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Präzise und tierversuchsfrei

Die Diagnose von Krebserkrankungen ist oft ein komplexer und zeitkritischer Prozess, der präzise und zuverlässige Methoden erfordert. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Charité Berlin hat hier einen zukunftsweisenden Fortschritt erzielt: Es hat ein innovatives Computerprogramm namens crossNN entwickelt, das Tumorerkrankungen schnell und mit enormer Zuverlässigkeit klassifizieren kann – und das vollständig ohne Tierversuche.

Im Zentrum dieser neuen Diagnosemethode stehen DNA-Methylierungen: Das sind kleine chemische Schalter auf unserem Erbgut, die bei Krebs oft verändert sind und einen individuellen „biologischen Fingerabdruck“ des Tumors bilden. Diese Muster helfen, die genaue Art der Krebserkrankung zu bestimmen. Besonders in der Neuropathologie sind DNA-Methylierungsmuster bereits ein unverzichtbares Werkzeug geworden, um Hirntumoren zu klassifizieren. Ihre Bedeutung wurde sogar von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihre Klassifikationsrichtlinien aufgenommen.

Bisher war es schwierig, diese Muster zu analysieren, weil verschiedene Messtechniken – etwa Microarrays und Nanopore-Sequenzierer – unterschiedliche Arten von Daten liefern, die von vielen Diagnoseprogrammen jeweils nur einzeln verarbeitet werden können. crossNN löst dieses Problem: Es wurde als einheitliches System entwickelt, das Daten von allen gängigen Verfahren verstehen und verarbeiten kann. Das Programm liefert die Ergebnisse deutlich schneller als frühere, zeitaufwendige Methoden.

crossNN wurde an über 5.000 echten Patientenproben getestet. Es erkannte die Tumorart in fast allen Fällen korrekt, mit einer Präzision von bis zu 99,1 % für Hirntumormodelle und 97,8 % für die Pan-Krebs-Modelle (verschiedene Tumortypen aus unterschiedlichen Organbereichen) – unabhängig von der ursprünglichen Messmethode der DNA-Daten. Dies ist besonders hilfreich bei seltenen Tumoren oder unklaren Befunden, etwa bei Kindern mit Hirntumoren.

Ein weiterer großer Vorteil: crossNN ist „erklärbar“. Das Programm zeigt an, welche DNA-Veränderungen für die jeweilige Diagnose wichtig waren. Das macht die Diagnose nicht nur medizinisch nachvollziehbar, sondern kann auch helfen, neue, spezifische Biomarker für Krebsarten zu entdecken. Die Technologie kann über 170 Tumortypen aus verschiedenen Organen klassifizieren.

Das Tool erleichtert nicht nur die Suche nach Biomarkern, sondern auch nach Angriffspunkten oder -strukturen, die für Medikamente und Therapien relevant sind. Üblicherweise erfolgt diese Suche anhand von „Tiermodellen“, also mit Tieren, die künstlich ausgelöst Krebs entwickeln. Doch dies hat wenig mit der Krebserkrankung des Menschen zu tun, so dass es aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit zu einer hohen Fehlerrate bei der Medikamentenentwicklung kommt. Das Programm bietet hier einen klaren, ethischen und wissenschaftlichen Vorteil, indem es direkt am Menschen gewonnene Daten analysiert und somit eine sicherere und präzisere Grundlage für Diagnosen und die Entwicklung neuer, menschenrelevanter Therapien schafft.

Mit crossNN steht ein vielseitiges, tierversuchsfreies Diagnosewerkzeug zur Verfügung, das technische Hürden überwindet und neue Möglichkeiten in der Krebsdiagnostik eröffnet – zum direkten Nutzen für Patientinnen und Patienten.

Quelle

Yuan et al. crossNN is an explainable framework for cross-platform DNA methylation-based classification of tumors. Nature Cancer 2025; doi:10.1038/s43018-025-00976-5