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Im Bereich der Tierversuche wird immer wieder klargestellt, wie wichtig Transparenz ist. Von den Tierversuchsbefürwortern wurde eigens dafür eine Transparenzinitiative gegründet (1), diese beruht jedoch auf Freiwilligkeit und stellt bis heute nicht mehr als eine leere Hülse dar.

Aus diesem Grund hat Ärzte gegen Tierversuche analysiert, welche gesetzlichen und damit verpflichtenden Vorgaben es gibt und wie effektiv diese umgesetzt werden.

Die EU-Tierversuchsrichtlinie 63/2010/EU (2) sieht drei Arten der Dokumentation von Tierversuchen vor:

  1. Erfassung der Tierzahlen
  2. Nicht-technische Projekt-Zusammenfassungen
  3. Rückblickende Bewertungen

1. Erfassung der Tierzahlen

Für das Meldesystem im Bereich der Tierversuche gibt es eigens die Versuchstiermeldeverordnung (VersTierMeldV).

Der sehr knapp gefasste § 1 VersTierMeldV verweist im Wesentlichen auf die Vorschriften des Europarechts, die relativ genau regeln, welche Tiere zu welchem Zeitpunkt gemeldet werden müssen. Grundsätzlich müssen solche Tiere gemeldet werden, die als Versuchstiere eingesetzt wurden.

Nach der Versuchstiermeldeverordnung gibt es ein System, wonach Tierversuche dokumentiert und statistisch ausgewertet werden müssen.

So müssen ausgewählte Daten von den Versuchseinrichtungen an die Landesbehörde und von dort, dann bereits in anonymisierter Form, an das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) übermittelt werden. Dort erfasst das BfR diese Daten in ihrer Statistik und veröffentlicht diese bzw. gibt sie an die EU-Kommission weiter.

Die genaue Ausgestaltung der Meldung wird jedoch den jeweiligen Landesbehörden überlassen, ein einheitliches Meldesystem gibt es nicht. Zwar gab das BfR ÄgT gegenüber an, dass sie nur vollständig ausgefüllte Meldebögen annehmen. Wie das in der Praxis aufgrund der Anonymisierung jedoch überprüft werden kann, bleibt unklar.

Es entsteht ein verzerrtes Bild

Es sollte wesentlich sein, gerade auch die Tiere zu erfassen, die ihr Versuchstierdasein mit dem Leben bezahlen.

Hier aber bestehen große Defizite. Die Tiere, die im Versuch sterben oder getötet werden, stellen nicht einmal die Hälfte aller insgesamt verstorbenen oder getöteten „Versuchstiere“ dar.

In Deutschland werden immerhin seit dem Jahr 2021 auch die Tiere erfasst, die eigens für Tierversuche gezüchtet wurden, jedoch getötet werden, ohne im Tierversuch verwendet worden zu sein. Dies geschieht zum Beispiel aus Altersgründen oder weil eine gewünschte Genveränderung fehlt. Diese Tiere werden als „Überschusstiere“ bezeichnet. Allein dies sind in etwa so viele Tiere wie im Tierversuch und für den Tierversuch, zum Beispiel zur Organentnahme, getötet werden.

Art der Verwendung/Tötung

Meldeverpflichtung

Tiere in der Zucht gestorben oder getötet

Müssen nicht gemeldet werden, Zuchtstation hat lediglich Aufzeichnungen zu führen

Versuchstiere auf dem Transport gestorben oder getötet

Müssen nicht gemeldet werden, Lieferanten müssen lediglich Aufzeichnungen führen

Tiere, die im Versuch waren, der endgültig beendet ist

Müssen gem. § 1 TierVersMV gemeldet werden

Tiere, die in einem Versuch waren und in einem weiteren Versuch verwendet werden, der in Verbindung zum vorangegangenen steht

Keine Meldung

Tiere, die nach Beendigung des Versuchs oder vor Eingang in den Versuch im Labor versterben

Tod muss nicht gemeldet werden

Tiere, die bereits vor 2013 bei Versuchseingang gemeldet wurden

Müssen nicht noch einmal gemeldet werden, „Verwendungsdauer“ unbekannt

Tab. 1: Übersicht über die Art der Verwendung/Tötung und die entsprechende Meldeverpflichtung.

All die Tiere, die bereits in den Zuchteinrichtungen, beim Transport zum Labor oder vor Eingang bzw. nach Beendigung in ein Versuchsvorhaben unabsichtlich versterben, sind keine sogenannten Überschusstiere und werden somit bislang in keiner Statistik erfasst!

Wie hoch diese Todeszahlen sind, ist völlig ungewiss.

Affenhirnexperimente fallen durchs Raster

Ein weiteres Beispiel für das verzerrte Bild, dass durch die Meldestatistiken hervorgerufen wird, ist der Umgang mit sogenannten „weiterverwendeten Tieren“.

So wurde zum Beispiel in Bremen zwischen 2010-2022 kein einziger Affe in der Versuchstierstatistik gelistet. Dennoch fanden an der Universität Bremen in der gesamten Zeit Versuche an Affen statt. Wir fragen uns, wie das sein kann.

Ursächlich ist das fehlerhafte und zum Teil uneindeutige Meldesystem.

Ein Tier muss dann gemeldet werden, wenn der Versuch beendet ist und es in keinem inhaltlich gleichen Versuch eingesetzt wird oder das Tier gestorben ist. In Anhang III des Durchführungsbeschlusses (EU) 2020/569 (3) ist die Rede von einem „kontinuierlichen Versuch“. Die Versuche müssen also logisch aufeinander aufbauen. Dies soll schon dann der Fall sein, wenn an dem Tier Vorbereitungen auf eine kontinuierliche Verwendung, zum Beispiel durch chirurgische Eingriffe, vorgenommen wurden. Dies könnte bei Primaten die Implantation von Haltebolzen auf dem Schädel sein. So können Tiere, unbemerkt von der Öffentlichkeit, über sehr lange Zeiträume qualvollen Tierversuchen ausgesetzt werden und werden nicht einmal von einer Statistik erfasst.

Für Ärzte gegen Tierversuche ist klar, dass so wie es bislang gehandhabt wird, der Öffentlichkeit ein falsches Bild suggeriert wird. Auch wird durch diese, bloß vermeintliche Transparenz von Tierversuchen, keine wirkliche Kontrollmöglichkeit geschaffen.

2. Nicht-technische Projekt-Zusammenfassungen

In § 41 Tierschutzversuchstierverordnung (TierSchVerV) ist festgeschrieben, dass Zusammenfassungen von genehmigten Versuchsvorhaben veröffentlicht werden sollen. Zuständig für Sammlung und Veröffentlichung ist das Bundesinstitut für Risikobewertung. Es werden hierfür sogenannte nichttechnische Projektzusammenfassungen erstellt. Diese sind stets anonym. Sie enthalten eine grobe Projektbeschreibung, die von den Experimentatoren selbst in der Regel aus dem Versuchsantrag erstellt wird. Die Veröffentlichung erfolgt über die Website www.animaltestinfo.de

Diese sehr verkürzten und anonymisierten Projektzusammenfassungen ermöglichen es zwar, sich einen Gesamteindruck zu machen. Allerdings lässt sich nicht nachvollziehen, wo die Versuche stattfinden und wie genau der Ablauf und die Belastung der Tiere sind. Auch ist nicht ersichtlich, wie viele der Versuche tatsächlich zu nutzbaren Erfolgen führten bzw. erfolglos blieben oder keine neuen Erkenntnisse gebracht haben, da es lediglich um eine Beschreibung noch vor der eigentlichen Versuchsdurchführung geht.

3. Rückblickende Bewertung

Gemäß § 35 Abs. 1 Tierschutzversuchstierverordnung kann die Behörden festlegen, dass ein Tierversuch einer rückblickenden Bewertung zu unterziehen ist. In wenigen Fällen muss sie dies auch.

Bei der rückblickenden Bewertung hat die Behörde zu überprüfen, ob die vom Experimentator angegebenen Versuchsziele erreicht wurden, wie stark die Schmerzen und wie schwer die Leiden der Tiere waren, ob mehr Tiere als genehmigt verwendet wurden, welchem Schweregrad der Versuch tatsächlich zuzuordnen war und ob der Versuch in Anbetracht des tatsächlichen Schweregrades unerlässlich war.

Wenn somit stets eine rückblickende Bewertung durchgeführt werden würde, ließe sich gut ablesen, wie zielführend der Versuch war und wie präzise die Antragsteller den Schwergrad der Belastung des Versuchs eingeschätzt haben.

Außerdem könnten sich Experimentatoren bereits im Vorfeld erkundigen, ob der von ihnen vorgesehene Versuch bereits durchgeführt wurde und erfolgsversprechend ist oder nicht.

Leider ist es jedoch so, dass die Behörden nur dann eine rückblickende Bewertung durchführen, wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Das heißt, wenn es um einen Versuch am Affen geht oder wenn der Belastungsgrad als „schwer“ eingestuft wurde. In der Vergangenheit konnte Ärzte gegen Tierversuche bereits feststellen, dass die Schweregrade tendenziell eher als zu gering angegeben werden. Dies hat zur Folge, dass tatsächlich noch weniger rückblickende Bewertungen als gesetzlich vorgeschrieben durchgeführt werden. Somit bleibt diese, an sich sehr zu begrüßende gesetzliche Regelung, schlussendlich ein stumpfes Schwert.

Keine Veröffentlichungspflicht von Ergebnissen

Sind Versuche an Tieren beendet, so landet ein Großteil der Ergebnisse unbeachtet in der Schublade. Denn Forscher sind nicht dazu verpflichtet diese zu veröffentlichen. Und über Studien zu schreiben, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben/das angegebene Versuchsziel erreicht haben, ist auch viel weniger attraktiv.

Hinzu kommt, dass Journale eher Artikel über positive Ergebnisse veröffentlichen. Gleiches gilt für Medien, die sich auf diese Journale beziehen. Dies führt dazu, dass Tierversuchsergebnisse in der Außenwirkung viel zu positiv dargestellt werden.

Problematisch wird die fehlende Veröffentlichungspflicht auch in Bezug auf die Gefahr von doppelt durchgeführten Versuchen. Denn Forscher haben keinen ausreichenden Überblick, ob bereits ähnliche Versuche durchgeführt wurden und zu welchem Ergebnis sie geführt haben. Die Nichttechnischen Zusammenfassungen sind dabei nicht ausreichend. Dort findet man nur unzureichende Informationen, und da sie anonym sind, haben Forscher auch keine Möglichkeit sich genauer bei der betreffenden Arbeitsgruppe zu erkundigen. Außerdem gibt es dort zu Ergebnissen überhaupt keine Angaben, geschweige denn dazu, ob diese überhaupt zu wichtigen Erkenntnissen geführt haben. 

Warum eine umfassende Dokumentation so wichtig ist

Man mag sich fragen, ob eine detaillierte Dokumentation überhaupt notwendig ist. Aus der Sicht von Ärzte gegen Tierversuche geht es bei den Dokumentationspflichten um mehr als eine grobe Information der Öffentlichkeit.

Die Dokumentationspflichten sollten auch den Zweck erfüllen, nachvollziehbar zu machen, welche Versuche zum Erfolg geführt und welche sich als ungeeignet herausgestellt haben. Für die Einschätzung der Vergleichbarkeit mit dem eigenen Vorhaben genügt eine grobe Projektzusammenfassung jedoch nicht aus. Und an einer rückblickenden Auswertung fehlt es in der Regel gänzlich.

Die nichttechnischen Projektzusammenfassungen genügen längst nicht, um die Tierversuche zu dokumentieren und statistisch auswertbar zu machen. (4)

Fazit

Sowohl die Versuchstiermeldeverordnung als auch die europäische Durchführungsbestimmung lassen im Bereich der Dokumentation einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Die Art und Weise welche Daten erfasst und wie diese verarbeitet werden beruht derzeit ausschließlich auf der Gesetzesauslegung des BfR. Dies heißt jedoch nicht, dass dies die einzig denkbare Auslegung ist.

Unter Berücksichtigung der Staatszielbestimmung Tierschutz, wäre eine strengere Auslegung angemessen. ÄgT fordert schon lange, dass alle Versuche nachträglich ausführlich erfasst werden. Nur so kann eine Versagensquote ermessen werden. Außerdem müssen alle Tiere umfassend erfasst werden. Die Länder sollten verpflichtet werden, regelmäßig zu melden, welche Tiere sich aktuell in Versuchen befinden.

Um endlich abschätzen zu können, wie viele Tiere aufgrund der Tierversuchsindustrie jedes Jahr zu Tode kommen, müssen zudem auch die Tiere erfasst werden, die außerhalb eines Versuchs sterben, etwa in den Zuchtanstalten, im Labor oder auf dem Weg zum Labor.

01.08.2024
Nele Berndt, juristische Referendarin

Quellen

  1. Bundesinstitut für Risikobewertung: Transparenz fördern, um Tierversuche zu vermeiden 29/2021, 01.07.2021
  2. Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere vom 22. September 2010
  3. Durchführungsbeschluss (EU) 2020/569 der Kommission vom 16. April 2020 zur Festlegung eines gemeinsamen Formats für die Vorlage der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere zu meldenden Informationen und deren Inhalt sowie zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses 2012/707/EU der Kommission.
  4. Unionsrecht in den Art. 45, Art. 54 EU RL