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01.12.2005

Auf unsere Briefe vom 08.08.05 und 08.11.05 an das Bundesamt für Strahlenschutz erhielten wir am 01.12.05 Antwort. Das Bundesamt verteidigt die von ihm in Auftrag gegebenen Tierversuche, teilt aber mit, dass »außer den vergebenen und zum Teil bereits abgeschlossenen Arbeiten keine weiteren tierexperimentellen Studien« im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF) vorgesehen sind. Auch die Studie über mögliche altersabhängige Wirkungen von Mobilfunkstrahlung wird nicht, wie auf der Webseite des DMF angekündigt, tierexperimentell durchgeführt, sondern mittels epidemiologischer Untersuchungen.

Diese Nachricht ist erfreulich und als Erfolg zu werten. 

Offener Brief an das Bundesamt für Strahlenschutz

An das
Bundesamt für Strahlenschutz
Willy-Brandt-Straße 5
38226 Salzgitter

Braunschweig, 8. August 2005

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin entsetzt, zu erfahren, dass Ihr Amt im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms Tierversuche in Auftrag gibt und unterstützt.

Solche Versuche sind nicht nur grausam und ethisch nicht zu rechtfertigen, sie sind auch vollkommen irrelevant, wenn es darum geht, mögliche Gefahren durch Mobilfunkstrahlung für den Menschen zu ermitteln.

Beispielsweise vergaben Sie einen Forschungsauftrag an die Internationale Universität Bremen zur Auswirkung von Mobilfunkstrahlung auf Mäuse. Es wurden Tiere verwendet, die durch eine genetische Veränderung im Alter von einem Jahr an einem Lymphom erkranken. Die eine Hälfte der Mäuse wurde in ihren Käfigen rund 10 Monate lang einer dauernden Handystrahlung (900 MHz) ausgesetzt. Die andere Hälfte wurde nicht bestrahlt. Alle Tiere, ob bestrahlt oder nicht, litten bald an Krebs, sie verloren an Gewicht, bekamen Atemnot, gesträubtes Fell und hervorstehende Augen. Insgesamt 320 Mäuse mussten für die Erkenntnis leiden und sterben, dass eine dauerhafte Handystrahlung bei Mäusen offensichtlich keine erhöhte Krebsrate hervorruft. Es drängt sich die Frage auf, wie realitätsnah dieser Versuch ist. Wie viele der weltweit 1,6 Milliarden Handynutzer werden wohl fast ihr ganzes Leben lang Tag und Nacht mit einem ans Ohr geschnallten Handy herumlaufen? Und bei wie vielen von ihnen ist durch eine gentechnische Manipulation eine Krebserkrankung vorprogrammiert?

Sehr viel sinnvoller als Tierversuche sind Bevölkerungsstudien. Dabei können auch Gesichtspunkte in die Untersuchung einbezogen werden, die im Tierversuch grundsätzlich nicht zu erfassen sind. Schließlich können Mäuse nicht Auskunft darüber geben, ob sie unter Kopfschmerzen, Übelkeit oder Nackenschmerzen leiden.

Besonders bedenklich sind tierexperimentelle Studien, in denen Ergebnisse aus epidemiologischen Untersuchungen nur nachvollzogen werden sollen. Ihr Amt vergab einen Forschungsauftrag ebenfalls an die Internationale Universität Bremen zu den Auswirkungen niederfrequenter Strahlung. Für das gehäufte Vorkommen von Leukämie und anderen.

Krebserkrankungen bei Menschen, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben, gibt es bereits handfeste Beweise. Die Bremer Experimente sollten die in zahlreichen Populationsstudien festgestellten Risiken im Tierversuch nur nachvollziehen. Bei den 480 Mäusen ergab sich jedoch nach 38-wöchiger Dauerbestrahlung mit 50 Hz-Feldern keine erhöhte Krebsrate. Die beim Menschen gefundenen Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Hochspannungsleitungen konnten im Tierversuch also nicht bestätigt werden. Werden die am Menschen gewonnenen Erkenntnisse jetzt verworfen? Sicherlich nicht. Hätte man sich die Tierversuche dann nicht auch gleich schenken können? 480 leidensfähigen Mitgeschöpfen wäre ein qualvoller Tod erspart geblieben.

Unabhängig von der ethischen Problematik und der wissenschaftlichen Unhaltbarkeit solcher Versuche, besteht ein klarer gesetzlicher und sogar grundgesetzlicher Auftrag auf Tierversuche möglichst zu verzichten. So dürfen Tierversuche laut § 7 Tierschutzgesetz und Artikel 7 der Richtlinie des Rates (EWG 86/609) nur durchgeführt werden, wenn der Zweck nicht auch auf andere Weise erreicht werden kann. Nicht zuletzt wird durch die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz die besondere Verantwortung des Menschen gegenüber seinen Mitgeschöpfen deutlich.

Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen. Wir fordern Sie aber auf, in Zukunft keine tierexperimentellen Forschungsaufträge mehr zu vergeben. Insbesondere muss bei der noch ausstehenden Studie zur Frage, ob Kinder und Jugendliche auf hochfrequente elektromagnetische Felder empfindlicher reagieren als Erwachsene auf Tierversuche verzichtet werden.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Dr. Corina Gericke