Medizinischer Fortschritt ist wichtig - Tierversuche sind der falsche Weg!
23. November 2020
Krebs ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen weltweit trotz großem Forschungsaufwand und starker finanzieller Förderung.
Es werden zwei Forschungsmodelle in den Fokus genommen; einmal Patient-derived xenografts (PDX; von Patienten stammende Xenotransplantate) und patient-derived organoids (PDO; von Patienten stammende Organoide) von 3 häufigsten Krebserkrankungen von Brust, Darm und Lunge.
PDX-Modelle sind menschliche Tumore, die durch Injektion von Krebszellen oder Biopsien von Krebspatienten in gentechnisch veränderte Tiere mit geschwächtem Immunsystem erzeugt werden.
PDO-Modelle sind 3-dimensionale Tumor-Organoide, die aus Patientenbiopsien in vitro kultiviert werden und die die individuellen Tumormerkmale konservieren.
In der vorliegenden Studie wurde die gesamte Anzahl der Publikationen aus den Jahren 2014 bis 2019 bestimmt, die von Brust-, Darm- und Lungenkrebs handeln. Dann erfolgte eine Aufteilung in die Modelle PDX oder PDO und teils nach Krebsarten, die analysiert wurden.
Viele Tierversuche, wenig neue Methoden in der Anwendung
Über die Jahre bleibt die Gesamtzahl der Publikationen pro Jahr ähnlich, 2019 ist sie etwas niedriger, die Anzahl der mit klinischen Studien assoziierten Publikationen sinkt über die Zeit leicht. PDX ist das bevorzugte Forschungsmodell mit 6.751 Publikationen und 38 Publikationen mit klinischem Bezug.
Dem stehen 130 Publikationen für PDOs gegenüber, bei denen sich ein Anstieg über die Jahre beobachten lässt. Aufgrund der geringen Gesamtanzahl verwundert es wenig, dass lediglich eine Publikation einen klinischen Bezug aufweist. Mit fast 70% Anteil werden vor allem Darmorganoide genutzt. Man muss hierbei bedenken, dass die PDX-Technologie im Gegensatz zu PDOs seit Jahrzehnten etabliert ist.
Tierfreie, humanbasierte Forschung ist stark unterfinanziert
Die finanzielle Förderung in den USA und UK erhöhte sich über die Jahre für alle 3 Krebsarten; insbesondere die Brustkrebs-Forschung wird stark finanziert. Auffällig ist, dass oft tierfreie und tierbasierte Ansätze innerhalb des gleichen Projekts verfolgt werden. Problematisch und intransparent ist, dass den Publikationen häufig nicht zu entnehmen ist, ob es sich um eine rein tierversuchsfreie Forschung handelt.
Während 127 PDX-Projekte mit insgesamt 53 Mio. US-Dollar gefördert werden, fallen für die 10 PDO-Projekte 4,4 Mio. US-Dollar ab.
In der EU wurden 13 PDX-Projekte mit 18 Mio. € (durchschnittlich 1,5 Mio. €) gefördert und 5 PDO-Projekte mit 4,7 Mio. € (durchschnittlich 0,9 Mio. €). Generell ist in der EU humanrelevante, tierfreie Forschung massiv unterfinanziert: hier werden lediglich 0,036% der Forschungsgelder investiert.
In der EU werden knapp 10 Mio. Tiere pro Jahr in Tierversuchen verwendet. 70% davon sind Mäuse, die wiederum 90% der in der Krebsforschung eingesetzten Tiere ausmachen. In den USA werden bei den Tierversuchszahlen Mäuse, Ratten, Fische und Vögel ausgeschlossen, so dass hier keine Daten vorliegen, wie viele Mäuse in der Krebsforschung verwendet werden.
Ursachen und Lösungsansätze
Die NIH (National Institutes of Health, USA) investieren ca. 5 Mal mehr Geld in PDX als in PDO. PDO aber erhalten die patienten- und tumorspezifische Biologie, Gen-Medikamenten-Interaktionen können untersucht werden, Biobanken werden ermöglicht, Mittel/Hochdurchsatzfähigkeit ist gegeben, so dass sie schneller und günstiger sind. Sie weisen daher ein höheres und vielversprechenderes Potential auf als ineffiziente „Tiermodelle“. Allerdings müssten Organoid-Modelle für komplexere Krebsarten (z.B. Glioblastoma) verbessert werden – auch hier wäre verstärkte finanzielle Förderung wichtig.
Diese Gelder sollten laut Autoren auch nicht dazu eingesetzt werden, um Organoide gegen Tiermodelle zu validieren, sondern um herauszufinden, wie gut Organoide die menschliche Physiologie widerspiegeln und wie somit Therapien entwickelt und/oder verbessert werden können. Die Erfolgsrate für Krebsmedikamente liegt bei unter 4%; diese Quote hat sich über 15 Jahre nicht wesentlich verändert.
Neben vielen Faktoren scheint der Hauptgrund dafür die suboptimale präklinische Testung (d.h. die überwiegend tierexperimentelle Phase) zu sein. Daher ist es wichtig, humanbasierte Methoden voranzubringen, um schneller Resultate neuer Medikamente oder Medikamenten-Kombinationen zu erhalten und schneller diese in der Klinik zu testen, zumal Krebsmedikamente der größte Kostenfaktor im Gesundheitswesen sind.
Dass es im Rahmen der vorliegenden Analyse nur eine PDO-Publikation mit klinischem Bezug gibt, lässt vermuten, dass es Hindernisse in der Anwendung der neuen Methoden gibt. Würde es sich um die Zulassung von neuen Medikamenten handeln, wäre es erklärbar, da bestimmte Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben sind, aber es handelt sich hier um Grundlagen- und angewandte Forschung, wo Tierversuche nicht vorgeschrieben sind.
Mögliche Gründe sind: regulatorische Passivität, geringe Finanzierung, Nichtverfügbarkeit von menschlichem Gewebe, Mangel an Anreizen, das Potenzial von tierversuchsfreien Methoden zu erforschen, fehlende Verfügbarkeit von Informationen über geeignete Ersatzmodelle, mangelnde Integration von In-vitro- und In-vivo-Forschung und die Möglichkeit, dass Tradition und Konservatismus dazu führen könnten, dass Forscher zögern, das Potenzial von tierversuchsfreien Ersatzmethoden zu erforschen.
Hier muss mit geeigneten Maßnahmen wie vermehrte finanzielle Förderung von humanrelevanten Forschungsprojekten und Trainingsprogramme für diese Methoden gegengesteuert werden.
Originalpublikation
Lindsay J. Marshall, Marcia Triunfol, Troy Seidle. Patient-Derived Xenograft vs. Organoids: A Preliminary Analysis of Cancer Research Output, Funding and Human Health Impact in 2014–2019. Animals 2020; 10 (1923); doi:10.3390/ani10101923
11. März 2021
Die Studie beschreibt, wie die konsequente Anwendung der vielversprechenden Organ-auf-dem-Chip (OoC) Technologie die Kosten in der Medikamentenentwicklung um 10–26% reduzieren kann. Dies entsprächen bis zu 700 Millionen US Dollar pro Medikament. Die Autoren argumentieren, dass die OoCs bessere Vorhersagen als die üblichen Methoden zum Testen von Medikamentenkandidaten wie Tierversuche und einfache 2D-Zellmodelle machen. Laut der Studie würde die Anwendung von OoCs zu genaueren Resultaten in der präklinischen Phase der Medikamentenentwicklung führen, was die Kosten direkt und signifikant senken, die Erfolgsquote erhöhen und die Entwicklungszeiten verkürzen wird.
Pharmaunternehmen rechtfertigen die hohen Arzneimittelpreise häufig mit den Kosten für die pharmazeutische Forschung und Entwicklung (R&D), die ca. 660 Mio. – 2,76 Milliarden US Dollar pro Medikament betragen. Die Hauptkostentreiber sind die Erfolgsraten, die Entwicklungszeit und die direkten Projektkosten. Diese Kostentreiber unterscheiden sich erheblich zwischen den R&D-Phasen. Die präklinische Phase, an deren Ende die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamentenkandidaten an Tieren getestet wird, kostet viel weniger als die drauf folgenden klinischen Phasen I-III mit menschlichen Probanden und Patienten. Etwa 60–75% aller Projekte, die in den billigen nicht-menschlichen präklinischen Phasen erfolgreich sind, scheitern in der teuren Phase II und 20–30% in Phase III. Zu etwa 50% ist dies auf eine unzureichende Wirksamkeit des Medikaments und zu 15–25% auf Sicherheitsbedenken zurückzuführen. Das Versagen in der klinischen Phase wird daher als Haupttreiber der R&D-Kosten angesehen und ein Hauptgrund dafür ist die mangelhafte Vorhersagekraft von tierexperimentellen Studien und einfachen In-vitro-Modelle für die menschliche Physiologie.
Die Autoren der Studie befragten 15 Experten aus den Bereichen der OoC-Technologie und Forschung und Entwicklung, um abzuschätzen, wie sich die Anwendung von OoCs auf die R&D-Kosten in den nächsten 5 Jahren auswirken würde. Dabei wurden gefragt, welche R&D-Phasen am meisten von den OoCs beeinflusst werden können und wie sich die drei Hauptkostentreiber – Erfolgsrate, Entwicklungszeit und Projektkosten - verändern würden.
10-26% niedrigere Medikamentenentwicklungskosten
Die Experten schätzten, dass die Anwendung von OoCs die R&D-Kosten um 10–26 % in 5 Jahren reduzieren würde, was zwischen 66 – 169 bis 276 - 706 Millionen US Dollar pro Medikament bedeuten würde. Die meisten Einsparungen wären in der präklinischen Phase möglich, bei der die Experten 73% niedrigere Projektkosten, 80% höhere Erfolgsquoten und 40% niedrigere Entwicklungszeiten erwarten, die aus dem Einsatz der OoCs resultieren würden.
Die Experten schätzen, dass dank der besseren Vorhersagekraft der OoCs schnelle und bessere Entscheidungen bei der Auswahl der Medikamentenkandidaten für die teuren klinischen Studien getroffen werden können. Die meisten Vorteile werden bei der Testung der Wirksamkeit gesehen.
Regulatorische Anerkennung dringend erforderlich
Damit OoCs grundsätzliche Verbesserungen im R&D-Prozess und bei den Kosten der Medikamentenentwicklung erzielen können, müssen diese Modelle sowohl biologisch als auch technisch weiterentwickelt werden, um die menschliche Physiologie besser nachzuahmen und leicht automatisierte Analysen zu ermöglichen. Ein sehr wichtiger Aspekt ist die regulatorische Anerkennung der OoCs als zugelassene Testsysteme in der präklinischen Phase.
Fazit
Mittels breiter Anwendung von OoC statt Tierversuchen könnten die Kosten in der Medikamentenentwicklung um 10 – 26% reduziert werden, was bis zu 706 Millionen US Dollar weniger pro Medikament entspricht. Die Kostenersparnis wäre vor allem auf die stark erhöhte Vorhersagekraft der OoCs gegenüber Tierversuchen zurückzuführen, wodurch es weniger Ausfälle in den klinischen Phasen gäbe.
Dr. Dilyana Filipova
Originalartikel
Nora Franzen, Wim H. van Harten, Valesca P. Retèl, Peter Loskill, Janny van den Eijnden-van Raaij, Maarten I Jzerman: Impact of organ-on-a-chip technology on pharmaceutical R&D costs. Drug Discovery Today 2019; 24: 1720-1724
Wichtige Erkenntnisse durch Mini-Brains vom Menschen
11. März 2021
Die Suche nach der Ursache für Tuberöse Sklerose, eine neurologische Entwicklungsstörung, erfolgte bisher vor allem in „Mausmodellen“. Eine Studie mit Mini-Brains von Patienten stellt jetzt die dort gewonnenen Erkenntnisse in Frage.
Die tuberöse Sklerose ist eine seltene neurologische Entwicklungsstörung, die -neben Veränderungen in anderen Organen - vor allem zu charakteristischen Fehlbildungen in der Hirnrinde und zu gutartigen Tumoren in bestimmten Hirnregionen führt. Viele Patienten leiden unter neuropsychiatrischen Symptomen wie epileptischen Anfällen, Autismus und kognitiven Einschränkungen.
Bisher ging man von einer rein genetischen Ursache dieser Erkrankung aus, nämlich der Mutation eines von zwei Genen (TSC1 oder TSC2), die für Proteine kodieren, durch die übermäßiges Gewebewachstum verhindert wird. Aufgrund einer autosomal-dominanten Vererbung sollte dabei als Grundlage für die Entstehung der Erkrankung die Mutation eines Allels von entweder TSC1 oder TSC2 ausreichen. Erfolgt dann zusätzlich eine spontane Veränderung im zweiten Allel, so käme es zur Ausprägung der Symptome. Diese Hypothese stützte sich auf Daten aus Tierversuchen, bei denen man bei Mäusen nach Inaktivierung des entsprechenden zweiten Allels die Krankheit auslösen konnte.
Patientenproben sprachen allerdings gegen diese Erklärung, da deren genetische Analysen nur in den Tumoren den Verlust des zweiten Allels aufwiesen, nicht aber in den Veränderungen der Hirnrinde. Außerdem zeigten die Mäuse nicht das gesamte Spektrum der charakteristischen Krankheitssymptome.
Die Autoren der Studie stellten deshalb die Hypothese auf, dass nicht der Verlust des zweiten Allels, sondern spezifische Aspekte der menschlichen Gehirnentwicklung die Krankheit auslösen könnten. Um dieser Vermutung nachzugehen, züchteten sie aus induzierten pluripotenten Stammzellen von Patienten Hirn-Organoide, die Mutationen im TSC2-Gen trugen. Diese Mini-Brains rekapitulierten dabei das Auftreten von Tumoren und der für die tuberöse Sklerose typischen Veränderungen in der Hirnrinde. Mittels weiterer Untersuchungen (RNA-Sequenzierung und Histologie) wurde mit den sogenannten CLIP-Zellen ein spezifischer Neuronen-Zelltyp identifiziert, dessen Vermehrung durch die Proteine, für die TSC2 bzw. TSC1 kodieren, reguliert wird. Liegt eine Mutation dieser Gene und damit ein Mangel der entsprechenden Proteine vor, so kommt es durch übermäßige Vermehrung der CLIP-Zellen zur Ausbildung der typischen Hirnanomalien (Tumorbildung und Gewebeveränderungen).
Im Laufe der Evolution kam es zu einer Vergrößerung des menschlichen Gehirns, welche auch mit einer Weiterentwicklung der Nerven- und deren Vorläuferzellen begleitet wurde. CLIP-Zellen (Caudal Late Interneuron Progenitors) findet man deshalb nur während einer bestimmten Entwicklungsphase des menschlichen Gehirns, nicht aber bei Mäusen. Laut Autoren verdeutlicht das Ergebnis der Studie, wie wichtig es ist menschliche Modelle für die Erforschung von Krankheiten zu verwenden. Denn für deren Entstehung sind meistens mehrere, vor allem humanspezifische Faktoren relevant, die nicht mit „Tiermodellen“ nachvollzogen werden können.
Quelle:
Eichmüller, L. Oliver et al: Amplification of human interneuron progenitors promotes brain tumors and neurological defects. Science 2022; 375(6579): eabf5546
28. Juli 2022
Präklinische Forschung bezeichnet den Abschnitt der Medikamentenentwicklung, der den klinischen Studien am Menschen vorausgeht. Dieser Abschnitt umfasst sowohl In-vitro-Studien, etwa mit Zellkulturen oder Organoiden, als auch Tierversuche.
Während Tiere und Tiermodelle bereits lange in dieser präklinischen Forschung verwendet werden, war bis vor gut 20 Jahren eine systematische Analyse verschiedener Tierversuchsstudien zu einem bestimmten (potenziellen) Medikament nicht üblich. Ausschlaggebend war der Fall Horn und Limburg, die feststellten, dass die Tierversuchsstudien bei genauer Analyse gar keine vorteilhafte Wirkung zeigten, obwohl diese Annahme der ursprüngliche Grund war, weshalb die Substanz in die klinische Phase eintrat. Neben der Übertragbarkeitsproblematik tat sich nun ein weiteres Problem auf: die Aussagekraft von Tierversuchsstudien in Abhängigkeit von der Durchführung und Interpretation.
UK
Bei 1 von 1000 klinischen Studien wurde eine Meta-Analyse durchgeführt, aber nur bei 1 von 10.000 Tierversuchsstudien. Hieraus ergeben sich 22 klinische Studien mit 6.400 Teilnehmern, die durch eine systematische Bewertung der Tierversuche den Risiken potenzieller Nebenwirkungen hätten entgehen können, zudem hätte dies eine Menge Kosten gespart.
Die Fachpublikation Pound et al. 2004 stellte fest, dass es wenig belastbare Daten dafür gibt, dass Tiere geeignet für präklinische Forschung sind und dass eine systematische Analyse von Tierversuchsdaten dazu beitragen kann, diesen Sachverhalt besser zu beurteilen. In der Wissenschaftswelt sorgte diese Publikation für Unruhe, von Abraten der Publizierung bis hin zu fachlicher Diskreditierung der Autoren. Parallel veröffentlichte die Royal Society eine Art Gegenentwurf, dass Tierversuche einen großen Beitrag zu den medizinischen Erfolgen geleistet hätten – ohne diese Aussagen anhand von Quellen und Referenzen zu belegen.
Nichtsdestotrotz zog dies einige präklinische systematische Reviews nach sich, die finanziell gefördert wurden und auch die CAMARADES-Kollaboration hervorbrachten.
CAMARADES
CAMARADES (Collaborative Approach to Meta-Analysis and Review of Animal Data from Experimental Studies) koordiniert systematische Reviews und unterstützt Wissenschaftler bei selbigen. Zudem gibt sie Empfehlungen zu präklinischer Studienkonzeption. 2007 stellte sie fest, dass von 6 Therapien, die im Menschen einen positiven Effekt hatten, die zugehörigen Tierstudien in nur 2 Fällen im Ergebnis übereinstimmten, in einem Fall die Ergebnisse teilweise übereinstimmten und in 3 Fällen die Ergebnisse von Tier und Mensch nicht übereinstimmten. Dies läge entweder an der Konzeption der Tierstudien oder daran, dass Tiermodelle menschliche Krankheiten und Therapieansprache nicht adäquat widerspiegeln.
Niederlande
2012 wurde von Ritskes-Hoitinga SYRCLE (Systematic Review Centre for Laboratory Animal Experimentation) gegründet, da sie zu der Überzeugung gelangte, dass präklinische systematische Reviews besser geeignet sind, die Ziele des 3R-Konzepts zu erreichen, als dem 3R-Konzept selber zu folgen. Das zuvor von ihr gegründete 3R-Zentrum hatte nicht die erhofften Effekte gezeigt. Durch diese Bemühungen nahm das niederländische Parlament einen Antrag an, der systematische Überprüfungen als verpflichtenden Lerninhalt bei Versuchstierumgang festlegt.
SYRCLE
Das erste Symposium 2012 ging der Frage nach, warum präklinische Tierversuchsstudien niedrigere Standards zu haben schienen, obwohl diese Voraussetzung für die anschließenden Studien in Menschen sind. In Kollaboration mit der Evidence-Based Toxicology Collaboration, die zur ähnlichen Zeit in den USA gegründet wurde, entstand eine Datenbank zu systematischen Reviews von Tierversuchsstudien. Mittels des Anschlusses an Evidence Synthesis International entstand ein weltumspannendes Netzwerk.
SYRCLE erarbeitete Richtlinien, Empfehlungen und Checklisten als Training für Wissenschaftler für größtmögliche Transparenz zur Vermeidung von Mehrfachtestungen. Eine Untersuchung im Auftrag des niederländischen Parlaments zeigte 2014 auf, dass die meisten Wissenschaftler gar nicht mit der Methode der systematischen Reviews vertraut sind, so dass daraufhin ein Workshop gefördert wurde; in 8 Jahren nahmen 400 Wissenschaftler teil. Durch ein e-Learning-Angebot konnten zudem 4.000 Wissenschaftler aus 65 Ländern erreicht werden. Es zeigte sich, dass der Tierverbrauch an der Radbound University, an der SYRCLE gegründet wurde, seit Gründung um 35% zurückging, während im gleichen Zeitraum in den Niederlanden ein Rückgang von lediglich 15 % zu verzeichnen war.
Ergebnisse der systematischen Reviews
Insbesondere im Bereich der neurologischen präklinischen Forschung und in der Schlaganfallforschung, aber auch in anderen Bereichen wurde belegt, dass der Wert der Tierversuchsergebnisse viel zu hoch eingeschätzt wird. Ein schlechtes experimentelles Design, kleine Tierkohorten, fehlende Basisinformationen und die Ignoranz negativer Versuchsergebnisse wurden u.a. als Begründungen angeführt, warum die Ergebnisse aus Tierversuchsstudien keine belastbaren Daten ergeben. Die ARRIVE Richtlinie und die Initiative EQIPD (European Quality in Preclinical Data), letztere mit 58 verfassten Empfehlungen, sollen hier gegensteuern.
Entwicklungen der letzten Zeit
Ritskes-Hoitinga wurde stark aus den eigenen Reihen kritisiert für ihre Meinung, dass Tierversuche um 80 % reduziert werden könnten. Ioannidis bekräftigte aber dies, sprach sogar von 90 %.
Selbst wenn alle möglichen Fehler in tierexperimentellen Studien beseitigt werden könnten, wären aber immer noch die Speziesunterschiede zwischen Tier und Mensch für eine unzuverlässige Übertragung der Ergebnisse verantwortlich. Wird der Nutzen für den Menschen mit dem Leid der Tiere aufgewogen, sind nur weniger als 7 % von insgesamt 212 untersuchten Tierversuchsstudien positiv zu verargumentieren.
Trotz des großen Nutzens der Reviews können auch diese nur eine Bewertung darüber abgeben, wie hoch die Qualität von Tierversuchsstudien ist. Das bedeutet aber nicht, dass dies eine verlässliche Aussage darüber sein muss, wie gut sich diese Ergebnisse auf Menschen übertragen lassen in Hinblick auf die Sicherheit der Probanden und/oder die Effektivität gegen eine Krankheit.
Obwohl die Anzahl systematischer Reviews nach wie vor sehr niedrig ist und es lediglich 2 weitere Symposien gab, wurden SYRCLE 2021 alle Gelder eingestellt.
Nichtsdestotrotz haben die Bemühungen eine Debatte angestoßen, präklinische Tierversuche nicht ethisch, sondern wissenschaftlich offen in Frage zu stellen. Die systematischen Reviews haben nicht nur die Nachteile der Tierversuche an sich offenbart, sondern auch deren Unvermögen, die Reaktion des Menschen vorherzusagen.
Da die Tiermodelle nicht oder nur ungenügend menschliche komplexe Krankheitsbilder widerspiegeln und zudem die Speziesunterschiede bestehen, stellen die Autoren die Frage in den Raum, ob es tatsächlich sinnvoll ist, so viele Gelder in die Verfeinerung der Modelle zu investieren, wenn die Speziesunterschiede und damit die Übertragbarkeitsprobleme sowieso bestehen bleiben.
Größeres Potenzial ohne die translationalen Hindernisse bieten die humanbasierten Forschungsmethoden wie Organoide, Multi-Organ-Chips sowie In-silico-Methoden, die bereits bessere Ergebnisse als Tierversuche liefern. Anscheinend trennt sich die wissenschaftliche Landschaft aber nur ungern von den althergebrachten Methoden: während 80 Autoren von Schlaganfallstudien die Speziesunterschiede als ernstes Problem zugeben, spricht sich nur ein Autor für die Verwendung von humanrelevanten Methoden aus.
Positive Strömungen sind aber zu beobachten: CAMARADES ist nach wie vor aktiv, in Großbritannien schließen einige Tierversuchslabore und das neue Programm „Experimental Medicine“ fokussiert sich auf humanrelevante Methoden. Die Niederlande möchten durch ihren „Transitionsplan“ Vorreiter für humanrelevante Methoden werden und die USA will aus der Verwendung von Säugetieren bei Chemikalientestungen aussteigen. 2021 beschloss das EU-Parlament mit 667 zu 4 Stimmen, dass ein Ausstiegsplan entwickelt werden soll.
Fazit
Selbst, wenn sämtliche tierexperimentelle Studien vermeintlich optimiert werden würden, stehen die Speziesunterschiede einer verlässlichen, sicheren Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen im Wege. Anstatt sich auf die Verfeinerung unzulänglicher Tiermodelle zu konzentrieren, sollten lieber humanrelevante Methoden weiterentwickelt und eingesetzt werden, da so das Problem der Übertragbarkeit vermieden wird.
28.07.2022
Dipl. Biol. Julia Radzwill
Originalartikel
Merel Ritskes-Hoitinga, Pandora Pound. The role of systematic reviews in identifying the limitations of preclinical animal research, 2000 – 2022. JLL Bulletin: Commentaries on the history of treatment evaluation 2022
10. August 2022
Eine im Mai 2022 in der Fachzeitschrift PLOS Biology erschienene Studie attestiert den Ergebnissen von Tierversuchen mangelhafte Reproduzierbarkeit, also Wiederholbarkeit. Das heißt, die Ergebnisse aus identisch aufgebauten Tierversuchen können vollkommen unterschiedlich sein. Um das herauszufinden, wurden Tierversuche zum Angstverhalten an Mäusen durchgeführt.
In der tierexperimentellen Wissenschaftswelt gilt es als Goldstandard, das Setup eines Versuchs so homogen wie möglich zu gestalten, indem genetisch identische Tiere, meist gleichen Geschlechts und Alters, verwendet werden und die Ausstattung der Käfige sowie das Prozedere in der Versuchsdurchführung einheitlich sind. So sollen Ergebnisse generiert werden, die stets reproduzierbar, d.h., wiederholbar, sind.
Da dies in der Praxis aber häufig nicht gelingt und es vielmehr trotz standardisierter Bedingungen in einem anderen Labor oder bei Wiederholung des Versuchs zu einem anderen Zeitpunkt zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, sollen Ursachen dafür gesucht werden. Die Versagensquote, bereits publizierte Ergebnisse in Wiederholungsexperimenten zu bestätigen, liegt bei 50 bis 90 %.
Aus zahlreichen Studien ist bereits bekannt, dass der Experimentator wie u.a. dessen Geschlecht oder sein Umgang mit den Tieren im Labor, Einfluss auf die Versuchsergebnisse haben. Unter Federführung von Wissenschaftlern der Universität Münster wurde nun dieser Einfluss in drei Laboren an unterschiedlichen Standorten (Münster, Oldenburg, Bern in der Schweiz) untersucht. Zwölf Experimentatoren führten dabei in den drei Laboren an mindestens 288 weiblichen Inzucht-Mäusen Verhaltensversuche, wie den Open-Field-Test zur Untersuchung des Angstverhaltens, durch. Eine Maus wird als ängstlich eingestuft, wenn sie sich vorwiegend im geschützten, dunklen Bereich eines Versuchsfelds aufhält und als mutig, wenn sie die offenen, hellen Bereiche betritt.
Hierbei wurde verglichen, ob ein Versuch unter standardisierten Bedingungen mit nur einem Experimentator sich in der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse von einem Versuchsaufbau unterscheidet, der von mehreren Experimentatoren durchgeführt wird.
Im Ergebnis zeigte sich, dass zwischen den drei Standorten einige Ergebnisse nicht reproduzierbar waren, und zwar sowohl hinsichtlich des Versuchsaufbaus mit nur einem Experimentator, als auch des unter Beteiligung mehrerer Experimentatoren. Der Einfluss des Experimentators war mit durchschnittlich 5 % verantwortlich für die Unterschiede in den Ergebnissen, spielte also nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr war der Standort entscheidend, also in welchem Labor der Versuch durchgeführt wurde, was durchschnittlich 25 % der Variation ausmachte.
Überraschung äußern die Autoren zudem darüber, dass zu 41 bis 72 % nicht erklärbare Unterschiede zwischen den einzelnen Mäusen für die große Varianz der Ergebnisse verantwortlich ist. Unterschiede zeigten sich beispielsweise darin, wie lange eine Maus sich jeweils im ungeschützten Bereich des Versuchsfelds aufhält. Auch vollkommen widersprüchliche Schlussfolgerungen bezüglich des Aufzuchtverhaltens waren zu beobachten, was die Autoren als Beispiel für eine stark eingeschränkte Reproduzierbarkeit bezeichnen.
Die Erkenntnis der Autoren ist, dass die biologischen Variationen eine große Rolle bei Tierversuchen spielen. Sie räumen ein, dass bei Tierversuchen außer Acht gelassen wird, dass ein lebender Organismus auf seine Umgebung reagiert, was ein Grund für die mangelnde Reproduzierbarkeit sein kann. Sie folgern daraus, dass man zukünftig bessere Strategien braucht, um diese Variation kontrolliert im Versuchsdesign zu integrieren, anstatt sie wie bisher zu eliminieren, um auf diese Weise eine bessere Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu erzielen. Die Autoren halten weitere Studien für erforderlich. Gefördert wurde die Arbeit von der DFG, also auch vom Steuerzahler.
In dieser Studie geht es noch nicht einmal um die Frage nach der Validität, also die wissenschaftliche Aussagekraft und die Übertragbarkeit von tierexperimentellen Ergebnissen auf den Menschen. Der Tierversuch als systemimmanente Störung wird nicht in Frage gestellt. Dennoch wird deutlich, dass selbst Ergebnisse aus Versuchen innerhalb einer Spezies nicht reproduzierbar sind und damit auch nicht von einer Maus auf eine andere übertragbar sind und ebenso wenig eine Aussagekraft für den Menschen haben können. Ein Tier ist nun einmal keine Maschine, sondern ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Gefühlen. Dieses Wissen ist natürlich schon lange bekannt, was es umso fragwürdiger macht, warum hier eigens ein Tierversuch konstruiert wurde, indem zahlreiche Mäuse leiden mussten. Anstatt per se unzuverlässige Tierversuche zu optimieren, wäre es sinnvoll, humanbasierte Modelle zu nutzen, die reproduzierbar sind und zudem relevante Ergebnisse liefern.
Originalstudie
Vanessa Tabea von Kortzfleisch, Oliver Ambrée, Natasha A. Karp, Neele Meyer, Janja Novak, Rupert Palme, Marianna Rosso, Chadi Touma, Hanno Würbel, Sylvia Kaiser, Norbert Sachser und S. Helene Richter (2022): Do multiple experimenters improve the reproducibility of animal studies? PLOS Biology 20(5): e3001564
Zusammenfassung: Dipl.-Biol. Silke Strittmatter
Weniger und kürzere Tierversuche und verstärkter Einsatz von tierversuchsfreien Methoden erlaubten die beispiellos schnelle Corona-Impfstoffentwicklung.
15. August 2022
In einer umfangreichen Literaturanalyse und nach Befragungen von 11 Experten aus relevanten Interessensgruppen untersuchen die Autoren, warum die Entwicklung des Pfizer/BioNTech Corona-Vakzines viel schneller als die übliche Impfstoffentwicklung erfolgt ist. In der Studie stellt sich heraus, dass die Anzahl der durchgeführten Tierversuche reduziert wurde und mehr tierversuchsfreie Methoden verwendet und akzeptiert wurden. Außerdem begannen Studien am Menschen früher und wurden nicht erst nach den Tierversuchen durchgeführt, sondern parallel dazu. Die Aufsichtsbehörden akzeptierten zudem historische Daten aus früheren Impfstoffforschungen.
Durchschnittlich dauert es 10 bis 15 Jahre bis ein neuer Impfstoff entwickelt und zugelassen wird. Zwei bis vier Jahre davon braucht man nur für die gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche, in denen die Sicherheit und die Fähigkeit des Impfstoffs, eine Immunantwort zu erzeugen, an mehreren Tierarten getestet wird. In der Regel werden diese Tierversuche abgeschlossen und ausgewertet, bevor der Impfstoff an menschlichen Probanden in der ersten Phase der klinischen Studien erprobt wird. Auch nach der Zulassung müssen Sicherheit und Wirksamkeit jeder Produktionseinheit des Impfstoffs in den sogenannten Chargenprüfungen getestet werden, was häufig mit mehreren Tierversuchen verbunden ist.
Der erste Corona-Impfstoff in Europa, Comirnaty der Pharmaunternehmen Pfizer und BioNTech, wurde innerhalb von weniger als 12 Monaten nach dem ersten dokumentierten Fall einer Corona-Erkrankung zugelassen. Dies steht im krassen Gegensatz zu den üblichen 10-15 Jahren, die für die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen benötigt werden. Nach Beginn der Corona-Pandemie dokumentierten mehrere Medienberichte schon sehr bald, dass viele der sonst üblichen Tierversuche bei der Entwicklung der Corona-Impfstoffe übersprungen würden.
In dieser Studie nehmen die Autoren den Pfizer/BioNTech Corona-Impfstoff als Beispiel und analysieren dabei, wie sich die gesetzlichen Anforderungen für die obligatorischen Tierversuche im Gegensatz zu dem präpandemischen „Normalfall“ unterschieden. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, wie verschiedene Interessensgruppen, einschließlich Zulassungsbehörden und Pharmaunternehmen, das Potenzial für nachhaltige Auswirkungen auf zukünftige Impfstoffentwicklungen sehen.
Hierzu analysierten die Autoren 171 relevante Dokumente, wie z.B. Richtlinien und Anforderungen zur Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), EU-Regularien, Protokolle internationaler Treffen von Interessensgruppen, Peer-Review-Artikel zur Impfstoffentwicklung u.a. Weiterhin führten sie Interviews mit 11 Experten aus den folgenden Interessensgruppen: Vertreter niederländischer und europäischer Zulassungsbehörden, Impfstoffentwickler (Pharmaunternehmen), (Bio-)-Medizinwissenschaftler/Virologen, die an Tierversuchen oder tierversuchsfreien Methoden arbeiten, Tierrechtsorganisationen und niederländische und europäische Politiker.
Weniger Tierversuche, mehr tierversuchsfreie Methoden
Schon am Anfang des Impfstoffentwicklungsprozesses wurden verstärkt schnelle, tierversuchsfreie In-vitro- (d.h. im Reagenzglas) und In-silico- (d.h. computergestürzte) Verfahren sowie menschliche Studien eingesetzt, um die Struktur und die Eigenschaften möglicher Impfstoffkandidaten zu bestimmen. Gleichzeitig wurden deutlich weniger Tierversuche zu diesen Zwecken gemacht. Dabei erlaubte die EMA den Pharmafirmen, viele sonst übliche Tierversuche mit Daten aus menschenrelevanten Methoden zu ersetzen und nur als „essenziell“ betrachtete Tierversuche zur Impfstoffsicherheit durchzuführen. Die Tierversuche zur Prüfung der Wirksamkeit der (Corona-)Impfstoffe wurden laut einer Befragten nicht als „essenziell“ angesehen und die Wirksamkeit konnte deswegen direkt am Menschen getestet werden. Auch spezielle Sicherheitstestungen an Tieren, wie. z.B. zu Karzinogenität, mussten für Comirnaty nicht gemacht werden, weil der Impfstoff bereits ausgiebig genug charakterisiert war. Einige der Befragten sind der Meinung, dass diese Reduktion oder gar die Abschaffung einiger Tierversuche eine nachhaltige Praxis auch für die Zeiten nach der Corona-Pandemie darstellen können.
Tierversuche erst nach Versuchen am Menschen oder parallel dazu
Um die Zulassung der Corona-Impfstoffe weiter zu beschleunigen, hat die EMA den sogenannten „Rolling Review“ verwendet, d.h. alle Testergebnisse wurden umgehend von der Zulassungsbehörde begutachtet. Im Laufe des Rolling Review wurden einige Tierversuche, die üblicherweise vor den Versuchen am Menschen gemacht werden, erst während der klinischen Phase 3 durchgeführt, bei der der Impfstoff bereits an Tausenden Menschen erprobt wurde. Teilweise wurden die Tierversuche sogar erst nach der abgeschlossenen Impfstoffzulassung durchgeführt.
Tierversuchsfreie Chargenprüfungen
Eine weitere Besonderheit von Comirnaty und anderen Corona-Impfstoffen ist, dass alle Chargenprüfungen völlig tierversuchsfrei sind und stattdessen auf modernen In-vitro-Methoden basieren. Laut der Autoren sind diese Techniken präziser, robuster, billiger und haben eine kürzere Bearbeitungszeit als Tierversuche.
Noch ein Unterschied zu der präpandemischen Impfstoffentwicklung ist, dass die EMA Daten aus Tierversuchen akzeptierte, die für andere Impfstoffe mit dem gleichen Wirkmechanismus gemacht wurden. So wurden viele zusätzliche Tierversuche umgangen, was die Geschwindigkeit der Impfstoff-Entwicklung deutlich gesteigert hat.
Pharmaunternehmen: tierversuchsfreie Methoden sind besser, billiger, schneller
Diese Studie befasst sich auch mit der kritischen Frage, inwiefern die hier beschriebene Vorgehensweise bei der Impfstoffentwicklung auch nach der Pandemie etabliert werden könnte - sowohl bei mRNA-basierten, als auch anderen Impfstoffen. Pharmaunternehmen sind bereit, den nächsten Schritt zu tun: Sie halten tierversuchsfreie Methoden für besser, billiger, schneller und wissenschaftlich bedeutsamer. Auf die Frage nach Hürden bei der Umsetzung nannten Befragte aus allen Interessensgruppen die Risikoaversion der Aufsichtsbehörden als Hauptgrund dafür, dass Tierversuche immer noch gefordert und als notwendig erachtet werden.
Fazit
Die Studie zeigt, wie die EMA ihre Zulassungsfrist in Krisenzeiten verkürzte, indem sie die Zahl der Tierversuche reduzierte und tierversuchsfreie Methoden förderte. Sie unterstreicht auch die Bereitschaft der Pharmaunternehmen, zu diesen Veränderungen beizutragen. Ein ständiger Dialog mit den Aufsichtsbehörden ist notwendig, um weniger Tierversuche und mehr tierversuchsfreie Methoden auch zukünftig bei der Impfstoff- und Medikamentenentwicklung einzusetzen. Die Sinnhaftigkeit der Tierversuche, die parallel oder sogar erst nach den Humanstudien durchgeführt wurden, ist mehr als fragwürdig. Abgesehen davon sollte die Vorgehensweise bei den Corona-Impfstoffen jedoch als Präzedenzfall gesehen werden, für eine erfolgreiche Impfstoff- und Medikamententestung ohne Tierversuche.
Quelle
Ritskes-Hoitinga, M. et al.: The promises of speeding up: Changes in requirements for animal studies and alternatives during COVID-19 vaccine approval – A case study. Animals 2022; 12(13):1735
Zusammenfassung:
Dr. rer. nat. Dilyana Filipova