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Pharmaunternehmen investieren in tierversuchsfreie Technologien

Eines der größten pharmazeutischen Unternehmen der Welt, Merck, hat vor kurzem ein führendes Unternehmen auf dem Gebiet der humanbasierten Forschungsmodelle übernommen. Dieser strategische Schritt sowie ähnliche Initiativen anderer großer Pharmaunternehmen signalisieren einen zunehmenden branchenweiten Übergang weg von Tierversuchen. Da die Aufsichtsbehörden in den USA und der EU zunehmend die Grenzen von Tierversuchen und die Vorteile tierversuchsfreier Methoden anerkennen, steht der pharmazeutischen Landschaft eine neue Ära effizienter, ethischer und humanrelevanter Verfahren zur Medikamentenentwicklung bevor.

Der Darmstädter Pharmariese Merck hat die Übernahme der HUB Organoids Holding B.V., einem Pionier der Organoidtechnologie, bekannt gegeben (1,2). Damit vollzieht er einen bedeutenden Schritt in Richtung humanrelevanterer Forschungsmethoden. Diese strategische Übernahme signalisiert eine zunehmende Verlagerung in der pharmazeutischen Industrie hin zu einer tierversuchsfreien Forschung. Die Organoid-Technologie von HUB, mit der 3D-Zellkulturmodelle geschaffen werden, die in ihrer Funktion menschlichen Organen ähneln, hat das Potenzial, die Entwicklung von Medikamenten zu beschleunigen und das Verständnis für die Behandlung von Krankheiten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verbessern. In einer Pressemitteilung betont der Konzern, dass diese Akquisition sein Portfolio im Bereich der Biologie der nächsten Generation stärkt und es Forschern ermöglicht, wichtige Erkenntnisse über biologische Systeme ohne langwierige Tierversuche zu gewinnen.

Die Übernahme von HUB Organoids durch Merck passt perfekt zu dem zuvor erklärten Ziel des Unternehmens, Tierversuche gänzlich abzuschaffen. Im Jahr 2023 sprach Merck-CEO Belén Garijo über ihre Vision von einer Zukunft ohne Tierversuche in der Medikamentenentwicklung und erklärte: „Ich wage eine persönliche Spekulation: Es wird dabei nicht mehr um Jahrzehnte, sondern nur noch um Jahre gehen.“ (3).

Trend zum verstärkten Einsatz tierversuchsfreier Methoden in der Pharmabranche

Die pharmazeutische Industrie investiert zunehmend in humanrelevante Modelle für die Medikamentenentwicklung und -prüfung und signalisiert damit eine Abkehr von dem System Tierversuch. Neben Merck stehen bei diesem Übergang mehrere andere große Pharmaunternehmen an vorderster Stelle:

  • AstraZeneca arbeitet mit akademischen Einrichtungen zusammen, um Organ-auf-dem-Chip-Technologien und fortschrittliche In-vitro-Modelle zu entwickeln (4,5).
  • Sanofi investiert in KI und maschinelles Lernen, um die Toxizität und Wirksamkeit von Medikamenten vorherzusagen (6).
  • GlaxoSmithKline (GSK) arbeitet mit Organisationen zusammen, die tierversuchsfreie Technologien unterstützen, darunter EUROoCS, die Microphysiological Systems Initiative von NA3RsC und NC3Rs (7).
  • Roche hat das Institute of Human Biology (IHB) gegründet, um neue Ansätze für die Entdeckung und Entwicklung von Medikamenten unter Verwendung von menschlichen Modellsystemen, einschließlich Organoiden, zu entwickeln (8).

Diese humanrelevanten Modelle bieten eine bessere Vorhersagekraft für menschliche Patienten. Menschliche Organmodelle können mehrere Arten von Toxizität vorhersagen, die beim Menschen auftreten, aber in Tierversuchen nicht vorhergesagt werden können. Die tierversuchsfreien Methoden sind zudem kosteneffizienter, da sie die Gesamtentwicklungskosten senken und Misserfolge in der Spätphase verhindern können. Denn sie liefern zu einem früheren Zeitpunkt in der Medikamentenentwicklung zuverlässige Daten. Darüber hinaus können humanbasierte Modelle die Zeitspanne der Medikamentenentwicklung erheblich verkürzen. Die Verlagerung hin zu humanrelevanten Methoden steht außerdem im Einklang mit den wachsenden ethischen Bedenken der Bevölkerung gegenüber Tierversuchen.

Aufsichtsbehörden sehen das Potenzial der tierfreien Methoden

Da die pharmazeutische Industrie zunehmend humanrelevante Forschungsmethoden einsetzt, erkennen auch die Aufsichtsbehörden die bedeutenden Vorteile tierversuchsfreier Methoden gegenüber herkömmlichen Tierversuchen an. In den USA wurde mit dem FDA Modernization Act 2.0, der im Dezember 2022 verabschiedet wurde, die zwingende Vorschrift für Tierversuche bei der Zulassung neuer Arzneimittel aufgehoben (9). Diese Gesetzgebung ermöglicht es Pharmaunternehmen, tierversuchsfreie Testmethoden wie zellbasierte Assays, Organchips, Computermodellierung und Tests an menschlichem Gewebe zu verwenden.

Der nachfolgende FDA Modernization Act 3.0, der 2024 verabschiedet wurde, soll die Abkehr von Tierversuchen beschleunigen, indem er die FDA zwingt, ihre Vorschriften zu aktualisieren (10). Dies spiegelt die zunehmende Erkenntnis der Behörden wider, dass Tierversuche keine guten Vorhersagen über das Ansprechen von Medikamenten beim Menschen zulassen.

Auch in der EU arbeiten die Regulierungsbehörden an der schrittweisen Abschaffung von Tierversuchen. Die Europäische Kommission hat eine Initiative gestartet, um einen Fahrplan für den Übergang zu tierversuchsfreien Sicherheitsbewertungen von Chemikalien zu entwickeln (11).  Diese sogenannte Roadmap soll gesetzliche und nicht-gesetzliche Maßnahmen zur Reduzierung und letztendlichen Abschaffung von Tierversuchen umreißen und gleichzeitig die Validierung und internationale Akzeptanz tierversuchsfreier Testmethoden fördern. Eine Endfassung wird für Ende 2025/Anfang 2026 erwartet.

Fazit

Durch die Einführung humanrelevanter Methoden wie Organoide, KI-gesteuerte Modellierung und fortschrittliche In-vitro-Technologien bewegt sich die pharmazeutische Industrie in Richtung präziserer, günstigerer, ethischer und effektiverer Forschungsstrategien. Diese Entwicklung verspricht nicht nur die medizinische Innovation zu beschleunigen, sondern adressiert auch langjährige ethische Bedenken bezüglich Tierversuchen. Es ist zu hoffen, dass andere Forschungsbereiche, insbesondere auch in der Grundlagenforschung, die immer noch in hohem Maße veraltete Tierversuche einsetzen, sich an dem positiven Beispiel der Pharmaindustrie orientieren werden.