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Forschungsministerium und EU-Parlament torpedieren Tierschutz

In der letzten Phase der Beratungen zur Neufassung der EU-Tierversuchsrichtlinie werden die Entscheidungsträger massiv von der Pro-Tierversuchs-Lobby beeinflusst. Der ursprüngliche Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission, der im November 2008 vorgelegt wurde, war nach Auffassung der bundesweit tätigen Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche nicht gut, enthielt aber zumindest einige akzeptable Ansätze. Das EU-Parlament verschlechterte den Entwurf in erster Lesung im Mai 2009 wesentlich. In den letzten Wochen fanden Trialog-Gespräche zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat statt, mit dem Ziel einen Kompromiss zu finden. Bei diesen Verhandlungen wurde der Richtlinienentwurf weiter verwässert.

»Besonders skandalös ist, dass ausgerechnet die »Volksvertreter« nicht die Mehrheitsmeinung des Volkes vertreten, sondern die der Industrie und Grundlagenforschung«, sagt Dr. med. vet. Corina Gericke, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche.

Das Parlament wurde bei den Gesprächen durch die Berichterstatterin MEP Elisabeth Jeggle vertreten. In einem Interview behauptet Jeggle, es ginge in der Richtlinie ausschließlich um Versuche im Hinblick auf das Testen von Medikamenten zur Behandlung von Krankheiten wie Demenz, Alzheimer, Multiple Sklerose, Parkinson. »Dies ist völliger Unsinn«, weiß Tierärztin Gericke. »Der größte Teil der tierexperimentellen Forschung geht auf das Konto der zweckfreien, tierexperimentellen Grundlagenforschung.«

Jeggle befürchtet außerdem, die Forschung könne ins Ausland abwandern, wo die Tierschutzstandards noch schlechter sind. Dies empfindet die Ärztevereinigung als Hohn aus dem Mund einer EU-Abgeordneten. »Wer, wenn nicht die EU, kann und muss denn Vorreiter sein? Sollen wir warten, bis im letzten Winkel der Welt, die Tierschutzstandards besser sind als in der EU, damit wir dann endlich unsere Gesetze angleichen können«, erzürnt sich Tierärztin Gericke.

Besonders erschreckend sei laut Ärzte gegen Tierversuche auch der skandalöse Pro-Tierversuchs-Lobbyismus des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Dessen Einflussnahme auf das für die Tierversuchsrichtlinie zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium trägt voll und ganz die Handschrift der Nutznießer von Tierversuchen. So sollen nach dem Willen des Forschungsministeriums selbst die winzigsten Einschränkungen von Tierversuchen aus der Richtlinie gestrichen werden. Sämtliche Experimente an Affen, auch Menschenaffen und geschützten Tierarten, sowie Versuche, die länger anhaltende, schwerwiegende Leiden und Schmerzen bei den Tieren hervorrufen, sollen erlaubt werden, da solche Einschränkungen mit der grundgesetzlich verankerte Forschungsfreiheit nicht zu vereinbaren seien, heißt es von Seiten des Forschungsministeriums.

»Es ist beschämend, dass Bundesministerin Annette Schavan und ihr Ministerium offensichtlich noch nichts davon gehört haben, dass auch der Tierschutz seit 2002 Verfassungsrang hat und die Forschungsfreiheit somit nicht mehr schrankenlos ist«, so Gericke weiter.