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Hat die Wissenschaft daraus gelernt?

Das Medikament Contergan (Thalidomid) kam am 1. Oktober 1957 auf den Markt. Die Herstellerfirma Grünenthal versandte ca. 40.000 Rundschreiben an Ärzte und Apotheker, in denen es als das beste Schlafmittel für Schwangere und stillende Mütter bezeichnet wurde.

Bei diesem »wirklich neuen Produkt« habe man die Sicherheit durch ausgedehnte Tierversuche besonders gründlich überprüft. So wurde es zum beliebtesten Schlafmittel. Jahre nach Markteinführung wurden 10.000 an Armen und Beinen verstümmelte Kinder geboren, deren Mütter während der Schwangerschaft Contergan eingenommen hatten.

Die missbildenden Eigenschaften von Thalidomid zeigten sich experimentell erst im Nachhinein und nur bei zwei Tierarten, dem Neuseeland-Kaninchen und einer Affenart. Und das auch nur in sehr hohen Dosierungen. Bei allen möglichen anderen Tierarten von der Maus über Schwein und Frettchen bis zum Gürteltier waren keine missbildenden Eigenschaften festzustellen.

Als Folge der Contergan-Katastrophe müssen in Deutschland seit 1978 Arzneimittel, die neu auf den Markt kommen sollen, ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von neuen Stoffen müssen dabei in Tierversuchen und klinischen Studien nachgewiesen werden. Doch die Arzneimittelsicherheit konnte damit nicht erhöht werden, kritisiert die bundesweite Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche. Immer wieder kommt es beim Menschen zu schweren unerwünschten Wirkungen, da die Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar sind.

Seit Markteinführung bis 2003 wurden mehr als 150 Babys, deren Mütter das Aknemedikament Roaccutan (Isotretinoin) der Schweizer Firma Roche einnahmen, mit Fehlbildungen geboren. Noch wesentlich mehr Schwangerschaften endeten mit Fehlgeburten.(1)

Für die Zulassung eines Medikamentes werden von den Zulassungsbehörden auch sogenannte Teratogenitätsprüfungen verlangt, also Tierversuche, welche die Gefahr für Fehlbildungen des Fetus bzw. Embryos erkennen sollen. Die bundesweite Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche warnt, dass sich nur in 50% solcher Tierversuche eine Übereinstimmung mit dem Menschen zeigt: »Ob das Kind geschädigt wird oder nicht, kann also nur mit gleicher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden, wie der Wurf einer Münze«, so die Experten. Nach Ansicht des Vereins ist es unverantwortlich, dass schwangere Frauen heute noch dem gleichen Risiko für Fehlbildungen und Fehlgeburten bei Einnahme neuer Medikamente ausgesetzt sind wie noch vor 55 Jahren, weil Forscher und Zulassungsbehörden immer noch an den mittelalterlichen, unzuverlässigen Tierversuchen festhalten. Denn auch beim Medikament Roaccutan täuschten die Tierversuche an Mäusen und Ratten eine falsche Sicherheit vor, wie eine Studie bereits 2001 aufdeckte.(2)

Das schon vor über 100 Jahren entwickelte Aspirin würde dagegen heute keine Marktzulassung mehr erhalten, da es bei Hunden, Katzen, Affen, Mäusen und Ratten Embryonalschäden verursacht.

Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche fordert seit langem die konsequente Förderung und Anwendung von tierversuchsfreien Forschungsmethoden statt der Verschwendung von Geldern für gefährliche, völlig veraltete Testmethoden. Innovative, tierversuchsfreie Forschungsmethoden sind ein klarer Fortschritt und nicht ein Ersatz für Tierversuche. Der Verein fordert endlich ein Umdenken in Politik und Forschung. Will Deutschland auch in Zukunft zu den führenden Forschungsnationen gehören, müssen wir uns vom Tierversuch verabschieden und den Weg frei machen für ethische und zuverlässige Forschungsmethoden.

Weitere Infos

Der Text basiert mit freundlicher Genehmigung auf einer Pressemitteilung der Aktionsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner AG STG.

Quellen

(1) Accutane Birth Defects 
(2) Nau H.: Teratogenicity of isotretinoin revisited: species variation and the role of all-trans-retinoic acid. J Am Acad Dermatol. 2001 Nov; 45(5): S183-7