REACH seit zwei Jahren in Kraft:
Ärzte gegen Tierversuche fordern moderne Chemikalienpolitik ohne Tierversuche
In diesen Tagen ist das europäische Chemikalientestprogramm REACH seit zwei Jahren in Kraft. Es schreibt vor, alle Altchemikalien, das heißt, Chemikalien, die vor 1981 auf den Markt kamen, daraufhin zu prüfen, ob sie für Mensch oder Umwelt schädlich sind. Hierfür sind in großem Stil Tierversuche vorgesehen. Die bundesweit tätige Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche fordert eine moderne Chemikalienpolitik, die sich die große Bandbreite intelligenter tierversuchsfreier Prüfstrategien konsequent zu Nutze macht.
Ursprünglich ging die Politik von rund 30.000 zu testenden Altchemikalien aus. Tatsächlich haben jedoch im Rahmen von REACH 65.000 Firmen rund 150.000 Substanzen vorregistriert. Zurzeit wird bei der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA in Helsinki geprüft, welche dieser Chemikalien mehrfach registriert wurden. Firmen, die die gleichen Substanzen herstellen, müssen sich zu Konsortien zusammenschließen, um Doppelversuche zu vermeiden. Derzeit ist noch unklar, wie viele Tierversuche für wie viele Chemikalien durchgeführt werden. Schätzungen gingen von bis zu 45 Millionen Wirbeltieren, vor allem Ratten und Mäusen, aus.
Laut Ärzte gegen Tierversuche sind diese Giftigkeitsprüfungen nicht nur äußerst grausam, sondern auch vollkommen ungeeignet, um Mensch und Umwelt vor schädlichen Stoffen zu schützen. Bei diesen Tests wird beispielsweise eine Substanz in das Auge von Kaninchen gerieben oder per Schlundsonde in den Magen von Tieren gepumpt. «Liest man die Versuchsbeschreibungen, kann man kaum glauben, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden. Denn die Testmethoden stammen teilweise aus den 30er/40er Jahren des letzten Jahrhunderts und sind seither größtenteils unverändert geblieben«, moniert Diplombiologin Silke Bitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ärzte gegen Tierversuche. »Bei der Chemikalientestung wird wie auch bei der Arzneimittelprüfung nicht berücksichtigt, ob und welche mögliche Gefahr für den Menschen von einer Substanz ausgehen kann, sondern es wird ein sturer Testkatalog aus Tierversuchen abgehandelt, die erwiesenermaßen nicht geeignet sind, um Risiken für den Verbraucher oder die Umwelt zu beurteilen«, so Bitz weiter. Außer einer rechtlichen Absicherung für die Firmen, falls es zu einer Umweltkatastrophe oder Todesfällen kommt, ist nichts gewonnen.
Dass die Firmen ihre Daten austauschen und schließlich für jede Chemikalie nur ein Datendossier einreichen müssen, um Doppel- und Mehrfachtierversuche zu vermeiden, ist gegen den erbitterten Widerstand der Industrie von Seiten der Tierschutzorganisationen durchgesetzt worden. Ob und wie der Datenaustausch kontrolliert werden kann, ist jedoch ungewiss.
Nach Ansicht der Ärztevereinigung ist es neben der ethischen Unvertretbarkeit der Tierversuche inakzeptabel, dass die Politik mit dieser Chemikalienverordnung das Festhalten an veralteten Methoden schürt, anstatt einen durchdachten Weg ganz ohne Tierversuche zu gehen. Der Verein fordert zur Risikoabschätzung von Chemikalien die Auswertung vorhandener Daten aus menschlichen Vergiftungsfällen und die konsequente Anwendung tierversuchsfreier Verfahren, falls weitere Daten notwendig sind. Nur so könne eine Sicherheitsprüfung zum Nutzen von Mensch, Tier und Umwelt erreicht werden.