-amerikanischen und europäischen Arzneibücher durch.

Die Firma wirbt mit einem Zuchtprogramm für Pfeilschwanzkrebse: Dazu werden Eier und Spermien der Tiere, die als Köder für die Fischerei verkauft werden, gesammelt und befruchtet und später die geschlüpften Jungtiere freigelassen. So wurden bis zum Juni 2021 eine Million Jungtiere ins Meer entlassen. So soll das „genetische Erbe der Tiere an die kommenden Generationen weitergegeben werden“ (15). Das Ganze wirkt schon beinahe zynisch. Die Firma verkauft die Elterntiere als Köder. Aus den Eiern und Spermien der Tiere werden neue Tiere gezüchtet, die – so sie denn im Meer überhaupt überleben und heranwachsen – den Fang und die Gewinne auch in den kommenden Jahren sicherstellen. Dies als Projekt zur nachhaltigen Arterhaltung darzustellen, wirkt eher wie ein Ablasshandel.

Charles River

Marktführer bei der Produktion von LAL ist die Firma Charles River Laboratories, die gleichzeitig auch zu den weltweit größten „Versuchstier“zuchten gehört. Die Firma lässt seit beinahe 30 Jahren Pfeilschwanzkrebse bluten und macht damit jährlich einen Umsatz von ca. 500 Millionen US Dollar (16).

Charles River hat sich bereits an der Herstellung einer synthetischen Alternative zum LAL versucht, welche jedoch nicht so gut funktionierte wie das LAL (16). Seitdem arbeitet die Firma sehr aktiv und leider erfolgreich gegen die Nutzung synthetischer LAL-Produkte, die von anderen Herstellern durchaus zur Verfügung stehen. Laut Recherchen der The State Media Company veröffentlicht Charles River irreführende Daten, die die Qualität synthetischer Produkte, die in Europa, Japan und China bereits zugelassen sind, anzweifeln. Mutmaßlich ist es diesen Aussagen und vor allem der Lobbyarbeit von Charles River geschuldet, dass die synthetischen Alternativen bis heute im amerikanischen Arzneibuch dem LAL-Test nicht gleichgestellt sind. Außerdem soll Charles River Berichten zufolge Pfeilschwanzkrebse auch in Schutzgebieten fangen lassen (16).

Die Firma selbst gibt hingegen an, dass sie am Schutz der Pfeilschwanzkrebse maßgeblichen Anteil hat. So würde erst der Bedarf der biomedizinischen Industrie dazu führen, dass die Tiere besser geschützt werden und entsprechende Gesetze erlassen wurden. Tatsächlich war die Firma daran beteiligt, dass Gesetze erlassen wurden, die in South Carolina den Fang der Pfeilschwanzkrebse als Köder für die Fischerei verbieten. Für diese vermeintlichen Erfolge feiert sich die Firma nun selbst (17). Natürlich ist es legitim, wenn sich wirtschaftliche Interessen mit denen des Artenschutzes decken. Ein schaler Beigeschmack bleibt dennoch, wenn ein Konzern, der an millionenfachem Tierleid verdient, die Fischerei als Konkurrenz für eine begrenzte Ressource ausschaltet und stattdessen selbst am Fang der gefährdeten Tiere verdient – und sich dann auch noch ihrer Verdienste zum Erhalt der Art rühmt. Zudem scheinen sich diese Bemühungen zum Schutz der Pfeilschwanzkrebse ausschließlich auf die amerikanische Art zu beziehen. Laut der ERDG (Ecological Research & Development Group) fängt Charles River unter dem Namen Zhanjiang A&C Biological auch in Asien Pfeilschwanzkrebse. Im Gegensatz zur USA werden dort die Tiere nach der Blutgewinnung jedoch nicht zurück ins Meer gebracht und die Todesrate der Tiere beträgt 100 % (14).

Nutzung des LAL-Tests in Deutschland

Der Fang der Pfeilschwanzkrebse erfolgt an der Ostküste der USA sowie für den asiatischen Markt in Südostasien. Genutzt wird das Produkt aus dem blauen Blut der Tiere jedoch weltweit – auch in Deutschland. Die Dimensionen des Verbrauchs der Industrie in Deutschland lassen sich leider nicht ermitteln. Man kann aber davon ausgehen, dass er von so gut wie allen Pharmafirmen genutzt wird, dazu kommen Auftragslabore, die für die Pharmaindustrie Tests anbieten.

So wird der LAL-Test von verschiedenen Firmen als Dienstleistung angeboten:

  • in Bayern vom Labor LS (Bad Bocklet) und der senetics healthcare group GmbH & Co. KG (Ansbach)
  • in Baden-Württemberg von der CleanControlling Medical GmbH & Co. KG (Emmingen-Liptingen) und der BBF Sterilisationsservice GmbH (Kernen im Remstal)
  • in Nordrhein-Westfalen vom Mikrobiologischen Labor Dr. Michael Lohmeyer GmbH (Münster) und der Wessling GmbH (Altenberge)
  • in Berlin von dem ifp Institut für Produktqualität GmbH

Diese kurze Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und deckt sicherlich nur einen kleinen Teil der Labore ab, die den LAL-Test als Auftragsarbeit durchführen.

Es geht auch anders: Eli Lilly testet tierleidfrei

Dass es auch anders geht, zeigt die amerikanische Pharmafirma Firma Eli Lilly. Bereits seit 2016 beantragt die Firma bei der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) für neue Produkte die Genehmigung zur Verwendung von synthetischen Alternativen zum LAL-Test. Also ebenjener Methoden von denen Charles River noch immer behauptet, dass sie nicht gut genug funktionieren würden. Dies sieht die FDA offensichtlich anders, denn im Jahr 2021 erteilte sie Eli Lilly die Autorisierung für einen Antikörper zur Behandlung von COVID-19, welcher mit synthetischen Alternativen getestet wurde (16).

Natürlich tut auch Eli Lilly dies nicht aus uneigennützigen Motiven. So gibt Jay Bolden, Biologe bei Eli Lilly an, dass das Verfahren für Eli Lilly kostengünstig sei. Zudem sagt er, dass bei der synthetischen Alternative ein konsistenteres Produkt hergestellt werden könne, als es mit aus dem Meer gezogenen Tieren möglich wäre (16).

Tierfreie Nachbildung des LAL-Tests

Dass Teile der biomedizinischen Industrie LAL vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Erfahrung auch weiterhin nutzen möchten, ist vielleicht verständlich. Nötig ist das aber schon lange nicht mehr. So entwickelten Wissenschaftler von der Universität Singapur das entsprechende Verfahren für eine synthetische Alternative zum LAL-Test bereits im Jahr 1997. Im Gegensatz zum LAL-Test kommt diese Methode mit nur einem einzigen Protein aus, dem rekombinanten Faktor C (rFC). Beim damit durchführbaren rFC-Test führt die Bindung eines Endotoxins an rFC zur dessen Aktivierung. Der aktivierte rFC beschleunigt dann eine Reaktion, bei der ein Farbstoff entsteht.

Der synthetisch hergestellte rFC entspricht dem aus dem Blut der Pfeilschwanzkrebse, er wird nur anders produziert. Von Mikroorganismen in Bioreaktoren, die sich in beliebiger Größe skalieren lassen, um den Bedarf des Markts nachhaltig und unabhängig von den als gefährdet eingestuften Pfeilschwanzkrebsen decken zu können (8). Dennoch hat sich der rFC-Test, der bereits seit 2003 kommerziell verfügbar ist, bisher nicht gegenüber dem LAL-Test durchgesetzt. Häufig werden Befürchtungen geäußert, dass der rFC-Test weniger effizient und sicher sein könnte als der LAL-Test. Doch was ist dran an diesen Behauptungen, die zum Beispiel von Charles River verbreitet werden?

Wissenschaftliche Bewertung des synthetischen rFC-Tests

Immer wieder wird behauptet, dass der Test mit dem in Bakterien produzierten rFC weniger sicher sei als der Test mit dem Blut der Pfeilschwanzkrebse. Um diese Behauptung zu überprüfen, wurde im Jahr 2018 eine Studie durchgeführt, in der 10 Veröffentlichungen verglichen wurden, welche die Effizienz des rFC-Tests untersucht haben (8).

Dabei wurde eindeutig festgestellt, dass der rFC-Test sich ebenso gut für die Detektion von Endotoxinen aus gramnegativen Bakterien eignet wie der LAL-Test. Darüber hinaus war die Spezifität des rFC-Tests höher. Das bedeutet, dass beim rFC-Test ausschließlich Endotoxine zu einem Signal führen, während beim LAL-Test auch andere Substanzen wie beispielsweise Mehrfachzucker sowie Proteasen oder Phospholipide zu einer Verklumpung und somit zu einem falsch-positiven Signal führen können. Im Gegensatz dazu sind bisher keine Substanzen bekannt, die beim rFC-Test zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Zudem führt der rFC-Test auch zu weniger falsch-negativen Testergebnissen, die im schlimmsten Fall dazu führen könnten, dass Endotoxine nicht entdeckt werden und entsprechende Produkte auf den Markt gelangen und beim Patienten schwere Komplikationen verursachen können. Ein weiterer Vorteil ist die bessere Reproduzierbarkeit des rFC-Tests, welcher aufgrund seiner Herstellung geringere Chargenschwankungen aufweist als der LAL-Test (8).

Rechtliche Situation

Obwohl es also mehr als genügend Belege dafür gibt, dass der rFC-Test eine sichere Testung auf Endotoxine ermöglicht, setzt er sich nur langsam durch. Hersteller und Behörden sind verständlicherweise vorsichtig, wenn es darum geht, sicherheitsrelevante Verfahren in einem so sensiblen Bereich wie der Endotoxin-Testung zu verändern. Die Hersteller selbst können nur in begrenztem Umfang entscheiden, mit welcher Methode sie die Endotoxin-Testung durchführen und nur Methoden, die von den jeweiligen zuständigen Behörden akzeptiert werden, dürfen zum Einsatz kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass für Impfstoffe und Medikamente die weltweit hergestellt und vertrieben werden, verschiedene Aufsichtsbehörden (z. B. FDA in den USA und Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Europa) zuständig sind, die sich auf verschiedene Kompendien (z.B. US- bzw. Europäische Pharmacopoeia) berufen.

Im Jahr 2012 gab die FDA eine Leitlinie heraus, in denen die Verwendung von rFC als Alternative zum LAL-Test genannt wurde. Im Jahr 2016 wurde der rFC-Test auch im Europäischen Arzneibuch als mögliche Alternative aufgenommen. 2018 wurde das erste Medikament, welches mit den rFC-Test getestet wurde, durch die FDA zugelassen. Im selben Jahr teilte das Europäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (European Directorate for the Quality of Medicines, EDQM) mit, dass ein neues Kapitel in der Europäischen Pharmacopeia geplant ist, welches sich mit dem rFC-Test befasst. Dieses Kapitel wurde 2020 veröffentlicht (18).

So wurden bereits viele kleine Schritte in die richtige Richtung unternommen und es scheint wahrscheinlich, dass der rFC-Test als gleichwertige Methode zum LAL-Test anerkannt wird. Bis es so weit ist, gilt er jedoch nur als sogenannte alternative Methode. Dies bedeutet, dass der Test zwar anstelle des LAL-Test angewendet werden kann, allerdings für jedes einzelne Produkt eine aufwändige Validierung durchgeführt werden muss. Ein Aufwand, den viele Unternehmen scheuen. Wir fordern daher nicht nur die vollständige Anerkennung des rFC-Test, dessen Anwendbarkeit nicht zuletzt durch die Zulassung von mit ihm getesteten Medikamenten durch die FDA hinreichend belegt wurde, sondern auch die Streichung aller Pyrogentests, die auf Tierleid basieren.

Monozyten-Aktivierungs-Test (MAT)

Der Pyrogentest dient dazu, Substanzen, die beim Menschen Fieber auslösen, nachzuweisen. Warum wird dafür überhaupt Pfeilschwanzkrebsblut oder darin vorkommende Substanzen verwendet? Es scheint naheliegender, die Mechanismen, welche im menschlichen Körper bei der Fieberreaktion stattfinden, zum Aufspüren von Pyrogenen zu nutzen.

Diesen Ansatz verfolgt der Monozyten-Aktivierungs-Test (MAT). Zellen des Immunsystems, insbesondere bestimmte weiße Blutkörperchen (Monozyten), schütten bei Kontakt mit fiebererzeugenden Verunreinigungen Botenstoffe – die sogenannten Interleukine – aus, welche im Organismus die Fieberreaktion in Gang setzen. Beim MAT wird die zu prüfende Substanz daher mit einer kleinen Blutmenge eines gesunden, freiwilligen Spenders vermischt. Sind Pyrogene vorhanden, bilden die weißen Blutkörperchen Interleukin-1, dessen Menge bestimmt werden kann. Eine Blutspende von 500 ml reicht für 50.000 Tests (19).

Im Unterschied zu den beiden Tiertests mit Kaninchen und Pfeilschwanzkrebsen können mit dem MAT nicht nur Lösungen, sondern auch Pulver, gasförmige Substanzen, Bluttransfusionen und Zelltherapien getestet werden. Zudem kann eine viel größere Bandbreite an Pyrogenen aufgespürt werden, inklusive der vom LAL nicht erfassten Pyrogene aus grampositiven Bakterien sowie Pilzen. Durch die Verwendung von Humanzellen sind die Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragbar.

Der MAT kann mithilfe standardisierter und käuflich erwerbbarer Testsätze durchgeführt werden. Dabei gibt es verschiedenen Varianten, die gleichermaßen im Europäischen Arzneibuch anerkannt sind: ein Test mit frischem humanem Vollblut von freiwilligen Spendern, eingefrorenes Blut von freiwilligen Spendern und eine menschliche Zelllinie (Mono Mac 6-Zellen).

Vergleich verschiedener Methoden zur Testung auf Pyrogene

 

Rabbit Pyrogen Test

LAL-Test

rFC-Test

MAT

Test-Typ

Pyrogentest

Endotoxintest

Endotoxintest

Pyrogentest

Test-Art

In-vivo

In-vitro

In-vitro

In-vitro

Tierverbrauch

+

+

-

-/(+)

Nachweisbare Pyrogene:

Gram-negative Bakterien

+

+

+

+

Gram-positive Bakterien

+

-

-

+

Viren

+

-

-

+

Pilzen

+

-

-

+

Andere

+

-

-

+

Anwendbar für:

Injizierbare Pharma-Produkte

+

+

+

+

Biologika

+

+

+

+

Blutprodukte

-

-

+

+

Zelltherapien

-

-

+

+

Corona und die Pfeilschwanzkrebse

Durch die Corona Pandemie ist der Bedarf an Pyrogentests enorm gestiegen und die Mehrzahl der Impfstoffe und Antikörper gegen das Virus wurden und werden mit dem LAL-Test geprüft (2). Dadurch droht sich die übermäßige Entnahme und der Rückgang der Population der Pfeilschwanzkrebse zu wiederholen (13). Pfeilschwanzkrebse werden erst im Alter von etwa 10 Jahren geschlechtsreif. Kurzfristig wird sich ein Rückgang durch den vermehrten Fang zeigen. Langfristig aber, also in 10 Jahren, werden die heute nicht gezeugten Jungtiere nicht zum Ablaichen an die Strände kommen.

Doch vielleicht stellt die Corona-Pandemie auch eine Chance dar. Der LAL-Test ist das einzige medizinische Produkt, welches ausschließlich auf einer einzigen wildlebenden Spezies beruht, deren Population zudem auch noch abnimmt (20). Sich in Zeiten einer Pandemie auf solch einen Test zu verlassen, scheint geradezu wagemutig. So glaubt Dr. Jessica Ponder, Toxikologin vom Physicians Committee for Responsible Medicine, dass die Pandemie verdeutlicht, wie dringend synthetische Alternativen zum LAL anerkannt werden müssen (16).

Wie kann der Pfeilschwanzkrebs geschützt werden?

Vielleicht ist der Pfeilschwanzkrebs kein Sympathieträger. Vielleicht ist er einfach zu fremdartig und im Gegensatz zu Kaninchen zu weit weg von dem, was gemeinhin als niedlich und schützenswert erachtet wird. Als wirbellose Tiere werden Pfeilschwanzkrebse weniger gut gesetzlich geschützt als Wirbeltiere und manche Wissenschaftler sind auch noch heute unsicher, ob sich unser Konzept von Schmerz auf solche Tiere anwenden lässt (21).

Und so wird beim Schutz des Pfeilschwanzkrebses häufig nicht auf ihn selbst verwiesen, sondern auf seine Bedeutung für das Ökosystem und für andere, gefälligere Arten. An der Mittelatlantikküste hängen gleich mehrere Zugvogelarten direkt von den Pfeilschwanzkrebsen ab. Gerade die Bucht von Delaware ist ein wichtiger Rastplatz für diese Vögel, die ihr Eintreffen mit der Eiablage der Pfeilschwanzkrebse in der Bucht synchronisiert haben. Das Fehlen der Eier der Pfeilschwanzkrebse führt zu einer Abnahme der Vogelzahl und ihres Bruterfolgs. Dies betrifft unter anderem den Knutt, einen Vogel, der auf seinem langen Zugweg zu seinen Brutgebieten in der Arktis hier Rast macht. Seit 2014 gilt der Knutt als gefährdet (8,20).

Im Zweifel sollte man immer davon ausgehen, dass jedes Tier Schmerz und Leid empfinden kann. Jedes Individuum sollte vor vermeidbarem Leid bewahrt werden, unabhängig von seiner Bedeutung für das Ökosystem. Daher gibt es nur eine klare Forderung: Verbot des LAL-Tests und damit verbunden sofortige regulatorische Anerkennung und umfassender Einsatz des rFC-Tests.

Schlussbemerkungen

Früher wurde dem Pfeilschwanzkrebs sein massenhaftes Vorkommen zum Verhängnis. Nahezu wertlos wurden die Tiere millionenfach gefangen und zu Dünger und Futter für sogenannte Nutztiere verarbeitet. Heute ist das lebende Fossil enorm kostbar, was ihm jedoch nichts nützt. Im Gegenteil, hohe Gewinne führen erneut zur Plünderung der Bestände.

Fang und Ausbeutung dieser Urzeitwesen gleichen einer Bankrotterklärung für die Fähigkeit des Menschen zu empathischem, nachhaltigem und vernünftigem Handeln. Zumal die tierleidfreien Methoden zur Pyrogentestung bereits seit Jahren verfügbar sind und ihre Anwendbarkeit und Überlegenheit in etlichen Studien belegt wurde. Somit würde die konsequente Nutzung der tierfreien Systeme nicht nur dem Pfeilschwanzkrebs und den von ihm abhängigen Zugvögeln, sondern auch uns allen nutzen.

Und vielleicht wäre auch ein wenig Demut angebracht einem Lebewesen gegenüber, das bereits vor 400 Millionen Jahren existierte und das Aussterben der Dinosaurier überlebte und nun von uns Menschen bereits zum wiederholten Male massiv ausgebeutet wird.

04.04.2023
Dr. rer. nat. Johanna Walter

Quellen

  1. Horseshoe crab recovery coalition: The history (ohne Datum).  (abgerufen am 21.02.2023)
  2. Sargent W. The horseshoe crab is the unsung, and threatened, hero of the pandemic, History News Network 2021. (abgerufen am 21.02.2023)
  3. Odell J. et al. A biosocial approach for analyzing environmental conflicts: A case study of horseshoe crab allocation. BioScience 2005; 55(9)
  4. Ärzte gegen Tierversuche: 6.000 Kaninchen retten – Pyrogentest stoppen! 06.07.2022 (abgerufen am 21.02.2023)
  5. Charles River annual report 2021. (abgerufen am 21.02.2023)
  6. Atlantic states marine fisheries commission species profile: Horseshoe crab. ASMFC Fisheries Focus 2018;27(4)
  7. Armstrong P. et al. Blood collection from the American horseshoe crab, Limulus polyphemus. Journal of Visualized Experiments; 2008(20):958
  8. Maloney T. et al. Saving the horseshoe crab: A synthetic alternative to horseshoe crab blood for endotoxin detection. PLOS Biology 2018; 16(10):e2006607
  9. Madrigal A.C. The blood harvest. The Atlantic. 02.2014 (abgerufen am 21.02.2023)
  10. Anderson R.L. et al. Sublethal behavioral and physiological effects of the biomedical bleeding process on the American horseshoe crab, Limulus polyphemus. The Biological Bulletin 2013; 225(3):137–151
  11. Leschen A.S. et al. Mortality in female horseshoe crabs (Limulus polyphemus) from biomedical bleeding and handling: Implications for fisheries management. Marine and Freshwater Behaviour and Physiology 2010; 43(2):135–147
  12. Winfrey T. Horseshoe crab’s blue blood is worth $60,000 per gallon; here’s why. The Science Times. 06.06.2022 (abgerufen am 21.02.2023)
  13. American oceans: The many ways horseshoe crab blood will amaze you (ohne Datum) (abgerufen am 21.02.2023)
  14. The Horseshoe Crab: Best manufacturing practices. (abgerufen am 21.02.2023)
  15. Associates of Cape Cod: Horseshoe crab sustainability project. (abgerufen am 21.02.2023)
  16. Eisner C. Vaccine testing is changing. Why is this $13B lab still bleeding SC horseshoe crabs? The State 05.05.2022
  17. Cooper J. The LAL industry’s remarkable stewardship of horseshoe crabs, 15.07.2020 (abgerufen am 21.02.2023)
  18. Ding J.L. et al. Endotoxin detection: The four pillars of rFC adoption in lieu of LAL. American Pharmaceutical Review 2020
  19. Hartung T.: The human whole blood pyrogen test – lessons learned in twenty years. ALTEX - Alternatives to animal experimentation 2015; 32(2):79–100
  20. Sargent W. This animal is central to our fight against COVID. Now it needs our help, 29.09.2021 (abgerufen am 21.02.2023)
  21. Gorman R. Horseshoe crabs and the pharmaceutical industry: Challenges and alternatives. RSPCA Project Report; 2020 (abgerufen am 21.02.2023)