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Die Abstimmung

Die Online-Abstimmung im März 2018 ergab folgendes Ergebnis:
Insgesamt wurden 3.529 Stimmen abgegeben, die sich folgendermaßen aufteilen:
1. Nacktmulle: 1.704 = 48,3%
2. Todesrate bei Mäusen: 1.018 = 28,8%
3. Alkoholversuche: 399 = 11,3%
4. Fluglärm: 263 = 7,5%
5. Depressive Fliegen: 145 = 4,1%

Der „Gewinner“

Die Nacktmullforschung des Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch hat unseren Negativ-Preis „gewonnen“. Am 12. April 2018 waren wir zur Übergabe des „Herz aus Stein“ vor Ort. Das MDC lehnte den Preis ab. Stattdessen hat es seine Mitarbeiter mobilisiert, die mit ihren Schildern um unsere angemeldete Aktion als „Gegendemo“ herumstanden und es kam zu Diskussionen – gegen die wir keineswegs etwas einzuwenden haben.

Pressemitteilung vom 13.04.2018 >>

Fotoalbum auf Facebook >> 

Das waren die Kandidaten 2017:

  • Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin: „Wie lange können Nacktmulle ohne Sauerstoff auskommen?“ (Versuchsbeschreibung)
  • Fakultät für Ernährungswissenschaften, Universität Jena: „Warum ist Bier bei Mäusen weniger schädlich für die Leber als Schnaps?“ (Versuchsbeschreibung)
  • Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie, Universität Mainz: „Innovative Depressionsforschung: Durch Vibrationen gestresste Fruchtfliegen“ (Versuchsbeschreibung)
  • Zentrum für Kardiologie, Universitätsmedizin, Universität Mainz: „Wie wirkt sich Fluglärm auf Mäuse aus?“ (Versuchsbeschreibung)
  • Das Innovationszentrum für Biochemie, Martinsried: „Wie hoch ist die Überlebensrate von Mäusen mit einer Blutvergiftung?“ (Versuchsbeschreibung)

Die Auswahl der Kandidaten beruht auf Einträgen in unserer Tierversuchs-Datenbank. Alle Versuche wurden 2017 in Fachzeitschriften veröffentlicht.

Trailer

Kandidat 1

Übergabe des "Herz aus Stein" an das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch

Institut: Molecular Physiology of Somatic Sensation, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin

Tiere: Mindestens 57 Nacktmulle und 66 Mäuse

Hintergrund: Wie lange können Nacktmulle ohne Sauerstoff auskommen? Die Überlebensraten von Nacktmullen und Mäusen bei verschiedenen Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalten in der Luft werden untersucht. Die Autoren begründen die Wichtigkeit ihrer Forschung zum Verständnis des Fruktosestoffwechsels bei Nacktmullen mit der Perspektive, Strategien zur Behandlung von Schlaganfall und Herzinfarkt entwickeln zu können.

Versuch: Die Versuche werden am Max-Dellbrück-Center Berlin, in Chicago und Pretoria, Südafrika, durchgeführt. Es wird eine Vielzahl verschiedener Versuche jeweils mit einigen Mäusen und einigen Nacktmullen (Heterocephalus glaber) durchgeführt. Die Mäuse sind 2-4 Monate alt, die Nacktmulle 1 – 11 Jahre (sie können bis 30 Jahre alt werden).

  • Mäuse und Nacktmulle werden in einer Kammer Luft mit 5% Sauerstoff ausgesetzt (normal sind 21%). Die Mäuse sind nach 15 Minuten alle tot, während die Mulle 5 Stunden überleben.
  • Es wird 2,5%, dann 5%, dann 10% CO2 in eine Kammer eingeleitet, um das Vermeideverhalten zu beobachten. Die Mäuse meiden das CO2-Gas schon in einer Konzentration von 2,5%, die Mulle erst bei 10%. Normal sind 0,03% CO2 in der Luft.
  • Bei 80% CO2 und 20% Sauerstoff sterben die Mäuse nach wenigen Minuten, die Mulle überleben 5 Stunden.
  • Mäuse und Nacktmulle werden einer Luft mit 0% Sauerstoff ausgesetzt. Die Mäuse hören nach 45 Sekunden ohne Sauerstoff auf zu atmen. Wenn 20 Sekunden später Sauerstoff in die Kammer eingeleitet wird, erholen sich die Mäuse nicht, sondern sterben. Die Mulle verlieren ebenfalls nach 20 Sekunden das Bewusstsein, atmen aber sporadisch und der Herzschlag verlangsamt sich drastisch. Nach 10 Minuten wird der Sauerstoffgehalt auf normale 21% gesetzt, die Mulle erwachen und zeigen keinerlei Spätfolgen. 30 Minuten ohne Sauerstoff überleben die Nacktmulle jedoch nicht.
  • Mulle, die bei 0% Sauerstoff auf eine Körpertemperatur von 37°C erwärmt werden, sterben nach 6 Minuten. Bei einer normalen Körpertemperatur von 30°C überleben sie 18 Minuten.
  • Mehrere Mulle und Mäuse werden geköpft, um ihre Gehirne, Lungen und Herzen zu untersuchen.

Quelle: Thomas J. Park et al.: Fructose-driven glycolysis supports anoxia resistance in the naked mole-rat. Science 2017: 356; 307-311

Kandidat 2

Friedrich-Schiller-Universität Jena

Institut: Fakultät für Ernährungswissenschaften, Modellsysteme molekularer Ernährungsforschung, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dornburger Str. 25-29, 07743 Jena

Tiere: Mindestens 48 Mäuse

Hintergrund: Aus Bevölkerungsstudien ist bekannt, dass der Konsum von Schnaps für die Leber schädlicher ist als Bier. Hier soll untersucht werden, ob Hopfens im Bier für diesen Effekt verantwortlich ist.

Versuch: Mäuse erhalten zwangsweise reinen Alkohol (Ethanol), Bier mit Hopfen, Bier ohne Hopfen (EKU Pils der Kulmbacher Brauerei AG) oder Maltodextrin (Stärkelösung). Wie den Tieren der Alkohol verabreicht wird, wird nicht erwähnt, vermutlich per Schlundsonde. Die Konzentration des reinen Alkohols, mit 6 g/kg Gewicht, liegt unterhalb einer für Mäuse tödlichen Dosis. Die Tiere sind in den nächsten Stunden träge, aber bei Bewusstsein. Zwei oder 12 Stunden später werden jeweils einige Mäuse auf nicht genannte Art getötet. Leber und Darm werden entnommen und untersucht.

Quelle: Marianne Landmann et al.: Hops (Humulus lupulus) content in beer modulates effects of beer on the liver after acute ingestion in female mice. Alcohol and Alcoholism 2017: 52(1); 48-55

Kandidat 3

Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Institut: Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz

Quelle: Ariane-Saskia Ries et al.: Serotonin modulates a depression-like state in Drosophila responsive to lithium treatment. Nature Communications 2017: DOI:10.1038/ncomms15738

Tiere: Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster)

Hintergrund: Es wird ein neues „Modell“ für die Depressionsforschung vorgestellt: Durch Vibrationen gestresste Fruchtfliegen.

Versuch: Jeweils männliche 3-5 Tage alte Fruchtfliegen werden einem unkontrollierbaren Stress ausgesetzt. Dazu werden jeweils 15-25 Fliegen in eine verschlossene Plastikröhre gesetzt und diese wird auf ein Vibrationsgerät gelegt. Die Vibrationen mit 300 Hz erfolgen mit kurzen, unregelmäßigen Pausen 8 Stunden täglich, 3-5 Tage pro Woche. Nach den 8 Stunden werden die Tiere in ein Röhrchen mit Futter (Maismehl) gesetzt. Kontrollgruppen werden genauso behandelt, nur dass ihr Röhrchen nicht auf den Vibrator, sondern auf einen ebenen Tisch gelegt wird.

Mit Fliegen beider Gruppen werden verschiedene Tests durchgeführt, um festzustellen, ob sie depressives Verhalten zeigen.

  • Den Fliegen werden unter Kältebetäubung (nicht näher beschrieben) die Flügel abgeschnitten. Eine Fliege wird auf einen 35 mm langen Laufsteg gesetzt, in dessen Mitte sich ein Spalt befindet. Der Laufsteg befindet sich auf einer Insel in einem Wasserbassin, so dass das Tier ihn nicht verlassen kann. Der Spalt ist mit 4,5 mm so breit, dass es für die Fliege einiger Anstrengung bedarf, ihn zu überqueren. Es wird beobachtet, wie oft die Fliege versucht, den Spalt zu überqueren. Ist sie dazu wenig motiviert, gilt das als depressives Verhalten.
  • Eine unerfahrene männliche Fliege wird mit einer weiblichen Fliege zusammengebracht. Es wird die Zeit registriert, bis das männliche Tier Interesse an der weiblichen Fliege zeigt. Wenig Interesse bedeutet depressives Verhalten.
  • Eine hungrige Fliege mit abgeschnittenen Flügeln wird auf ein Filterpapier gesetzt, das an einigen Stellen mit süßem Glycerol getränkt ist. Es wird registriert, ob die Fliege über die süßen Stellen rüberläuft oder anhält, um zu trinken. Kein Interesse an der süßen Flüssigkeit deutet auf Anhedonie hin, die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, wie sie bei depressiven Menschen vorkommt.

Nun erhalten die Fliegen der Vibrations- und der Kontrollgruppe bekannte blau eingefärbte Antidepressiva ins Zuckerwasser gemischt. Die blaue Farbe schimmert durch den Bauch der Fliege als Beleg, dass das Medikament aufgenommen wurde. Die o.g. Tests werden wiederholt. Zeigen die Fliegen weniger depressives Verhalten, haben die Medikamente gewirkt. Schließlich werden die Fliegen auf nicht genannte Weise getötet, um ihre Gehirne zu untersuchen. 

Kandidat 4

Universitätsklinikum Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Institut: Kardiologie I, Zentrum für Kardiologie, Labor für Molekulare Kardiologie, Universitätsklinikum Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz

Tiere: Mindestens 104 Mäuse (wahrscheinlich sehr viel mehr)

Hintergrund: Aus epidemiologischen Studien (Bevölkerungsstudien) sowie anhand von Untersuchungen mit gesunden Freiwilligen (der gleichen Autoren) ist bekannt, dass sich Fluglärm schädigend auf das Herz-Kreislaufsystem auswirkt. Hier wird ein „Tiermodell“ entwickelt, um die an Menschen gewonnenen Ergebnisse zu bestätigen und die zugrunde liegenden Mechanismen zu ergründen. Das Ergebnis: 4 Tage Fluglärm erhöht bei Mäusen tatsächlich die Stresshormone und schädigt die Blutgefäße. Die Autoren kündigen Versuche mit Straßen- und Schienenlärm an.

Versuch: Über einen Lautsprecher, der 30 cm über dem Mäusekäfig hängt, wird eine zweistündige Aufzeichnung mit dem Lärm von 69 Flugzeugen in Dauerschleife abgespielt. Die Flugzeuggeräusche von jeweils 43 Sekunde Länge sind dabei in unregelmäßigen Abständen zu hören mit ruhigen Perioden dazwischen, um eine Gewöhnung zu verhindern. Der Schallpegel beträgt im Durchschnitt 72 dB mit einem Maximum von 85 dB. Diese Lautstärke wird gewählt, weil 100 dB irreversible Schäden am Gehör von Mäusen verursachten was hier aber nicht Gegenstand der Untersuchung sein soll. Eine Gruppe Mäuse wird mit gleicher Laustärke mit „weißem Rauschen“, einem Hintergrundgeräusch, beschallt.

Einmal täglich werden die Tiere in eine enge Röhre gesteckt und eine Manschette wird um den Schwanz gelegt, um den Blutdruck zu messen. Am Tag 2 und 4 der Beschallung werden jeweils einige Mäuse getötet, indem unter Narkose der Bauch aufgeschnitten, das Zwerchfell durchstoßen und das Herz herausgeschnitten wird. Blut und Herzgewebe werden auf verschiedene Stressmessgrößen untersucht.

Quelle: Thomas Münzel et al.: Effects of noise on vascular function, oxidative stress, and inflammation: mechanistic insight from studies in mice. European Heart Journal 2017: 00; 1-12. doi: 10.1093/eurheartj/ehx081

Kandidat 5

Innovationszentrum für Biochemie, Martinsried

Institut: amYmed, Innovationszentrum für Biochemie, Am Klopferspitz 19, 82152 Martinsried (jetzt: amYmed, Vinzenz-Schüpfer-Str. 20a, 81475 München)

Quelle: Reinhold P. Linke et al.: Serum amyloid A (SAA) treatment enhances the recovery of aggravated polymicrobial sepsis in mice, whereas blocking SAA's invariant peptide results in early death. Amyloid 2017: 24(51); 149-150

Tiere: Mindestens 90 Mäuse

Hintergrund: Überlebensrate von Mäusen mit Blutvergiftung und unterschiedlicher Behandlung.

Versuch: Um eine Sepsis (Blutvergiftung) zu verursachen, wird den Mäusen unter Anästhesie der Blinddarm 2x mit einer Nadel durchstochen. Dadurch gelangt Darminhalt in die Bauchhöhle, was zu einer äußerst schmerzhaften Bauchfellentzündung führt. Die Tiere werden in Gruppen aufgeteilt und mit verschiedenen Substanzen (Monoklonale Antikörper, die die Entzündungsreaktion unterdrücken sollen) behandelt. Mäuse in einer Kontrollgruppe bleiben unbehandelt. Danach wird beobachtet wie lange die Tiere brauchen, um zu sterben. Je nach Gruppe sterben bis zu 90% der Mäuse innerhalb der ersten drei Tage nach dem Durchstechen des Blinddarms. Die Tiere werden über 6 Tage beobachtet. Es ist davon auszugehen, dass die Tiere, die die Sepsis überlebt haben, nach 6 Tagen getötet werden.