Medikamente mit Schwarzem Dreieck – ein verdeckter Menschenversuch?
Das Schwarze Dreieck kennzeichnet Medikamente, die unter besonderer Überwachung stehen. Es wird auf die Packungsbeilage gedruckt und zeigt, dass die Sicherheit des Medikaments noch nicht abschließend geklärt ist – etwa, weil es neu auf dem Markt ist oder nur begrenzte Daten aus der Anwendung vorliegen. Das Symbol verdeutlicht zudem, dass die Tierversuche, mit denen heute immer noch standardmäßig neue Medikamente getestet werden, nicht die nötige Sicherheit bringen.
Das Schwarze Dreieck: Was steckt dahinter?
Das Schwarze Dreieck (▼) ist ein Symbol, das auf der Packungsbeilage und in der Fachinformation bestimmter Arzneimittel erscheint. Es zeigt an, dass die Sicherheit eines Medikaments zusätzlich überwacht wird, also intensiver als bei anderen Medikamenten. Ziel ist es, möglichst frühzeitig Nebenwirkungen zu erkennen, die in den bisherigen Studien möglicherweise noch nicht aufgefallen sind (1).
Das Symbol richtet sich sowohl an medizinisches Fachpersonal, das die entsprechenden Medikamente herausgibt und in weiterem Kontakt mit den Erkrankten steht, als auch – was viele allerdings nicht wissen – an Patienten selbst, die dazu aufgerufen werden, beobachtete Nebenwirkungen zu melden. In der EU ist hierfür die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zuständig, in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (1).
Wichtig zu wissen ist auch, dass das Symbol zwar auf der Packungsbeilage und in der Fachinformation zu sehen ist, allerdings nicht auf der Verpackung des Medikaments (1).
Eingeführt wurde das Symbol ursprünglich im Vereinigten Königreich im Rahmen des „Yellow Card Scheme“, einem nationalen Meldesystem für Nebenwirkungen (2). Mit der EU-Pharmakovigilanz-Verordnung von 2010 wurde es europaweit verpflichtend eingeführt und ist seit 2013 auf den Packungsbeilagen zu sehen (1). Auch Australien hat ein vergleichbares System etabliert, das 2018 in Kraft trat (3).
Zulassung neuer Medikamente
Bevor ein neues Medikament auf den Markt kommt, muss es ein mehrstufiges Zulassungsverfahren durchlaufen. In der sogenannten präklinischen Phase wird der Wirkstoff zunächst im Labor getestet. Dabei soll festgestellt werden, ob er giftig ist, wie er im Körper verteilt und abgebaut wird und ob er potenziell wirksam sein könnte. Tierversuche werden hier nach wie vor standardmäßig durchgeführt, obwohl ihre Aussagekraft wissenschaftlich vielfach widerlegt und für den Menschen nicht relevant ist. Erst wenn diese Hürde genommen ist, folgen klinische Studien, die in mehreren Phasen Sicherheit und Wirksamkeit am Menschen prüfen (4,5).
Trotz dieses aufwändigen Verfahrens kommt es immer wieder vor, dass ein Medikament nach der Zulassung bislang unbekannte Nebenwirkungen hervorruft. Klinische Studien haben meist nur begrenzte Laufzeiten, berücksichtigen nicht alle Altersgruppen oder Begleiterkrankungen und erfassen seltene Nebenwirkungen nicht zuverlässig. Deshalb beginnt mit der Marktzulassung nicht das Ende der Überwachung – sondern eine neue Phase: die sogenannte Post-Marketing Surveillance (4). Hier setzt das Schwarze Dreieck an.
Welche Medikamente erhalten das Schwarze Dreieck?
Nicht jedes neue Medikament wird automatisch mit dem Schwarzen Dreieck versehen. Die Entscheidung basiert auf bestimmten Kriterien, die von den zuständigen Arzneimittelbehörden festgelegt wurden (1). Besonders häufig erhalten folgende Präparate die Kennzeichnung:
- Neue Wirkstoffe, deren Wirkung und Sicherheit im menschlichen Körper noch wenig bekannt sind.
- Biologische Arzneimittel, wie monoklonale Antikörper oder Impfstoffe, die aufgrund ihrer komplexen molekularen Struktur und empfindlichen Herstellung besonders sorgfältig beobachtet werden müssen.
- Medikamente, die unter besonderen Umständen zugelassen wurden, etwa in Notfallsituationen wie der COVID-19-Pandemie, wenn Studien vor der Zulassung noch nicht vollständig abgeschlossen sind.
- Arzneimittel, die für neue Anwendungsgebiete oder Patientengruppen eingesetzt werden, zum Beispiel Medikamente, die zuvor nur für Erwachsene zugelassen waren, nun aber auch Kindern verabreicht werden.
- Arzneimittel, zu denen noch keine ausreichenden Langzeitdaten vorliegen, sodass mögliche langfristige Wirkungen und Risiken noch nicht abschließend bewertet werden können.
- Medikamente, bei denen die Zulassungsbehörde weitere Studien nach der Zulassung vorschreibt, um die Sicherheit oder Wirksamkeit umfassender zu prüfen.
Das Schwarze Dreieck bleibt in der Regel für mindestens fünf Jahre bestehen. Wenn während dieses Zeitraums keine neuen Sicherheitsbedenken auftreten und die geforderten Zusatzstudien abgeschlossen sind, kann das Symbol entfernt werden (1).
Menschenversuche: Risiken für Patienten
In Klinischen Studien vor der Zulassung werden neue Medikamente erstmalig am richtigen Zielsystem, dem Menschen, getestet. Für die Probanden und Patienten können diese ersten Menschenversuche mit erheblichen Risiken verbunden sein. In einer Medikamentenstudie in Frankreich kam es 2016 beispielsweise zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Krankenhausaufenthalten, die letztendlich zum Tod eines Probanden und zu lebenslänglichen Schäden in drei weiteren Probanden geführt haben (6).
Auch nach Abschluss der Klinischen Studien bleibt die Sicherheit eines Medikaments ungewiss, denn diese Studien umfassen zunächst nur eine vergleichsweise kleine und homogene Gruppe. Im echten Leben hingegen wird das Medikament deutlich mehr Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Begleiterkrankungen verabreicht (1).
Besonders problematisch ist, dass viele gravierende Nebenwirkungen oft nicht sofort, sondern erst Wochen, Monate oder sogar Jahre nach der Einnahme auftreten (7). Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder bisher unbekannte Risiken für bestimmte Patientengruppen werden in der kontrollierten Umgebung klinischer Studien häufig nicht erkannt.
Patienten, die ein Medikament mit schwarzem Dreieck einnehmen, setzen sich daher unkalkulierbaren Gefahren aus. Das behördliche Monitoring schützt die Betroffenen nicht vor Schäden, sondern dient vor allem dazu, sie zu dokumentieren, um Medikamente nachträglich mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen oder sie vom Markt zu nehmen. Die meisten Betroffenen wissen dabei nicht einmal, dass sie Teil eines großangelegten Experiments sind und verlassen sich auf die vermeintliche Sicherheit eines bereits zugelassenen Medikaments.
Zahlen & Folgen: Wie viele Medikamente werden mit Warnhinweisen versehen oder zurückgezogen?
Die Zulassung eines Medikaments bedeutet also nicht, dass alle Risiken bekannt sind. Jedes Jahr müssen in der EU zahlreiche Medikamente nachträglich angepasst werden, beispielsweise durch neue Warnhinweise, geänderte Anwendungsregeln oder sogar durch eine vollständige Rücknahme vom Markt. Das betrifft ungefähr ein Drittel aller zugelassenen Medikamente (8).
So wurden im Jahr 2024 beispielsweise 401 zugelassene Medikamente in der EU mit neuen Produktinformationen versehen – etwa, weil neue Nebenwirkungen bekannt wurden oder die Anwendung eingeschränkt werden musste (9).
Immer wieder kommt es auch zur kompletten Rücknahme eines Medikaments. In einem Untersuchungszeitraum von 2002 bis 2011 wurden in der EU insgesamt 19 Medikamente aus Sicherheitsgründen vom Markt genommen – meist, weil nach der Zulassung schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet wurden, die zuvor nicht erkannt worden waren (10).
Ein Beispiel hierfür sind Arzneimittel, die den Wirkstoff Ranitidin enthalten. Ursprünglich wurden diese Medikamente bei Sodbrennen und Magengeschwüren eingesetzt, doch seit 2020 wurden sie aufgrund von krebserregenden Verunreinigungen vom Markt genommen, die womöglich bei dem Abbau des Wirkstoffs entstehen (11). Auch Pholcodin-haltige Hustenmittel wurden 2023 zurückgerufen, weil sie unter Narkose schwere allergische Reaktionen auslösen können (12). Im Jahr 2013 wurde Almitrin, ein Mittel gegen chronisches Atemversagen, zurückgezogen, da es mit Nervenschäden und starkem Gewichtsverlust in Verbindung gebracht wurde (13).
Tierversuche bieten keine Sicherheit für den Menschen
Tierversuche sind in Europa für die Zulassung von neuen Arzneimitteln weiterhin vorgeschrieben und sollen ein erstes Bild über Wirksamkeit und Sicherheit liefern. Allerdings sind ihre Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar. Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Tierversuche systematisch versagen, wenn es darum geht, Ergebnisse für den Menschen vorherzusagen.
Unterschiede etwa im Stoffwechsel, der Genetik oder der Immunantwort führen oft dazu, dass ein Arzneimittel im Tierversuch ganz anders wirkt als im Menschen. Untersuchungen zeigen, dass über 90 % aller neu entwickelten Wirkstoffe in klinischen Studien am Menschen scheitern – ungefähr die Hälfte davon aufgrund unerwarteter Giftigkeit (14, 15, 16). Daneben führt hautsächlich eine mangelnde Wirksamkeit zum Versagen von tierversuchserprobten Medikamenten.
Zudem weisen Studien auf methodische Mängel vieler Tierversuche hin – unzureichende Dokumentation, schlechte Reproduzierbarkeit und statistische Schwächen führen dazu, dass wichtige Risiken übersehen oder irrtümlich eingeschätzt werden (17, 18, 19).
Tierversuch tragen also nicht zur Sicherheit von neuen Medikamenten bei.
Neue Wege: Humanrelevante, tierversuchsfreie Methoden
Die Zukunft der Arzneimittelsicherheit liegt im Einsatz humanrelevanter, tierversuchsfreier Testverfahren. Dazu gehören zum Beispiel menschliche Zellkulturen und 3D-Gewebemodelle sowie Organ-on-a-Chip-Systeme, mit denen Miniaturmodelle menschlicher Organe erstellt werden. Hier lassen sich Wirkstoffe direkt an menschlichem Material testen und Wirkmechanismen realitätsnäher bewerten (20).
Zusätzlich gewinnen In-silico-Modelle, computergestützte Verfahren wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz (KI), an Bedeutung. Sie basieren auf umfangreichen Daten und erlauben präzise Vorhersagen zur Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikaments unter menschenrelevanten Bedingungen (21, 22).
Ein weiterer zentraler Fortschritt ist die Nutzung von Real‑World‑Data: Elektronische Patientenakten, klinische Register und Biobank-Daten liefern Echtzeit‑Erkenntnisse über Medikamentenwirkungen in der alltäglichen Versorgung (23).
Durch die Nutzung tierversuchsfreier Methoden können Medikamente von Beginn an auf humanrelevanter Basis entwickelt und bewertet werden – und so zu einer verbesserten Sicherheit für den Menschen beitragen. In den USA ist bereits gesetzlich verabschiedet: Seit Ende Dezember 2022 dürfen Medikamente zugelassen werden, ohne dass Tierversuche vorausgehen müssen.
Fazit: Das Schwarze Dreieck ist ein Warnsignal für das System
Das Schwarze Dreieck auf der Packungsbeilage ist mehr als nur ein Hinweis auf einem Medikament. Es steht symbolisch für die Unsicherheit, die gerade wegen der irreführenden Tierversuche und den folgenden Prüfverfahren bestehen bleibt. Auch wenn sich Medikamente in präklinischen und klinischen Studien als wirksam und sicher erweisen, zeigt die Häufigkeit nachträglicher Warnungen, Einschränkungen oder Rücknahmen: Die bisherigen Methoden reichen nicht aus, um die Sicherheit für den Menschen zuverlässig vorherzusagen.
Tierversuche können die Reaktionen des menschlichen Körpers nicht realistisch abbilden. Gleichzeitig stehen heute moderne, tierversuchsfreie Testverfahren zur Verfügung, die gezielter, schneller und ethisch vertretbarer sind. Doch noch sind sie nicht der Standard – obwohl sie genau das leisten könnten, was das derzeitige System nicht bieten kann: bessere Daten, höhere Sicherheit und mehr Vertrauen in Medikamente.
20.08.2025
Leyla Fox, M. Sc.
Quellen
- Medicines under additional monitoring, European Medicines Agency (EMA), 25.4.2013 (abgerufen am 29.07.2025)
- Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) Black Triangle Scheme - new medicines and vaccines subject to EU-wide additional monitoring (abgerufen am 29.07.2025)
- Therapeutic Goods Administration (TGA), The Black Triangle Scheme, 08.08.2022 (abgerufen am 29.07.2025)
- Singh N. et al. Drug discovery and development: introduction to the general public and patient groups. Frontiers in Drug Discovery 2023; 3
- EMA Resource: Journey of a Medicine, EuroGCT (abgerufen am 29.07.2025)
- Medikamentenskandal in Frankreich. Ärzte gegen Tierversuche, 18.01.2016 (abgerufen am 13.08.2025)
- Lester J. et al. Evaluation of FDA safety-related drug label changes in 2010. Pharmacoepidemiology and Drug Safety 2013; 22(3):302–305
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- European Medicines Agency. Annual report 2024, Publications Office, 2025
- McNaughton R. et al. An investigation into drug products withdrawn from the EU market between 2002 and 2011 for safety reasons and the evidence used to support the decision-making. BMJ open 2014; 4(1):e004221
- Ranitidine-containing medicinal products - referral, European Medicines Agency (EMA), 26.6.2020 (abgerufen am 29.07.2025)
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- Almitrine-containing medicines - referral, European Medicines Agency (EMA), 30.11.2012 (abgerufen am 29.07.2025)
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