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Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind nicht nur in Deutschland (1,2), sondern auch weltweit (3) die häufigste Todesursache. Besonders betroffen sind ältere Menschen, aber auch jüngere können an Bluthochdruck, Herzinfarkt, koronarer Herzkrankheit (KHK), Herzklappenfehler oder Herzrhythmusstörungen und weiteren Beschwerden leiden.

Volkskrankheit mit hohen Kosten

2021 starben in Deutschland 340.619 Menschen an den Folgen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, was etwas mehr als ein Drittel aller Todesfälle entspricht. 2020 wurden mehr als 1,5 Millionen Menschen wegen kardiologischer Probleme ins Krankenhaus eingewiesen (4), ungefähr 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden allein an erhöhtem Blutdruck (5). Das bedeutet auch: die Kosten für diesen Bereich sind ebenfalls am höchsten im Vergleich zu anderen Krankheiten, insgesamt machten diese im Jahr 2020 satte 56,7 Milliarden Euro aus (6).

Das erklärt die Dringlichkeit, mit der auf vielen Ebenen gearbeitet werden muss, um diese gigantisch hohen Zahlen zu senken. Daraus ergibt sich besonders in dem Fachgebiet Kardiologie eine Vielzahl an Forschungsprojekten, in denen die Krankheitsmechanismen aufgeschlüsselt werden sollen. Auf der Basis des Verständnisses, wie diese Krankheiten entstehen, können Therapien und Medikamente für den Menschen entwickelt werden.

Medikamente und Therapien

Hier kommt es auf die genaue Erkrankung sowie mögliche Begleiterkrankungen an, ob der jeweilige Patient nur medikamentös behandelt wird, oder ob (zusätzlich) eine OP vonnöten ist. Oft wird im Verlauf der medikamentösen Behandlung aber irgendwann ein operativer Eingriff fällig.

Häufig wird die Bypass-Operation durchgeführt; hier werden den Patienten eine körpereigene Ader oder Vene (meist aus dem Bein) entnommen und mit dieser wird ein verengtes oder verstopftes Gefäß im Herzen quasi umgangen, so dass das Herz wieder gut mit Sauerstoff versorgt werden kann. Ebenso gehört der Ersatz von Herzklappen heute zu einem der Standard-Verfahren in der Herzchirurgie. Kommt das Herz aus dem Takt, kann ein Schrittmacher eingesetzt werden. Es wird oft argumentiert, dass diese Verfahren ja nur dank vorab erfolgten Tierversuchen etabliert werden konnten. Was aber völlig ignoriert wird sind die zahlreichen Verfahren, die nicht zur Anwendung kommen, weil sie - im Gegensatz zu den Tierversuchen – im Menschen nicht funktioniert haben. Zudem muss es im Umkehrschluss noch lange nicht der Fall sein, dass die Verfahren nicht auch ohne qualvolle Experimente am Tier hätten entwickelt werden können. Vor allem ist das aber kein Argument für zukünftige Tierversuche. Die Zukunft können wir ändern, die Vergangenheit nicht. Typische Medikamente zielen z.B. auf das Herz-Kreislauf-System (ACE-Blocker, Beta-Blocker, Digitalis), indem sie den Blutdruck und teilweise auch die Herzfrequenz senken. Andere nehmen Einfluss auf die Blutgerinnung (Acetylsalicylsäure, Heparin und Coumarine), sie verhindern also die Verklumpung der Blutplättchen. Ärzte können sich an speziellen Richtlinien orientieren (7), um ihren Patienten die passende Therapie zu verordnen.

Was bei Betrachtung der Medikamente auffällt: diese Klassen sind schon sehr lange auf dem Markt und damit im Einsatz. Es gibt auch Neuzulassungen, allerdings schaffen es nur etwa 6,6 % der potenziellen Medikamentenkandidaten von der präklinischen Phase bis zur Zulassung (8,9). Das bedeutet: von 100 kardiovaskulären Medikamenten, die in der Präklinik (also vor allem im Tierversuch) wirksam und sicher waren, kommen weniger als 7 auf den Markt, weil sie sich nicht in den klinischen Studien im Menschen beweisen können. Das ist eine schlechtere Quote als der Schnitt durch alle Medikamentenklassen, der bei einer Scheiternsquote von 92 % liegt (10). Damit ist auch eine Erklärung erkennbar: das ganz offensichtliche Unvermögen des Tierversuchs, die Reaktion(en) des Menschen vorherzusagen. 

Tierversuche in der Kardiologie

Es gibt nicht die eine Tierart, welche für Tierversuche in der Kardiologie verbraucht wird. Hunde aber wurden in der Vergangenheit besonders häufig für alle Forschungen rund um das Herz eingesetzt; die Zahl ist zwar gesunken, aber auch heute müssen noch viele Hunde im Labor leiden und sterben. Die am häufigsten verwendete Hunderasse ist der Beagle.

Beagle im Versuchslabor
Beaglehunde werden häufig in kardiologischen Tierversuchen verwendet.

Beaglehunde wurden zum Beispiel in Wuppertal in Versuchen verwendet: Bei einer ersten Operation wird der Brustkorb der Tiere aufgeschnitten und es wird ein Telemetriesensor in die Hauptschlagader (Aorta) eingebracht, zwei Kabel des Sensors werden direkt am Herzen angebracht. Der Brustkorb wird verschlossen. Mit dem Sensor können später Blutdruck und andere Blutmesswerte am unbetäubten Hund gemessen werden. Bei einer zweiten Operation wird der Bauch aufgeschnitten und die rechte Niere mit sterilisierter Seide umwickelt. Acht Wochen nach der Nierenumhüllung erfolgt die dritte Operation, bei der die rechte Nierenhauptarterie durch Einsetzen eines Gefäßstopfens verstopft wird. Durch diese Maßnahmen wird künstlich Bluthochdruck erzeugt. Acht Wochen nach der dritten Operation zeigen alle Hunde einen erhöhten Blutdruck. Ab da beginnt eine 50 Wochen dauernde Testphase, bei der verschiedene Wirkstoffe und Kombinationen getestet werden. Um die Auswirkungen auf den Blutdruck nach einmal täglicher Gabe eines neuen Wirkstoffs, gängigen Blutdrucksenkern oder deren Kombinationen zu bewerten, werden die Hunde beobachtet und untersucht. Was mit den Tieren nach der ein Jahr dauernden Studie passiert, wird nicht erwähnt (11).

Es werden aber auch viele Kleintiere für Experimente verwendet. Bei Mäusen wird ein Herzinfarkt nachgeahmt, indem eine Herzarterie dauerhaft abgebunden wird. Dazu wird der Brustkorb in Narkose auf der linken Seite aufgeschnitten, das Herz freigelegt und eine Arterie des linken Herzens wird mit einem Faden abgebunden. Während der Operation werden den Tieren zusätzlich kleine Pumpen unter die Haut implantiert, über die den Mäusen nach der Operation verschiedene Testsubstanzen gegeben werden und nach spätestens 28 Tagen werden die Tiere getötet (12).

In einem anderen Versuch werden 132 Meerschweinchen verwendet. Den Tieren wird unter Narkose der Brustkorb aufgeschnitten und das freigelegte Herz mit einem auf -196°C gekühlten Metallstab berührt, der das Gewebe abtötet. So soll ein Herzinfarkt simuliert werden. In der folgenden Woche sterben 24 der 132 Meerschweinchen. Sieben Tage nach der Vereisung werden kleine aus menschlichen Zellen gezüchtete Herzgewebestücke auf die entstandene Narbe genäht. Die Tiere erhalten dabei Gewebestücke, die eine unterschiedliche Anzahl von menschlichen Herzzellen oder keine Herzzellen enthalten. Damit die menschlichen Gewebestücke vom Immunsystem der Meerschweinchen nicht abgestoßen werden, wird das Immunsystem der Tiere mit verschiedenen Medikamenten ab dem 3. Tag vor der Operation für 25 Tage unterdrückt. 33 Meerschweinchen sterben nach dem Einsetzen des menschlichen Herzgewebes. Die verbleibenden 75 Tiere werden mittels Herzultraschall untersucht und auf nicht genannte Art getötet (13).

Warum Tierversuche in der Kardiologie scheitern

Das Prinzip des sogenannten Tiermodells wird auch in der Kardiologie angewendet: es werden junge, gesunde Tiere künstlich geschädigt, damit sie Symptome zeigen, die denen des Menschen ähneln. Es wird ja nicht nur in einem fremden Organismus untersucht, der einen anderen Stoffwechsel, eine andere Genregulation und überhaupt eine völlig unterschiedliche Lebensweise zu dem des Menschen hat. Auch die Krankheiten entsprechen nicht den Krankheiten des Menschen, sondern es werden einzelne Symptome hervorgerufen. Es ist aber natürlich etwas ganz Anderes, wenn ein 75-jähriger Mensch aufgrund einer verstopften Arterie, die vielleicht durch ungesunde Lebensweise und ungünstige Nahrungsmittelauswahl über Jahrzehnte nach und nach entstand, einen Herzinfarkt erleidet – oder ob einer jungen, gesunden Maus eine Herzarterie abgebunden wird. Weiter noch: speziell bei Blutgerinnseln ist deren Zusammensetzung davon abhängig, welche Therapie am besten wirkt – ob es hauptsächlich rote oder weiße Blutkörperchen enthält oder wie hoch der Anteil an Fibrinfasern ist, beeinflusst die Eigenschaften des Gerinnsels (14). Das kann kein Tierversuch nachstellen, es ist aber ein wichtiger Faktor. Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Erfolgsquote der potenziellen neuen Medikamente so katastrophal niedrig ist. Fatal ist noch ein anderer Punkt. Durch viele falsche Fährten kann eine Therapie- und Medikamentensuche nicht effektiv sein und nicht den optimalen Output bringen, der möglich wäre.

Andere Modelle werden konstruiert, indem Tiere genetisch manipuliert werden. Es gibt zwar verschiedene genetische Risikofaktoren bei Menschen, aber diese in eine Maus oder eine Ratte hinein zu züchten hilft nicht sonderlich, da diese genetischen Ausprägungen unter einem anderen Stoffwechsel und unter einer anderen Genregulation entstehen, ganz zu schweigen von einer völlig anderen Lebensweise. Zudem werden oft einheitliche, junge und männliche Tiere genommen, womit sich wieder weiter von der Realität entfernt wird, da sich das Risiko im Menschen erst ab 45 bzw. 55 erhöht (15).

Den größten Einfluss, auch bei genetischen Dispositionen, hat aber der Lebenswandel. Unzählige und vor allem auch große, umfangreiche Studien belegen: eine pflanzenbasierte, salzarme Ernährung, die Limitierung bzw. der Verzicht auf tierische Fette und Eiweiße, Vermeidung von Übergewicht, Verzicht auf Zigaretten und Alkohol und eine regelmäßige Bewegung bieten die beste Prävention, um Herz-Kreislaufbeschwerden vorzubeugen (16–18). Besonders interessant: eine Umstellung auf diese (herz)gesunde Kost scheint bei Menschen mit genetischer Vorbelastung das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auf ein Niveau zu senken, welches vergleichbar ist mit Menschen, die keine genetische Vorbelastung haben (19). Selbst bei Kindern sollten die Eltern aufpassen: fehlende Bewegung können bereits im Kinder- und Jugendalter einen negativen Einfluss auf die Gefäße haben (20).

Daran wird auch deutlich, dass sich durch Tabletten oder Operationen nur die Symptome eindämmen und nicht die Ursachen beseitigen lassen. Wenn ein Patient seine Lebensweise nicht umstellt, werden die Probleme zu einem späteren Zeitpunkt entweder wiederauftauchen oder sich verschlimmern und noch mehr Medikamente verordnet werden. Dabei muss immer bedacht werden: keine Wirkung ohne Nebenwirkung, keine OP ohne Risiko. Und: Wird eine verstopfte Arterie wieder geweitet oder ein Blutgerinnsel entfernt, ist die unmittelbare Gefahr zwar gebannt – wenn aber weiter rotes Fleisch mit Wein heruntergespült wird und danach im Fernsehsessel gequalmt wird mit der einen Hand in der Chipstüte, dann ist der nächste Herzanfall fast schon vorprogrammiert.

Da sich nun die Ursachen und die Progression der Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Menschen deutlich von den hoch artifiziellen „Tiermodellen“ unterscheiden, liegt es nahe, die Erkrankungen anders zu erforschen: mittels humanbasierter, tierfreier Forschungs- und Analysemethoden.

Die bessere Wahl: Alternativen

Der große Vorteil der tierfreien, menschenbasierten Techniken ist: es wird im richtigen System geforscht, also mit menschlichen Zellen und mit menschlichem Gewebe. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit Zellen und Geweben von gesunden und (auf natürliche Art und Weise) erkrankten Menschen gearbeitet werden kann – die Vergleiche dieser Daten können dann Rückschlüsse auf die Entstehung der Krankheit geben.

Die Bandbreite ist bereits heute schon enorm und die vorgestellten Methoden und viele weitere können in der NAT-Datenbank, der frei zugänglichen Datenbank für tierversuchsfreie Forschungsmethoden, nachgelesen werden. Dort finden sich Zellkulturmethoden, eine besondere Art hier wären iPSCs, also induzierte Pluripotente Stammzellen. Bei dieser Methode können schmerzfrei z.B. Haarwurzelzellen von Patienten gewonnen werden, die im Labor in Stammzellen zurückprogrammiert werden. Diese können dann zu verschiedenen Körperzellen - also zum Beispiel Herzmuskelzellen – differenziert werden. Mit diesen können dann Forschungen betrieben werden. Diese Zellen können aber weiter kultiviert werden und zu Millimeter großen Mini-Organen, den Organoiden, heranwachsen. Eine Stufe weiter dann der Multi-Organ-Chip: mehrere Organoide können auf einem Chipsystem miteinander über ein Kreislaufsystem verbunden werden. Zudem gewinnt der 3D-Bio-Druck immer mehr an Bedeutung, mit dem sogar schon kleine Herzen aus menschlichen Herzmuskelzellen gedruckt werden können.

Bereits mit klassischen Zellkulturen können humanrelevante Ergebnisse gewonnen werden. In einem In-vitro-Modell für Vorhofflimmern, welches viele Herzpatienten aufweisen, werden Vorhofmyozyten, also Muskelzellen, wie sie in den Herzvorhöfen zu finden sind, mit einer speziellen Labormethode hergestellt. Daraus werden Zelllinien generiert, die eine sogenannte fibrillatorische Aktivität zeigen, also ungeordnete elektrische Impulse, wie sie auch bei Vorhofflimmern beim Menschen auftreten. Gibt man zu diesen Zellkulturen dann Antiarrhythmika (Medikamente, die gegen Vorhofflimmern eingesetzt werden), werden die unkontrollierten Impulse unterbunden. Somit ist dies ein gutes Untersuchungsmodell, auch zur Testung von Medikamenten (21).

Wenn medizinisch notwendige Eingriffe (Biopsien, Gewebeentfernung) gemacht werden müssen, bietet es sich an, bei dieser Gelegenheit etwas Material abzuzweigen, welches dann im Labor für Testungen verwendet werden kann. Beispielsweise wurde ein chirurgischer Eingriff an der Aortenklappe gemacht und das Gewebe immunzytochemisch im Labor untersucht. Die Pathogenese der Aortenklappenverkalkung ist nach wie vor unklar, weshalb auf diese Weise nach den molekularen Mechanismen gesucht wurde. Hier wurde festgestellt, dass ein bestimmter Signalweg eine Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen könnte – und somit ist ein potenzieller Angriffspunkt für neue Medikamente identifiziert (22).

Computermodelle sagen bereits seit ein paar Jahren die Reaktionen des Menschen verlässlicher vorher als Tierversuche es je konnten, weshalb hier großes Interesse und Potenzial steckt. Oft werden auch verschiedene Methoden kombiniert. Zum Beispiel können humane iPSCs zu Kardiomyozyten differenziert werden und die Reaktion von Einzelzellen und Zellverbänden auf ein bestimmtes Medikament wird untersucht. Eine Reizausbreitung über die Herzmuskelzellen wird mit Elektroden gemessen. Reizausbreitungen führen zur Herzkontraktion, so dass mittels Reizausbreitung über Zell(verbände) getestet werden kann, ob bestimmte Medikamente zu Herz-Rhythmus-Störungen führen könnten. Die so gewonnenen Daten werden in ein mathematisches Computermodell eingespeist, welches mögliche Nebenwirkungen neuer Medikamente vorhersagen kann, bevor diese in Probanden getestet werden. So können Medikamententests schneller, sicherer und günstiger gemacht werden (23).

Auch virtuelle Modelle gewinnen an Bedeutung: für das Living Heart Project kollaborieren Forscher, Industrie, Kliniken und Behörden, um ein digitales Herzmodell zu schaffen, mit dem sowohl Medikamententests, Chemikalientestungen als auch Operationen geplant werden können (24).

Es kann sogar ein menschlicher Körperkreislauf nachgebildet werden: in mikrofluidischen Kreislaufsystemen mit iPSCs können herzähnliches Pumpsysteme, die Herzkammern bzw. Herzklappen imitieren, konstruiert werden (25,26).

Zur Untersuchung von angeborenen Herzfehlern und die Auswirkungen auf das sich entwickelnde Herz in der frühen Schwangerschaft können Organoide genutzt werden. Aus iPSCs werden embryonale Herz-Organoide gezüchtet. Setzt man diese verschiedenen Bedingungen aus, z.B. einem zuckerhaltigen, insulinreichen Milieu, was einen Diabetes der Mutter simuliert, können verschiedene Marker beobachtet werden, die auf eine nicht normale Herzentwicklung schließen lassen. Je nach Kulturmedium können ebenso andere mütterliche Krankheiten, andere angeborene Herzerkrankungen sowie Auswirkungen auf das embryonale Herz untersucht werden. Zudem lassen sich Wirkstoffscreening und toxikologische Studien durchgeführt (27). Was die Herzorganoide sogar zeigen: eine Art Herzschlag – sie kontaktieren sich, wie es auch ein „echtes“ Herz macht (28).

Miniherzen der Firma Novoheart
Aus menschlichen Zellen generierte Miniherzen der Firma Novoheart

Dass Organoide und Multi-Organ-Chips eine bessere Aussagefähigkeit haben als Tierversuche, zeigt eine Studie aus den USA: es wurden 10 zugelassene Medikamente untersucht, die sich im Tierversuch als unbedenklich erwiesen hatten, aber bei Menschen zu hochgradigen Nebenwirkungen am Herzen oder in der Leber geführt haben und deswegen vom Markt genommen wurden. Die Forscher analysierten die Effekte dieser Medikamente in Multi-Organ-Chips mit menschlichen Herz- und Leberorganoiden und konnten für 7 von 10 Substanzen zweifelsfrei die bei Menschen festgestellten toxischen Auswirkungen nachweisen, während die Quote im Tierversuch bei 0 von 10 lag (29).

3D-Drucker sind in vielen Privathaushalten bereits im Einsatz, diese unterscheiden sich aber nochmal deutlich von Geräten in Laboren, mit denen 3D-Bioprinting möglich ist. Ein spezieller Drucker mit verschiedenen Biotinten druckt ein nach einem im Computer berechneten und erstellten Modell. Statt mit unterschiedlichen Farben druckt der Biodrucker aus verschiedenen Zellen und Gelen ein Konstrukt. Auch 3D-Druck kann ohne tierische Komponenten durchgeführt werden, was als „clean bioprinting“ bezeichnet wird (30).

Mittels 3D-Biodruck kann somit zum Beispiel ein komplexes Herzorganoid-Modell gedruckt werden. Ein Hydrogel-Gerüst sorgt für die dreidimensionale Stabilität, darin werden Kardiomyozyten, Fibroblasten sowie Endothelzellen eingebettet. Herz-spezifische Funktionalität kann über bestimmte Biomarker nachgewiesen werden. Ebenso wurden Interaktionen zwischen den verschiedenen Zelltypen nachgewiesen. Dieses Modell kann für mechanistische Untersuchungen zu Entstehung und Verlauf von Herzerkrankungen eingesetzt werden, sowie für die Testung von Medikamenten oder Chemikalien und deren Giftigkeit (31).

Eine weitere Anwendung ist künstlicher elastischer Gewebeersatz für Herzbeutel, Herzklappen oder Blutgefäße, welcher individuell – also patientenspezifisch – hergestellt werden kann. Hier wird mittels eines Spinning-Verfahrens mit neuartigen Polymeren z.B. eine Art Hohlstruktur einer Herzklappe hergestellt, welche mit Zellen des Patienten versehen werden. Das Verwachsen mit dem körpereigenen Gewebe wird durch die porösen Strukturen erleichtert. Der Verzicht auf tierische Materialen (z.B. Herzklappen aus Schweinen) hat zudem den Vorteil, dass eine Abstoßungsreaktion unwahrscheinlicher und somit zu einer schonenden Heilungsphase führen wird. Dadurch könnten Intensivpflege und Krankenhausaufenthalte weiter verkürzt werden (32).

Sämtliche Methoden können auch für andere Bereiche wie der Grundlagenforschung für all Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verwendet werden. Die hocheffizienten Verfahren existieren teilweise erst seit einigen Jahren und zeigen jetzt schon vielversprechende Erfolge. Hier liegt großes Potenzial, welches es auszuschöpfen gilt.

23.02.2023
Dipl.-Biol. Julia Radzwill

Quellen

1. Statista Statista: Todesursachen Deutschland, 28.11.2022

2. Statistisches Bundesamt Statistisches Bundesamt: Todesursachen,

3. Statista Statista: Häufigste Todesursachen weltweit 2019, 25.1.2023

4. Deutsche Herzstiftung Herzbericht 2021,

5. Internisten im Netz Herz-Kreislauf-Erkrankungen,

6. Statistisches Bundesamt Statistisches Bundesamt: Krankheitskosten pro Kopf gleichen sich zwischen Männern und Frauen weiter an, 27.7.2022

7. Heidenreich P.A. et al. 2022 AHA/ACC/HFSA Guideline for the Management of Heart Failure: Executive Summary: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Circulation 2022; 145(18)

8. Mullard A. Parsing clinical success rates. 2016; 15(7):447–447

9. Thomas D. et al Clinical Development Success Rates, 2021

10. Arrowsmith J. A decade of change. Nature Reviews Drug Discovery 2012; 11:17-18

11. Vogel J. et al. sGC stimulation lowers elevated blood pressure in a new canine model of resistant hypertension. Hypertens Res 2021; 44(12):1568–1577

12. Hoffmann J. et al. Post-myocardial infarction heart failure dysregulates the bone vascular niche. Nat Commun 2021; 12(1):3964

13. Bode D. et al. Dual SGLT-1 and SGLT-2 inhibition improves left atrial dysfunction in HFpEF. Cardiovascular Diabetology 2021; 20(1):7

14. Saghamanesh S. et al. Non contrast enhanced volumetric histology of blood clots through high resolution propagation-based X-ray microtomography. Sci Rep 2022; 12(1):2778

15. Deutsche Herzstiftung Koronare Herzkrankheit: Ursachen und Risiken,

16. Afshin A. et al. Health effects of dietary risks in 195 countries, 1990–2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. The Lancet 2019; 393(10184):1958–1972

17. Zhao B. et al. Associations of Dietary Cholesterol, Serum Cholesterol, and Egg Consumption With Overall and Cause-Specific Mortality: Systematic Review and Updated Meta-Analysis. 2022; 145(20):1506–1520

18. Stubbendorff A. et al. Development of an EAT-Lancet index and its relation to mortality in a Swedish population. The American Journal of Clinical Nutrition 2022; 115(3):705–716

19. Do R. et al. The Effect of Chromosome 9p21 Variants on Cardiovascular Disease May Be Modified by Dietary Intake: Evidence from a Case/Control and a Prospective Study. PLoS Med 2011; 8(10):e1001106

20. Veijalainen A. et al. Associations of cardiorespiratory fitness, physical activity, and adiposity with arterial stiffness in children. 2016; 26(8):943–950

21. Harlaar N. et al. Conditional immortalization of human atrial myocytes for the generation of in vitro models of atrial fibrillation. Nat Biomed Eng 2022; 6(4):389–402

22. Albanese I. et al. Role of Noncanonical Wnt Signaling Pathway in Human Aortic Valve Calcification. 2017; 37(3):543–552

23. Kügler P. et al. Comparison of in vitro and computational experiments on the relation of inter-beat interval and duration of repolarization in a specific type of human induced pluripotent stem cell-derived cardiomyocytes. PLOS ONE 2019; 14(9):e0221763

24. Living Heart Project | SIMULIATM - Dassault Systèmes®,

25. Chen Y. et al. A microfluidic circulatory system integrated with capillary-assisted pressure sensors. Lab Chip 2017; 17(4):653–662

26. Michas C. et al. Engineering a living cardiac pump on a chip using high-precision fabrication. 2022; 8(16):eabm3791

27. Lewis-Israeli Y.R. et al. Modeling the Effects of Maternal Diabetes on the Developing Human Heart Using Pluripotent Stem Cell–Derived Heart Organoids. 2022; 2(6):e461

28. Hofbauer P. et al. Cardioids reveal self-organizing principles of human cardiogenesis. Cell 2021; 184(12):3299-3317.e22

29. Skardal A. et al. Drug compound screening in single and integrated multi-organoid body-on-a-chip systems. Biofabrication 2020; 12(2):025017

30. Berg J. et al. Clean bioprinting - Fabrication of 3D organ models devoid of animal components. 2021; 38(2):269–288

31. Alonzo M. et al. 3D Biofabrication of a Cardiac Tissue Construct for Sustained Longevity and Function. 2022; doi: 10.1021/acsami.1c23883

32. Fraunhofer IAP. Artificial pericardial tissue from the 3D printer. 2020