Neue Gentherapie gegen Kinderdemenz
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Klinische Studie startet dank Organ-on-Chip komplett tierversuchsfrei
Erstmals erhielt in Großbritannien eine neuartige Gentherapie die behördliche Zulassung für eine klinische Studie, basierend auf Daten aus rein humanen Modellen statt auf Tierversuchen. Dies beweist, dass innovative In-vitro-Methoden nicht nur ethisch, sondern auch wissenschaftlich der bessere Weg sind.
In der Entwicklung neuer Therapien gilt bislang fast immer dieselbe Reihenfolge: erst Tierversuche, dann klinische Studien. Dass es auch anders geht, zeigt nun eindrucksvoll ein Team der Universität Tübingen. Ziel war es Kindern mit der schweren erblichen Erkrankung CLN2 zu helfen. Dafür testeten die Forschenden die Gentherapie TTX-381 des US-amerikanischen Unternehmens Tern Therapeutics vollständig in humanen Netzhaut-Organoiden und einem Retina-on-Chip-System. Diese modernen Modelle bilden Aufbau, Stoffwechsel und Reaktionen der menschlichen Netzhaut realistisch nach und ermöglichen Untersuchungen, die in Tieraugen nicht möglich wären.
CLN2, eine Form der Kinderdemenz, führt bei betroffenen Kindern zu einer fortschreitenden Schädigung des Nervensystems. Besonders dramatisch ist der Verlust des Sehvermögens, da das für die Erkrankung verantwortliche defekte TPP1-Gen zu schädlichen Ablagerungen in den Netzhautzellen führt. Ziel der neuen Gentherapie ist es, den Zellen eine funktionsfähige Version dieses Gens wieder zur Verfügung zu stellen.
Genau das gelang den Experten: In den humanen Modellen ließ sich zeigen, dass die Zellen nach der Behandlung wieder ausreichend TPP1-Enzym bilden konnten. Gleichzeitig gingen die typischen schädlichen Ablagerungen deutlich zurück. Dass all dies in einem menschlichen Modell getestet wurde, ist entscheidend – denn gerade genetische Erkrankungen verlaufen bei Menschen anders als bei Tieren.
Das Wichtigste: Die rein humanbasierten Ergebnisse waren überzeugend genug, um eine klinische Studie mit betroffenen Kindern zu starten – ganz ohne vorgelagerte Tierversuche. Dieser Schritt ist unüblich, denn normalerweise werden Tierversuche verlangt, obwohl sie kaum Aussagekraft für den Menschen haben. Großbritannien hat hier den wissenschaftlich sinnvollen Weg gewählt, direkt auf aussagekräftige, humane Daten zu setzen.
Erste Hinweise aus der laufenden Studie sind vielversprechend: Bei den behandelten Kindern scheint sich das Sehvermögen zu stabilisieren oder sogar leicht zu verbessern. Für Familien, die mit einer unheilbaren Erkrankung konfrontiert sind, ist das ein Hoffnungsschimmer – und für die Forschung ein starkes Zeichen.
Dieser Fortschritt ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass humanbasierte Methoden Tierversuchen in Aussagekraft und Relevanz weit überlegen sind. Organoide und Organ-on-Chip-Systeme erlauben es, Krankheiten direkt im passenden menschlichen Gewebe zu untersuchen. Solche Technologien sparen Zeit, vermeiden Tierleid und können Therapien schneller zu betroffenen Menschen bringen.