„Herz aus Stein“ 2020 geht an Uniklinikum des Saarlandes
Ärzte gegen Tierversuche vergibt Negativpreis
Ärzte gegen Tierversuche vergibt das „Herz aus Stein“ an das Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar für einen Versuch, bei dem Mäusen eine Art Bullauge in die Rückenhaut implantiert wird. Der bundesweite Verein will mit dem Negativpreis auf besonders grausame und absurde Tierversuche aufmerksam machen und eine herzlose Forschung anprangern, bei der fühlende Tiere zu bloßen Messinstrumenten degradiert werden. Bei der öffentlichen Online-Abstimmung standen fünf Kandidaten zur Auswahl.
Am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar werden Mäuse mit sogenannten Rückenhautkammern ausgestattet: zwei Metallrahmen, zwischen die die Rückenhaut der Maus extrem stark aufgespannt und wie bei einem Sandwich eingeklemmt wird. In die gespannte Haut wird auf einer Hautseite ein Loch gestanzt. In dieses „Bullauge“ werden kleine Stücke Lungenwebe anderer Mäuse eingepflanzt. Mit dieser Methode soll die Entstehung von kleinen Blutgefäßen in Lungengewebe im lebenden Tier beobachtet werden können.
Die Mäuse müssen 14 Tage mit dem Metallrahmen auf dem Rücken leben, der 2-3 g wiegt, also ein Zehntel des normalen Mäusegewichts. Vergleichbar würde ein 70 kg schwerer Mensch ein ca. 7-9 kg schweres und 70x35 cm großes Metallgerüst wochenlang ununterbrochen auf dem Rücken tragen.
„Im Mittelalter gab es Daumenschrauben, mit denen Menschen gefoltert wurden – so ähnlich mutet die Rückenhautkammer an, bei der die Haut der Mäuse gespannt und gequetscht wird“, moniert Dr. med. vet. Corina Gericke, Vizevorsitzende von Ärzte gegen Tierversuche. „Natürlich sind alle Tierversuche schlimm und abzuschaffen, aber mit dem ‚Herz aus Stein‘ wollen wir exemplarisch zeigen, welch absurden und grausamen Tierversuche in Deutschland durchgeführt werden.“
Es sei abwegig zu glauben, man könne von Ergebnissen solcherart gequälter Tiere auf Menschen schließen. Zudem handele es sich um Grundlagenforschung, d.h. reine Neugierforschung, bei der das Wachstum von Blutgefäßen in der lebenden Maus beobachtet werden soll. „Es ist erschütternd, dass in Homburg auf solche mittelalterlichen Methoden zurückgegriffen wird, obwohl man längst humane Blutgefäße auf einem Chip züchten kann“, erklärt die Tierärztin weiter.
Bürger konnten in einer Online-Abstimmung eine Woche lang aus 5 Kandidaten auswählen. Von 7.301 Stimmen entfielen 2.230 (30%) auf Homburg, knapp gefolgt von der Uni Tübingen, wo Mäuse 8 Wochen lang ohne Pause 7 verschiedenen Arten von Stress ausgesetzt wurden.
Die Versuchsbeschreibungen sind der öffentlichen Datenbank des Vereins entnommen, in der mehr als 5.000 Beschreibungen von in Fachzeitschriften veröffentlichten Tierversuchen aus Deutschland inklusive Originalquellen dokumentiert sind. Ausführliche Beschreibungen der Kandidaten und ihre Quellen finden sich auf der Aktions-Webseite. Der Preis wird an Institute vergeben, nicht an Personen.
Ärzte gegen Tierversuche setzt sich nicht nur gegen Tierversuche, sondern vor allem auch für tierversuchsfreie Methoden ein. Um sowohl Wissenschaftlern, Politikern wie auch der interessierten Öffentlichkeit zu zeigen, welche modernen, humanrelevanten Möglichkeiten bereits existieren, hat der Verein die NAT-Database ins Leben gerufen, eine Datenbank über tierversuchsfreie Verfahren und Forschungsprojekte.
Originalpublikation: Regelin N. et al. A murine model to study vasoreactivity and intravascular flow in lung isograft microvessels. Scientific Reports 2019; 9: 5170