Forschung an Schlachtabfällen
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Wie sinnvoll ist Forschung an tierischen Organen?
An der Universität des Saarlandes haben Forschende eine Methode entwickelt, mit der sie von Schlachthöfen stammende Schweinelungen für die Forschung nutzbar machen wollen. Die Lungen können bis zu 24 Stunden außerhalb des Körpers am Leben erhalten werden. Ein Ziel der Forschungen sei es, Tierversuche „zu ersetzen oder zu reduzieren“ (1). Doch wie sinnvoll ist dieses Vorgehen tatsächlich?
Das Forscherteam konnte eine Schweinelunge so stabilisieren, dass sie einen Tag lang außerhalb des Körpers „weiterlebt“. Mithilfe einer Herz-Lungen-Maschine, Beatmungsgeräten, Infusionspumpen und Überwachungsgeräten wird die Lunge künstlich beatmet und mit Nährlösung durchströmt. Bisher werden die Schweinelungen eingesetzt, um Medikamente mithilfe eines spezialisierten Gassensors in der Ausatemluft zu messen.
Einsatzmöglichkeiten und Grenzen
Langfristig soll das Modell, das vom saarländischen Forschungsministerium als „Alternativmethode“ für Tierversuche gefördert wird, für vielfältige Tests genutzt werden, etwa zur Untersuchung der Wirkung neuer Medikamente. Allerdings sind die Grenzen deutlich:
- Ethische Nicht-Vertretbarkeit: Die Lungen vom Schlachthof stammen von Tieren, die in der „Nutztier“haltung ein kurzes, leidvolles Leben hatten. Es soll sich zwar um „Abfälle“ handeln, doch macht man sich damit das System der Massentierhaltung zu Nutze, was ethisch mehr als bedenklich ist.
- Aufwand und Kosten: Die intensive apparative Ausstattung – vergleichbar mit einer Intensivstation – macht eine Skalierung für große Studien unmöglich und teuer.
- Zeitliche Begrenzung: Mit 24 Stunden Lebensdauer ist das Zeitfenster für Medikamententests zu kurz. Wirkungen und Nebenwirkungen können so nicht oder kaum erfasst werden.
- Artbedingte Unterschiede: Die Lunge stammt aus einem Schwein und nicht aus einem Menschen. Ergebnisse sind aufgrund der Unterschiede zwischen den Spezies nicht auf den Menschen übertragbar.
- Krankheitsrelevanz: Organe (hoffentlich) gesund geschlachteter Schweine weisen keine menschlichen Erkrankungen wie COPD oder Lungenkrebs auf. Eine Erforschung von Krankheiten oder Behandlungsmethoden kann so nicht gelingen.
Humanrelevante Modellsysteme
In-vitro-Methoden, insbesondere sogenannte „Lung-on-a-Chip“-Technologien, bieten einen direkten Bezug zum Menschen. Diese mikrofluidischen Modelle können menschliche Lungenzellen in komplexer 3D-Struktur nachbilden, inklusive Blutfluss, mechanischer Atembewegungen und Krankheitsprozessen. Sie können in der Grundlagenforschung, Toxikologie, Medikamentenentwicklung und personalisierten Medizin eingesetzt werden.
Vorteile der Lung-on-a-Chip-Modelle:
- Die Nutzung menschlicher Zellen ermöglicht auf den Menschen übertragbare Ergebnisse.
- Menschliche Krankheiten wie COPD oder Lungenkrebs können nachgebildet werden. Werden von Patienten stammende Zellen verwendet, können Therapien für den jeweiligen Patienten maßgeschneidert werden.
- Wirkstoffe können in einem realitätsnahen Umfeld getestet werden. Die Lung-on-a-Chip-Modelle sind über Wochen stabil und ermöglichen skalierbare Tests.
- Verschiedene Organe lassen sich miteinander kombinieren. So hat beispielsweise die Firma TissUse aus Berlin Lungen-Modelle mit Leber-Organoiden auf einem Chip kombiniert. Dies ermöglicht die Untersuchung der Toxizität von inhalierten Substanzen unter Berücksichtigung ihrer Verstoffwechslung in der Leber (2).
- Sie sind ethisch unbedenklich, da weder Menschen noch Tiere durch diese Art der Forschung zu Schaden kommen.
Fazit
Die Entwicklung der lebenden Schweinelunge wurde vom saarländischen Forschungsministerium gefördert, um Tierversuche zu reduzieren. Auf dem Papier mag das stimmen: Es wurde kein Tier in einem Tierversuch eingesetzt, sondern Teile von Tieren aus der Fleischindustrie verwendet. Bedenklich ist jedoch zweierlei: Zum einen ist das Modell zwar „tierversuchsfrei“, weist aber denselben Mangel an Humanrelevanz auf, der auch zum Scheitern von Tierversuchen führt. Zum anderen zementieren solche unter dem Deckmantel der „3R-Forschung“ durchgeführten Versuche die Annahme, dass sich mit Tieren oder ihren Organen sinnvoll für den Menschen forschen lässt, während tatsächlich sinnvolle und humanrelevante Forschung weiterhin viel zu wenig gefördert wird.
Quellen
1. Lebende Lunge ersetzt Tierversuche, News, Universität des Saarlands, 24.09.2025
2. Schimek K. Human multi-organ chip co-culture of bronchial lung culture and liver spheroids for substance exposure studies, Scientific Reports 2020, 10: 7865
Illustration Foto Schweinelunge KI-generiert ChatGPT