Ergebnisse aus Tierversuchen irrelevant
Wissenschaftliche Studien bestätigen Kritik am Tierversuch
Eine aktuelle wissenschaftliche Studie belegt, dass allein schon der Umgang mit Versuchstieren erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse von Tierversuchen hat. Bloßes Anfassen ruft bei Mäusen bereits starke Stresserscheinungen hervor. Die Frankfurter Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche sieht sich in ihrer Kritik bestätigt: Tierversuche sind eine ungeeignete Methode für die Gewinnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Mäuse, Ratten. Kaninchen, Hunde, Gänse und andere Tiere werden durch Routine-Untersuchungen wesentlich mehr gestresst, als bislang angenommen. Die Stressreaktionen verfälschen die Tierversuchs-Daten. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie, die in der Dezember-Ausgabe eines Fachjournals für Versuchstierkunde erschienen ist (1). Verhaltensforscher Dr. Jonathan Balcombe vom amerikanischen 'Ärztekomitee für verantwortungsvolle Medizin'* untersuchte 80 Publikationen zu Eingriffen an Versuchstieren. Allein schon das Hochheben einer Maus ruft bei dem Tier eine Reihe von Körperreaktionen hervor. Stresshormone im Blut steigen, der Puls rast, der Blutdruck geht in die Höhe. Diese Symptome sind noch nach einer Stunde nachweisbar. Auf Routine-Eingriffe, wie Blutentnahmen und Zwangsfütterung mit einer Magensonde reagieren die Tiere mit Angst und Panik. Die Stresswerte im Blut steigen und die Immunabwehr sinkt. Dies geschieht schon vor dem eigentlichen Experiment. Der Autor folgert, dass es "keine humanen Experimente gibt" und dass die Forschungsergebnisse verfälscht werden können.
Für die Ärzte gegen Tierversuche kommt diese Erkenntnis nicht überraschend. "Oft wird als Rechtfertigung angeführt, dass Tierversuche nicht schlimmer seien als eine kleine Injektion. Doch Tierversuche sind immer mit Leid, Qual, Schmerz, Angst und Stress für die Tiere verbunden - sogar schon vor dem eigentlichen Experiment", so Dr. med. vet. Corina Gericke von Ärzte gegen Tierversuche, "Die Übertragung der Versuchsergebnisse von verängstigten und gestressten Tieren auf den Menschen ist noch problematischer ist als ohnehin schon."
Andere wissenschaftliche Studien der jüngsten Vergangenheit bestätigen die Kritik der Tierversuchsgegner. Untersuchungen der Universität Gießen und der University of California Davis zeigen, dass die reizarme Umgebung standardisierter Haltungsbedingungen bei Nagern zu Verhaltensstörungen und dauerhaften Hirnschädigungen führt (2).
Wissenschaftler der London School of Hygiene and Tropical Medicine stellen den Nutzen von Tierversuchen für die Erforschung menschlicher Krankheiten generell in Frage. Die Ergebnisse aus Tierversuchen und klinischen Studien klaffen weit auseinander. Tierversuche sind ungenau, eine Verschwendung von Forschungsgeldern und können zudem Patienten gefährden (3).
Einer weiteren wissenschaftlichen Studie zufolge wird das Leid der Versuchstiere von der Mehrzahl der Experimentatoren regelmäßig zu niedrig eingestuft. Auf dem Formular zur Genehmigung von Tierversuchen wurden "keine" oder "geringe Schmerzen" angegeben, obwohl erhebliche Schmerzen zu erwarten waren. Zwei Drittel der Experimentatoren setzten den Belastungsgrad zu niedrig an, kein einziger zu hoch (4).
* Physicians Committee for Responsible Medicine www.pcrm.org
(1) Balcombe, J., Barnard, N. D. and Sandusky, C. (2004). Laboratory Routines Cause Animal Stress. Contemporary Topics in Laboratory Animal Science 43, 42-51 https://www.researchgate.net/publication/8062863_Laboratory_Routines_Cause_Animal_Stress
(2) Der Spiegel 33/2003, S. 132/133
(3) British Medical Journal 2004, 328 (7438): 514-517
(4) Altex 18, 3/2001, 171-178