Leiden für Leistung: Tierversuche in der Landwirtschaft
In der öffentlichen Wahrnehmung werden Tierversuche an den sogenannten landwirtschaftlichen Nutztieren oft als notwendige Maßnahmen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere dargestellt. Es wird suggeriert, dass solche Experimente dazu dienen, Krankheiten zu verhindern, Leiden zu minimieren oder die Lebensbedingungen zu verbessern. Diese Behauptung ist jedoch irreführend und verschleiert die wahren Motive der Forschung. Das eigentliche Ziel ist es nämlich, die „Leistung“ der Tiere zu erhöhen und die wirtschaftlichen Schäden zu begrenzen. Leistung wird hier in Litern Milchproduktion, täglicher Gewichtszunahme oder schlicht im Überleben möglichst zahlreicher Tiere gemessen. Das Wohl des einzelnen Tieres tritt hinter diesem Ziel zurück, den Tierbestand als wirtschaftliches Gut zu schützen und die Effizienz der Produktion zu maximieren.
„Nutztier“haltung: Ein System der Ausbeutung
Die landwirtschaftliche „Nutztier“haltung dient der Erzeugung von Nahrungsmitteln (z.B. Milch, Fleisch, Eier), sowie anderen Tierprodukten (z.B. Wolle, Leder, Felle und Federn). Das zentrale Ziel ist die systematische Züchtung von Tieren auf extreme Leistung, um ihre Produktivität zu maximieren (1); die Gesundheit der Tiere ist hierbei nur ein Mittel zum Zweck.
Ende 2024 wurden in Deutschland 10,5 Millionen Rinder, 21,3 Millionen Schweine und 1,5 Millionen Schafe gehalten. Der Bestand von Geflügel lag im Jahr 2023 bei 167 Millionen Tieren (1).
Um eine hohe Produktion tierischer Produkte zu ermöglichen, erfolgt die Haltung von „Nutztieren“ häufig auf stark begrenztem Raum in der sogenannten Massentierhaltung. Für die Betreiber hat dies den Vorteil der Reduktion von Arbeitskräften zur Versorgung und Fütterung der Tiere sowie die Möglichkeit der Verwendung mechanischer Einrichtungen für die Unterbringung der Tiere. Für die Tiere jedoch bedeutet es – neben dem Umstand, dass das Tier als Ware angesehen wird – keine individuelle Betreuung oder Berücksichtigung der arteigenen Bedürfnisse sowie vor allem Stress.

Noch mehr Milch: Das zentrale Ziel ist die systematische Züchtung von Tieren auf extreme Leistung.
Die Zahlen hinter dem Leid: Umfang und Zweck von Tierversuchen mit landwirtschaftlichen „Nutztieren“
2023 wurden laut der offiziellen Statistik vom BfR (Bundesinstitut für Risikoforschung) 13.811 Haushühner, 10.577 Schweine, 2.797 Puten, 2.481 Rinder, 2.114 Schafe und 172 Ziegen in Tierversuchen „verwendet“ oder zu wissenschaftlichen Zwecken getötet. Genaue Zahlen für Enten und Gänse ergeben sich nicht aus der Statistik, da sie unter „sonstige Vögel“ (9.129 Tiere in 2023) fallen (2).
Wie eigentlich jede Tierart, müssen auch „Nutztier“rassen für die Grundlagenforschung leiden und sterben, z.B. Schweine in der Herz-Kreislaufforschung, Schafe in der Orthopädie oder Hühner in der Neurologie (3). Statistisch sind jedoch die Versuche, die den „Nutztier“bereich im Fokus haben, vor allem der sogenannten angewandten Forschung (Tiererkrankungen, Tierernährung, Tierschutz) zuzuordnen. Hier wurden 2023 2.638 Haushühner, 2.256 Schweine, 2.199 Puten, 974 Rinder, 365 Schafe und 23 Ziegen verwendet. Analog den Gesamtzahlen lassen sich auch hier die Zahlen der Enten und Gänse nicht genau bestimmen, da sie unter „sonstige Vögel“ (202 Tiere) fallen (2).
Diese offiziellen Zahlen spiegeln nicht das wahre Ausmaß des Leidens wider. Ein grundlegendes Problem der Statistik liegt in der gesetzlichen Definition des Tierversuchs, die nicht alle Tiere erfasst, die für Forschungszwecke manipuliert und getötet werden. Insbesondere ein Hauptteil der Embryonen, die in der Reproduktionsforschung eingesetzt, manipuliert und weggeworfen werden, tauchen in der offiziellen Statistik nicht auf. Bei Tierversuchen an Säugetier-Embryonen gilt eine juristische Grauzone, da sie erst ab dem letzten Drittel der Schwangerschaft als Tierversuch gelten. Bei Vögeln gilt dies nur, wenn die Tiere schlüpfen und voraussichtlich Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden (4).
Forschungsbereiche im Detail: Beispiele für Nutztierversuche
In der „Nutztier“forschung geht es nicht um das einzelne Tier, sondern um den Gesamtbestand. Durch gezielte Züchtungen sowie Anpassungen in der Haltung und Fütterung sollen Qualität und Quantität der gewonnenen tierischen Lebensmittel und Produkte möglichst hoch sein. Im Fokus stehen außerdem der Schutz des Tierbestandes als wirtschaftliches Gut sowie Reduktion von Arbeitsaufwand und Kosten. Die durchgeführten Versuche konzentrieren sich dabei vor allem auf die Bereiche Tierzucht, Tierernährung, Tierhaltung und Infektionsforschung.
Tierzucht & Reproduktion
Im Zusammenhang mit „Nutztieren“ strebt Tierzucht die gezielte Veränderung genetischer Merkmale an, zum Beispiel für höhere Milchleistung oder ein weniger ängstliches Verhalten. Um diese Zuchtziele schneller zu erreichen, werden reproduktionsmedizinische Methoden wie künstliche Befruchtung oder Embryoübertragung eingesetzt. Auch Strategien zur Reduktion überschüssiger männlicher Tiere fallen in diesen Bereich.
Tierzüchterische Forschung mit „Nutztieren“ wird oft als Beitrag zum Tierwohl dargestellt, etwa um schmerzhafte Eingriffe wie die Kastration zu vermeiden. Eine kritische Betrachtung zeigt jedoch, dass die eigentliche Ursache nicht die ineffiziente Fortpflanzung ist, sondern die Spezialisierung der Zucht auf extreme Leistung (5).
Diese Massenproduktionsstrategie führt bei weiblichen Tieren zu gesundheitlichen Problemen und erzeugt „Abfallprodukte“: männliche Tiere, die für das jeweilige Zuchtziel nutzlos sind. Ein prominentes Beispiel hierfür sind männliche Küken in der Legehennenzucht, die weder Eier legen noch für die Fleischproduktion geeignet sind. Ähnlich verhält es sich mit Kälbern aus Milchrassen.
Reproduktionsforschung versucht, dieses Problem zu lösen, indem sie etwa das Geschlecht vor der Geburt beeinflusst oder die Fortpflanzungsfähigkeit unterdrückt. Allerdings verlagert sich das Leiden dabei lediglich von der Tötung oder Kastration hin zu genetischer Manipulation und hormoneller Belastung.

Tierversuche an landwirtschaftlichen „Nutztieren“ zielen nicht darauf ab, Leiden zu beenden, sondern ein System der Tierausbeutung zu optimieren und zu legitimieren.
Beispiele für Tierversuche aus dem Forschungsbereich „Tierzucht“
Es soll untersucht werden, ob genetisch männliche Schweine so verändert werden können, dass sie weibliche Geschlechtsorgane entwickeln. Laut Autoren dienen die Ergebnisse dieser Studie dem Tierschutz, da dadurch die Kastration männlicher Ferkel unnötig gemacht werden. Dazu werden Eizellen im Reagenzglas befruchtet und 20 Stunden später mit der CRISPR-Genschere manipuliert. Insgesamt werden 63 und 166 Embryonen in hormonell behandelte Säue verpflanzt. Aus diesen Versuchen gehen nur wenige Ferkel hervor, von denen einige genetisch männlich, aber phänotypisch weiblich sind. Diese Tiere leiden unter Wachstumsstörungen, werden mehrfach erfolglos hormonell behandelt und schließlich im Alter von 2 Monaten getötet, um ihre Organe zu untersuchen (6).
An 8 männlichen Ziegen wird getestet, ob ein Hormon ihre Fortpflanzungsfähigkeit unterdrücken kann. Die Tiere werden sieben Wochen lang täglich mit dem Hormon behandelt. Mehrfach erfolgt die Untersuchung der Hoden mittels Ultraschalls, Blutentnahmen aus der Halsvene und die Gewinnung von Sperma mit einer künstlichen Vagina. Am Ende des Versuchs werden die Tiere kastriert (7).
In einem Versuch an 178 Hühnern soll herausgefunden werden, wie sich verschiedene Rassen in ihrer Ängstlichkeit unterscheiden, um "weniger ängstliche" Tiere züchten zu können. Die Tiere werden innerhalb von 14 Tagen bis zu 38 Mal in eine "Arena" transportiert und dort auf den Rücken gelegt und festgehalten, um die Dauer ihrer Schreckstarre (tonische Immobilität) zu messen (8).
An 119 Japanischen Wachteln wird untersucht, ob ihre extrem hohe Legeleistung von bis zu 300 Eiern pro Jahr zu Brustbeinschäden führt. Die Tiere werden regelmäßig gefangen, gewogen und kopfüber in einem Gestell fixiert, um geröntgt zu werden. Während der Versuchsdauer sterben 10 der 51 weiblichen Tiere an Krankheiten, Eiablageschwierigkeiten oder Verletzungen. Bei über 80% der überlebenden Tiere, die am Ende getötet werden, um ihre Knochen zu untersuchen, werden Verformungen des Brustbeinkamms gefunden (9).
Tierernährung
Tierversuche in der „Nutztier“ernährung werden offiziell mit der Sicherung von Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit sowie der Verbesserung von Tiergesundheit und Produktqualität begründet (10). Diese Forschung dient jedoch primär wirtschaftlichen Zielen. Ein entscheidender Faktor, um die Produktion von Lebensmitteln tierischen Ursprungs wie Fleisch, Milch und Eiern kostengünstig zu gestalten, sind nämlich die Futtermittel. Deren Kosten machen einen wesentlichen Anteil an den gesamten Produktionskosten aus. In diesem Kontext ist die Tierernährungsforschung bestrebt, die Nährstoffaufnahme und -verwertung der Tiere zu maximieren (11–15). Die Versuche dienen demnach dazu, die Zusammensetzung des Futters so zu optimieren, dass der größte Nutzen für die Produktion erzielt wird. Außerdem soll der Einfluss von Verunreinigung auf die Gesundheit der Tiere erforscht werden. Nicht jedoch zum Wohle der Tiere, sondern in Hinblick auf die Leistungserbringung bzw. darauf, ob Verunreinigungen in die Tierprodukte gelangen und dadurch den Menschen gefährden.
Beispiele für Tierversuche aus dem Forschungsbereich „Tierernährung“
Viele sogenannte Milchkühe leiden nach der Geburt aufgrund des durch die Milchproduktion rapide ansteigenden Kalziumverbrauchs unter einem Kalziummangel, der lebensbedrohlich sein kann. In einem Versuch mit 70 schwangeren Kühen wird deshalb der Einfluss einer pflanzlichen Lipidmischung auf die Kalziumaufnahme untersucht. Die Kühe werden in zwei Gruppen geteilt: eine Kontrollgruppe und eine Versuchsgruppe, die zusätzlich zum normalen Futter Lipide erhält. Die Tiere werden mittels Melkroboter gemolken und ihre „Milchleistung“ erfasst. Blutproben werden regelmäßig entnommen, und der körperliche Zustand der Tiere wird bewertet. Bei 18 Kühen wird ein teilweise schwerwiegender Kalziummangel festgestellt (16).
Um herauszufinden, welchen Einfluss der Kalziumgehalt des Futters auf die Phosphorverdaulichkeit hat, werden 8 Eber operiert. Ihnen wird eine röhrenförmige Apparatur in ihren Dünndarm implantiert, die es ermöglichte, Proben des Darminhalts von außen zu entnehmen. Die Eber werden einzeln in sogenannten Stoffwechselkammern gehalten und erhalten für zwölf Tage eine von vier Futtermischungen mit unterschiedlichem Kalziumgehalt. Kot und Urin werden täglich gesammelt, und am Ende des Versuchs wird eine Blutprobe entnommen (17).
Mit 640 männlichen Hühnern wird der Einfluss verschiedener Futterzusammensetzungen, insbesondere des Zinkgehalts, auf die Knochenmineralisierung und Zinkversorgung untersucht. Die Tiere werden in Ställen zu je 10 Tieren gehalten. Um zu verhindern, dass die Hähne ihren Kot fressen, werden sie auf perforierten Böden gehalten. Neun Hähne sterben während des Versuchs. Am Ende werden die Tiere getötet; ein Teil durch Enthaupten, der Rest durch Ersticken mit Kohlendioxid. Anschließend werden Gewebeproben, darunter Darminhalt, Schienbeine und Füße, entnommen und analysiert (18).
15 Schweine werden in Gruppen aufgeteilt, um die Übertragung von Polychlorierten Biphenylen (PCB) aus kontaminiertem Futter auf ihr Gewebe zu untersuchen. PCBs werden als Weichmacher verwendet und gelten als potenziell krebserregend. Die Tiere erhalten in unterschiedlichen Fütterungsschemata PCB-haltiges und normales Futter. Futteraufnahme, Gewichtsentwicklung, Kotkonsistenz und das Verhalten der Tiere werden während der gesamten 81-tägigen Versuchszeit überwacht. Am Ende werden alle Schweine getötet und Gewebeproben entnommen, um den PCB-Gehalt zu messen (19).
10 Hochleistungskühe werden in Gruppen gefüttert, um den Einfluss der Futterzusammensetzung auf die Aufnahme des Schimmelpilzgifts Aflatoxin und dessen Konzentration in der Milch zu bestimmen. Die Tiere erhalten 4 Wochen lang unterschiedliche Futtermischungen und an einigen dieser Tage eine Gelatinekapsel mit Aflatoxin. Die Milchmenge, Futteraufnahme und das Verhalten der Kühe werden überwacht, und Milchproben werden analysiert. Das weitere Schicksal der Tiere wird nicht erwähnt (20).
102 Hühner werden in Versuchen zur Übertragung von Polychlorierten Biphenylen (PCB) aus Futter und Boden eingesetzt. PCBs werden als Weichmacher verwendet und gelten als potenziell krebserregend. Ein Teil der Hennen erhält kontaminiertes Futter über unterschiedliche Zeiträume, anschließend unkontaminiertes Futter, und die Eier werden analysiert. Andere Hennen werden auf Böden mit unterschiedlichen PCB-Belastungen gehalten. Es werden Eier eingesammelt und zu verschiedenen Zeitpunkten die Tiere getötet, um Muskelproben zu entnehmen. Während der Versuchsdauer werden Futteraufnahme, Eierproduktion und Gesundheitszustand beobachtet (21).
Tierhaltung
Wenn landwirtschaftliche „Nutztiere“ in Massen und auf engstem Raum gehalten werden, ist dies alles andere als artgerecht und es entstehen unweigerlich Probleme wie Stress, Aggression und Verletzungen.
Als vermeintlicher Problemlöser tritt in diesem Kontext der Forschungsbereich „Tierhaltung“ in Erscheinung. Dessen offizielle Aufgabe ist es, durch die Untersuchung „verschiedener Haltungssysteme und dem Nutzen sogenannter Bereicherungen in den Käfigen die bestehenden Missstände zu beheben (22). Dies soll das „Tierwohl“ verbessern, die eigentlichen Ziele dieser Forschung sind jedoch Aufrechterhaltung und Legitimation des problematischen Systems, anstatt es grundlegend zu hinterfragen oder abzuschaffen.
Beispiele für Tierversuche aus dem Forschungsbereich „Tierhaltung“
1:200 Masthühner werden eingesetzt, um den Einfluss einer erhöhten Plattform mit integrierten Wiegebalken zu testen. Ziel ist es, sowohl Daten zum Gewicht und zur Aktivität der Tiere zu gewinnen als auch die Plattform als angebliche „Bereicherung“ für die Tiere zu bewerten. Die Tiere werden in Gruppen zu je 200 Tieren in Ställen von 15 Quadratmetern untergebracht. Neben Tränken und Futter erhalten die Tiere eine 4 Meter lange Plattform aus Plastikgitter, die einen halben Meter über dem Boden angebracht ist und über Rampen erreicht werden kann. Während der fünf Wochen dauernden Versuchszeit werden die Bewegungen der Hühner auf der Plattform per Videokamera dokumentiert, ihr Gewicht automatisch gemessen und zusätzlich bei einer Teilgruppe mehrmals per Hand erfasst – was jedes Mal das Einfangen der Tiere erfordert. Einige Tiere erkranken während der Haltung und werden mehrere Tage lang mit Antibiotika behandelt. Das weitere Schicksal der Hühner wird nicht erwähnt (23).
9 Wachteln werden eingesetzt, um ihre Bewegungsabläufe beim Überwinden von Stufen zu analysieren. Die Tiere müssen wiederholt einen drei Meter langen Gang durchqueren, dessen Boden entweder eben ist oder in der Mitte eine Stufe von 1 bis 5 Zentimetern aufweist. Ihre Bewegungen werden mit Hochgeschwindigkeitskameras sowie mit Röntgenstrahlung von der Seite und von unten aufgezeichnet. Die Aufnahmen dienen der computergestützten Erstellung eines Modells des Laufverhaltens der Tiere (24).
Es wird untersucht, wie sich die Haltung von weiblichen Puten in eintönigen Ställen durch eine zusätzliche Konstruktion, den sogenannten „Putenbaum“, verändert. Dafür werden 132 Putenküken in 6 Gruppen von je 22 Tieren in Ställen von 5,4 Quadratmetern aufgezogen. Ein Teil der Tiere erhält den „Putenbaum“, bestehend aus drei unterschiedlich hohen Plattformen, während die Kontrollgruppe ohne zusätzliche Einrichtung gehalten wird. Über 88 Tage hinweg werden den Puten insgesamt viermal Blut aus den Flügelvenen entnommen. Per Videoüberwachung werden ihr Verhalten, ihre Nutzung der Plattformen und ihre Aggression gegenüber Artgenossen dokumentiert. Zusätzlich wird das Federkleid auf Verletzungen überprüft. Während des Versuchs sterben vier Tiere oder werden getötet. Am Ende werden die verbliebenen Tiere durch Elektroschock betäubt und anschließend ausgeblutet (25).
In einer Studie mit 1.344 Hennen unterschiedlicher Rassen wird untersucht, welche Faktoren zu Schäden am Brustbein beitragen. Die Tiere werden entweder einzeln in Käfigen von weniger als 0,24 Quadratmetern Fläche oder in Gruppen von 24 Tieren in größeren Ställen gehalten. Regelmäßig werden die Hennen gewogen und kopfüber hängend auf Deformationen und Frakturen am Brustbeinkamm untersucht. Nach 70 Wochen werden sie mit Kohlendioxid getötet, um die Brustknochen mit Muskelgewebe zu entnehmen und zu analysieren. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Rasse und Haltungsform: Zwischen 14 und 97 Prozent der Tiere weisen Deformationen am Brustbein auf, rund 39 Prozent erleiden mindestens eine Fraktur (26).
Infektionsforschung
Die Infektionsforschung an landwirtschaftlichen „Nutztieren“ hat die Aufgabe, die Ausbreitung von Krankheiten zu verstehen und zu verhindern. Dabei geht es weniger um das einzelne Tier, sondern das übergeordnete Ziel ist es, wirtschaftliche Verluste durch Tierseuchen zu vermeiden und (bei Zoonosen) den Menschen zu schützen (27). Was in dieser Darstellung oft fehlt, ist die grundlegende Tatsache, dass die industrielle Massentierhaltung selbst der Hauptauslöser für die Entstehung und Verbreitung dieser Krankheiten ist. Die extrem hohe Dichte der Tierbestände, der mangelnde Platz und die schlechte Hygiene schaffen ideale Bedingungen für die Entstehung von Zoonosen und die Entwicklung antibiotikaresistenter Keime, die auch die menschliche Gesundheit bedrohen (28, 29). Auch der globale Handel, bei dem Tiere über lange Strecken und Ländergrenzen hinweg transportiert werden, trägt zur Ausbreitung von Seuchen bei (29).

Die industrielle Massentierhaltung selbst ist der Hauptauslöser für die Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten. ©WEanimals
Beispiele für Tierversuche aus der Infektionsforschung
Zunächst werden 20 Sauen mit einem abgeschwächten Erreger der Afrikanischen Schweinepest (ASP) infiziert. Wenige Tage später zeigen die meisten Tiere Fieber und klinische Symptome wie verminderte Lebhaftigkeit und Futteraufnahme. Innerhalb von 28 Tagen nach der Infektion sterben 15 der Sauen oder werden getötet. Die überlebenden 5 Sauen werden künstlich befruchtet. Ein Teil der Ferkel wird im Alter von sieben Tagen mit einem hochansteckenden ASP-Stamm infiziert. Sie sterben innerhalb von 9 Tagen oder werden getötet. Einige der Ferkel werden nicht infiziert und ihnen werden stattdessen wöchentlich Blutproben entnommen (30).
45 Puten werden gentechnisch veränderte oder unveränderte Vogelgrippeviren in Augen und Nase geträufelt. Nach 24 Stunden werden gesunde Puten als Kontaktgruppe hinzugefügt, um die Übertragung zu untersuchen. Die Tiere werden täglich nach einem Punktesystem bewertet, das Krankheitssymptome wie Atemprobleme, Durchfall und neurologische Störungen erfasst. Innerhalb weniger Tage zeigen die Puten schwerste Krankheitsanzeichen wie struppiges Gefieder, Apathie und Ausfälle des Nervensystems. Sämtliche Tiere sterben innerhalb von fünf Tagen oder werden vorzeitig getötet. Auch alle Kontaktvögel sterben binnen weniger Tage. Gewebeuntersuchungen ergeben massive Organschädigungen, insbesondere in Gehirn, Herz, Nieren und Atemwegen. Kein Tier überlebt bis zum geplanten Versuchsende (31).
30 Hühner sowie zahlreiche Hühnerembryonen werden eingesetzt, um die Rolle eines bestimmten Proteins bei der Infektion mit Vogelgrippevirus zu erforschen. Sieben Wochen alte Hühner werden in Gruppen mit entweder einem unveränderten oder einem genetisch modifizierten Virus über Augen und Nase infiziert. Nach einem Tag werden gesunde Tiere als Kontaktgruppe zugesetzt. Regelmäßig werden Abstriche und Blutproben genommen. Innerhalb weniger Tage entwickeln die Hühner schwere Symptome wie Durchfall, Koordinationsstörungen und neurologische Ausfälle. Tiere, die nicht mehr selbstständig Nahrung aufnehmen können, werden getötet. Während alle Tiere mit dem unveränderten Virus innerhalb einer Woche sterben, überleben in der Gruppe mit dem veränderten Virus drei Tiere bis zum 10. Tag. Diese werden schließlich mit einem Narkosegas getötet, ebenso wie zahlreiche Hühnerembryonen kurz vor dem Schlupf. Von den Embryonen werden Organe wie Nieren und Harnblasen entnommen, was ihren Tod zur Folge hat (32).
Verschiedene Varianten des Vogelgrippevirus werden zunächst in befruchteten Hühnereiern vermehrt, wofür die Embryonen getötet und untersucht werden. Anschließend werden 40 Hühner entweder über eine Injektion in die Vene oder, im Fall von Eintagsküken, direkt ins Gehirn infiziert. Eine Betäubung wird nicht erwähnt. Die Tiere werden über mehrere Tage beobachtet und auf Krankheitszeichen untersucht. Bereits nach kurzer Zeit zeigen einige Tiere schwere neurologische Symptome und sterben oder werden getötet. Besonders bei den Küken verläuft der Versuch drastisch: In einer Gruppe sterben nach 2–3 Tagen alle Tiere, in der anderen ein Teil, während die überlebenden Küken nach 8 Tagen ebenfalls getötet werden. Auch bei den erwachsenen Hühnern ist von einer Tötung nach Abschluss des Versuchs auszugehen (33).
16 Schafe werden mit zwei unterschiedlichen Pockenseuche-Viren infiziert. Je nach Gruppe erhalten die Tiere das Virus über eine Injektion, über die Nase oder durch Kontakt zu infizierten Artgenossen. Über 28 Tage hinweg werden Blut- und Abstrichproben genommen sowie Symptome dokumentiert. Bereits nach wenigen Tagen entwickeln fast alle Schafe hohes Fieber, starken Nasen- und Augenausfluss, Atembeschwerden sowie Hautveränderungen. Ein Tier stirbt am 7. Tag, die übrigen erkranken so schwer, dass sie im Verlauf des Experiments getötet werden. Nach 28 Tagen werden auch die letzten überlebenden Schafe getötet, um Organe wie Lunge, Milz und Lymphknoten für Untersuchungen zu entnehmen (34).
Fazit
Die Behauptung, dass Tierversuche an landwirtschaftlichen „Nutztieren“ dem Tierwohl dienen, steht im Widerspruch zur Realität der Praxis. Die Forschung zielt nicht darauf ab, Leiden zu beenden, sondern ein System der Tierausbeutung zu optimieren und zu legitimieren. In diesem System sind Tiere in erster Linie Produktionsmittel. Ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden sind nur dann von Interesse, wenn dies der Profitmaximierung dient.
Dieses System ist ethisch nicht zu rechtfertigen und birgt zudem ein signifikantes Risiko für die öffentliche Gesundheit, da es die Entstehung und Verbreitung von Krankheiten begünstigt. Die logische Konsequenz ist eine grundlegende Abkehr von diesem Modell.
Ein wirklicher Wandel erfordert die Abschaffung der Massentierhaltung und der jeglicher Nutzung von Tieren als wirtschaftliche Güter. Solange Tiere als Produktionsmittel gehalten werden, werden die Probleme bestehen bleiben, die diese Forschung zu beheben vorgibt – wie Krankheiten, Leid und Ineffizienz. Der Wandel des Systems ist daher die einzige wirksame Lösung für die von der Industrie selbst geschaffenen Probleme. Eine Forschung zum Wohl von einzelnen Tieren ist nur in einem ethisch vertretbaren Rahmen möglich und kann vollständig durch tierversuchsfreie Methoden wie Multi-Organ-Chips und Organoide erfolgen. Die Zukunft liegt in der Schaffung eines Systems, das auf Ethik, Wissenschaft und Nachhaltigkeit beruht.
13.10.2025
Dr. med. vet. Gaby Neumann
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