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Tierversuche versagen - Patienten werden zu Versuchskaninchen

Eine aktuelle, umfassende Untersuchung des investigativen Nachrichtenportals The Lever in Zusammenarbeit mit dem McGraw Center für Wirtschaftsjournalismus deckt gravierende Missstände im Zulassungsverfahren der US-Arzneimittelbehörde FDA auf (1). Demnach wurden in den vergangenen Jahren hunderte Medikamente zugelassen, obwohl ihre Wirksamkeit nicht nachgewiesen war. Die Ergebnisse werfen nicht nur ein kritisches Licht auf die Zulassungspraxis der FDA – sie erschüttern auch ein vermeintliches Fundament der Arzneimittelentwicklung: die Tierversuche. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche fordert eine Abkehr von Tierversuchen sowie den Einsatz moderner, humanrelevanter Testverfahren.

Wenn Krebspatienten ein Medikament verschrieben bekommen, erhoffen sie sich Heilung oder zumindest eine längere Lebensdauer und bessere Lebensqualität. Wenn Ärzte ein solches Medikament verschreiben, gehen auch sie davon aus, dass seine Wirksamkeit im Zulassungsprozess nachgewiesen wurde (2). Dass dies häufig nicht der Fall ist, belegt nun eine Untersuchung aus den USA.

Die Untersuchung bezieht sich auf 429 Medikamente, die zwischen 2013 und 2022 von der FDA zugelassen wurden. Die Analyse zeigt, dass 73 Prozent dieser Medikamente nicht die vier grundlegenden wissenschaftlichen Mindeststandards der FDA erfüllten, wie etwa Wirksamkeitsnachweise aus placebokontrollierten, verblindeten Studien mit klinisch relevanten Endpunkten. 39 Medikamente (9 %) erfüllten keines dieser Kriterien. Besonders problematisch ist dies im Bereich der Krebstherapie, wo fast ein Viertel der neuen Medikamente ohne jede wissenschaftlich belastbare Grundlage zugelassen wurde (1).

„Diese Daten sind ein weiterer erschütternder Beleg für das Versagen der tierversuchsbasierten Forschung“, erklärt Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche. Es ist bekannt, dass über 90 Prozent aller Wirkstoffe, die in Tierversuchen als vermeintlich sicher und wirksam bewertet wurden, nie eine Zulassung erhalten (3). Häufig, weil sie in klinischen Studien am Menschen nicht wirken oder schwere Nebenwirkungen verursachen. Die nun veröffentlichte Untersuchung belegt zusätzlich, dass selbst viele der wenigen Medikamente, die es zur Zulassung schaffen, nicht wirken und zum Teil sogar erheblichen Schaden anrichten.

Die Untersuchung benennt unter anderem das Medikament Elmiron, das 1996 zugelassen wurde, obwohl keinerlei Wirksamkeitsnachweise vorlagen – unter der Bedingung, dass eine entsprechende Studie nachzureichen ist. Diese Studie wurde erst 18 Jahre später veröffentlicht und zeigt, dass Elmiron nicht besser wirkt als ein Placebo. Dennoch blieb es auf dem Markt – trotz hunderter Fälle von Erblindung und dutzender Todesfälle – auch in der EU. Ein weiteres Beispiel ist das Krebsmedikament Copiktra, welches das Leben von Patienten sogar um 11 Monate verkürzte, während es gleichzeitig schwerste Nebenwirkungen verursachte.

„Die aktuelle Untersuchung belegt, dass die Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikaments auf Basis von Tierversuchen nicht funktioniert. Das System produziert nicht nur massenhaft Fehlschläge, sondern gefährdet Patientinnen und Patienten“, so Walter. Vor dem Hintergrund dieser alarmierenden Daten fordert Ärzte gegen Tierversuche eine Abkehr von Tierversuchen in der Arzneimittelentwicklung sowie die Stärkung moderner, humanrelevanter Testverfahren – wie Organoide, Multi-Organ-Chips oder KI-gestützte Modellierungen. Nur so lasse sich langfristig eine sichere, effektive und ethisch vertretbare Medizin entwickeln.

Quellen

(1) Lenzer J. und Brownlee S. FDA Approved — And Ineffective, The Lever, 5. Juni 2025 >> 

(2) Kesselheim, A. S. Physicians’ Knowledge About FDA Approval Standards and Perceptions of the “Breakthrough Therapy” Designation, JAMA 2016; 315(14):1516-1518

(3) Why Are Clinical Development Success Rates Falling? Biomedtracker, 29.04.2024 >>