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An der Universität Ulm und an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule (RWTH) Aachen wurden mehrmals jährlich lebende Schweine zerschnitten und getötet. Medizinstudenten und junge Assistenzärzte sollten an den Tieren verschiedene Operationen üben. Den Tieren wurden Teile des Darms und der Leber sowie der komplette Magen herausgeschnitten. Schließlich wurden die Schweine getötet.

Unseren Recherchen zufolge werden an allen anderen medizinischen Unis in Deutschland hervorragende Chirurgen ohne solche grausamen Experimente ausgebildet. Längst gibt es moderne tierfreie Ausbildungsmethoden, die den Studenten viel effizienter und präziser die wichtigen Lerninhalte vermitteln können. Gemeinsame Schreiben der Tierrechtsorganisation PeTA und Ärzte gegen Tierversuche im Oktober 2011 an die Universität Ulm und im Januar 2012 an die RWTH Aachen bewirkten, dass die Operationsübungen an Schweinen mit sofortiger Wirkung und in Zukunft eingestellt wurden!

Hintergrundinfos zur Uni Ulm

Die Operationsübungen an lebenden Schweinen

Den Schweinen wird der Bauch aufgeschnitten, dann wird ihre Gallenblase herausgenommen. Ein Loch wird in den Magen gestanzt, ein Schlauch hineingelegt. Gleichzeitig wird der Hals des Schweines aufgeschnitten, bis die Blutgefäße zu sehen sind, auch in diese werden Schläuche gelegt. Dann werden verschiedene Teile des Darms der lebenden Schweine herausgeschnitten und die Enden wieder zusammengenäht. Schließlich werden den Schweinen der Magen und die halbe Leber aus dem Bauch entnommen. Danach wird der verstümmelte Bauch der Tiere wieder zugenäht, aber das Leid hat damit für die Schweine noch kein Ende: In ihren Brustkorb werden Löcher geschnitten, durch die weitere Schläuche gelegt werden. Dann erst werden die Schweine getötet.

Sowohl das Schneiden als auch die Betäubung der Tiere geschieht durch Studenten oder junge Assistenzärzte. Sind diese – naturgemäß – überfordert, so können Komplikationen, wie z.B. Blutungen oder Narkosezwischenfälle auftreten. In einer Veröffentlichung über den Kurs steht aber explizit: „Kommt es im Verlauf der Operation zu Komplikationen (…), ist zunächst der verantwortliche Assistenzarzt gefordert dieses Problem selbstständig zu lösen. Der (…) Oberarzt ist daher eher als ein Begleiter für Fragen anzusehen (…), greift aber normalerweise nicht ins Geschehen ein.“ (1). Das bedeutet im Klartext, dass die Schweine einfach der Verantwortung junger und unerfahrener Studenten und Ärzte überlassen werden! Wacht also ein Schwein zum Beispiel aus der Narkose auf, sollen die Studenten selber zusehen, wie sie dies in den Griff bekommen, die schrecklichen Schmerzen und Todesängste des Tieres stehen an zweiter Stelle.

All dies geschieht nur zu „Übungszwecken“ , dabei sind die OP-Techniken, die hier gelernt werden sollen, eigentlich erst für fortgeschrittene Chirurgen geeignet und für Studenten überhaupt nicht relevant. So schreiben PETA-Tierärztin Christine Esch und Dr. med. Wolf-Dieter Hirsch, Mitglied von Ärzte gegen Tierversuche und Facharzt für Chirurgie / Viszeralchirurgie sowie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie / Spez. Unfallchirurgie in einem Brief an die Verantwortlichen: „Was den Zeitpunkt des Wahlpflichtkurses im Studium anbelangt, möchten wir anmerken, dass die durchzuführenden Operationen (…) in keinem Falle den Bedürfnissen eines Medizinstudenten oder jungen Assistenzarztes entsprechen, sondern Eingriffe sind, die frühestens zum Ende der Facharztweiterbildung unter Aufsicht durchgeführt werden können.“ 

Tierversuchsfreie Lehrmethoden 

PETA hat der Uni Ulm bereits im Frühjahr 2011 ein umfassendes Dossier mit tierversuchsfreien Lehrmethoden, die genau auf die Lerninhalte des Kurses zugeschnitten sind, zukommen lassen. Beispiele für erprobte und effektive Methoden, die an zahlreichen Unis bereits erfolgreich im Einsatz sind:

  • Verschiedenste Virtual Reality (VR-)Simulationen
  • Schaumstoff- oder Kunststoffmodelle
  • Körperspenden (verstorbene Menschen, die zu Lebzeiten Ihr Einverständnis zur Verwendung ihrer Körper gegeben haben)
  • Lebensgroße Modelle wie z.B. der TraumaMan, eine computergesteuerte Puppe

Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Lerneffekt bei Simulationsmethoden oft größer ist als bei Übungen am Tier. Dazu kommen die großen Unterschiede zwischen der Anatomie und Physiologie bei Mensch und Tier, die den späteren Nutzen in der humanmedizinischen Praxis in Frage stellen oder sogar zur Gefahr für den menschlichen Patienten werden können.

Das deutsche Tierschutzgesetz

Das deutsche Tierschutzgesetz ist hier deutlich. In § 10 heißt es über Eingriffe oder Behandlungen an Tieren zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind: „Sie dürfen nur vorgenommen werden, soweit ihr Zweck nicht auf andere Weise, insbesondere durch filmische Darstellungen, erreicht werden kann.“ Der Kurs, der in Ulm angeboten wird, ist nach Auffassung von PETA Deutschland und Ärzte gegen Tierversuche nicht mit dem deutschen Tierschutzgesetz vereinbar, da genügend tierversuchsfreie Ausbildungsmethoden zur Verfügung stehen.

Wie kam es zur Einstellung der Operationsübungen an der Uni Ulm?

PETA hat die Uni Ulm und die zuständige Behörde bereits im Frühjahr 2011 angeschrieben, ein umfangreiches Dossier über existierende tierfreie Ausbildungsmethoden wurde mitgeschickt. Das Antwortschreiben, das alle Adressaten daraufhin wortgleich zurückschickten, spricht allerdings trotz zahlreicher Belege, die das Gegenteil zeigen, weiterhin von der „Unverzichtbarkeit“ des Kurses für die Ausbildung der Mediziner und von dessen „ethischer Vertretbarkeit“ . Daraufhin haben PETA, Ärzte gegen Tierversuche und Dr. med. Wolf-Dieter Hirsch, Facharzt für Chirurgie / Viszeralchirurgie, Anfang Oktober 2011 einen weiteren Brief an die Verantwortlichen geschickt, in dem Sie erneut appellieren, die grausamen und veralteten Versuche in dem Operationskurs sofort einzustellen und stattdessen moderne, tierfreie Ausbildungsmethoden zu verwenden. Eine massive Online-Protestkampagne sollte die Universitätsleitung zur Einstellung des Übungskurses zu bewegen. Kurz nach Start der Kampagne, reagierte die Uni. Der Operationskurs werde in Zukunft nicht mehr angeboten werden.

Quellen

(1) Brockschmidt C. et al. Operationskurs am narkotisierten Schwein - ein praxisorientiertes Lehrkonzept. 126. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 2009