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fks frei

Zusammenfassung

 Fetales Kälberserum (FKS) wird als Nährlösung für Zellen genutzt. Die Gewinnung des Serums geht jedoch mit großem Tierleid einher, da es aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird, indem ihnen mit einer Nadel direkt ins Herz gestochen wird. Es wird so lange Blut abgesaugt, bis es blutleer ist und das Kalb stirbt. Doch es gibt Nährmedien ohne fetales Kälberserum. Sie bieten nicht nur ethische, sondern auch wissenschaftliche Vorteile gegenüber dem fetalen Kälberserum, weil durch ihre Verwendung die experimentelle Reproduzierbarkeit erhöht wird und das Risiko einer Kontamination mit tierischen Viren und Bakterien oder unerwünschter Reaktionen mit den menschlichen Zellen eliminiert wird.

Hintergrund

 Forscher arbeiten immer öfter mit Zell- oder Gewebekulturen, um auf Tierversuche zu verzichten. So werden diese u.a. bei Giftigkeitsprüfungen von Chemikalien oder bei der Medikamentenentwicklung genutzt. Um diese Zellen am Leben zu halten und zum Wachsen zu bringen, benötigen sie ein sogenanntes Nährmedium, d.h. eine Flüssigkeit, in der verschiedene Nährstoffe enthalten sind. Als „Goldstandard“ wurde dafür bisher standardmäßig Blutserum von ungeborenen Kälbern genutzt. Dieses soll die Zellen unter anderem mit Hormonen, Wachstumsfaktoren, Proteinen, Aminosäuren, Mineralstoffen und Spurenelementen versorgen. Die genaue Zusammensetzung ist allerdings bis heute nicht bekannt und kann je nach Herkunft stark variieren (1). Serum von ungeborenen Kälbern (Fetales Kälberserum = FKS) enthält weniger Stoffe, die das Wachstum der Zellen hemmen und wird daher dem von erwachsenen Tieren vorgezogen (2).

Die grausame Gewinnung von Kälberserum

Kälberserum ist das lukrative Beiprodukt der Fleischgewinnung. Direkt nach der Schlachtung einer schwangeren Kuh wird dieser der Fötus aus der Gebärmutter herausgeschnitten. Dann wird dem noch lebenden Kalb eine dicke Nadel zwischen die Rippen durch Haut und Muskeln direkt ins schlagende Herz gestoßen. Das Blut wird abgesaugt, bis das Tier blutleer ist und stirbt. Noch lebend deshalb, da durch das schlagende Herz eine größere Menge an Blut gewonnen werden kann und es nicht gerinnt. Diese Prozedur geschieht ohne Betäubung, obwohl wissenschaftliche Studien davon ausgehen, dass Kälberfeten zumindest im letzten Drittel der Schwangerschaft bereits leidensfähig sind (3). Einigen Berichten zufolge können trächtige Kühe aus mehr als 20 verschiedenen Gründen absichtlich zum Schlachten geschickt werden (4). In vielen Ländern ist es üblich, dass Kühe und Bullen zum Teil gemeinsam weiden (3). Wird eine ganze Herde zum Schlachthof gebracht, sind immer auch schwangerer Tiere dabei.

Durch Managementfehler oder unbemerkte Befruchtungen, gelangen in Deutschland laut einer Studie der Universität Leipzig vermutlich jährlich bis zu 15 % der Kühe schwanger zur Schlachtung (5). Im Mai 2017 wurde für Deutschland ein gesetzliches Verbot der Schlachtung von Rindern im letzten Drittel der Schwangerschaft beschlossen (6). Zuvor war lediglich der Transport solcher Kühe verboten, was jedoch gesetzeswidrigerweise immer wieder vorgekommen ist. Die ungeborenen Kälber ersticken während der Schlachtung qualvoll in der Gebärmutter. Von Tierschutzseite wird deshalb seit Jahren ein EU-einheitliches Schlachtverbot für schwangere Tiere gefordert, zudem Rechtsvorschriften, die Sanktionen bei Verstößen regeln. So ist beispielsweise das Schlachten schwangerer Schafe und Ziegen weiterhin erlaubt. Zudem muss das Schlachtverbot dringend auf die gesamte Schwangerschaftszeit ausgeweitet werden. Eine FKS-Gewinnung in Deutschland ist allerdings nicht bekannt. Die Hersteller beziehen das Serum aus dem Ausland.

Das lukrative Geschäft mit dem Kälberserum

 Der Bedarf an Nährmedien für Zell- und Gewebekulturen und damit auch an Kälberserum ist groß und steigt stetig, da die In-vitro-Forschung (in vitro = „Forschung im Reagenzglas“) immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Größe des globalen FKS-Marktes wird auf 1,07 Milliarden US-Dollar (etwa 1,16 Milliarden Euro) im Jahr 2023 geschätzt und wird voraussichtlich auf 1,4 Milliarden US-Dollar (etwa 1,4 Milliarden Euro) im Jahr 2027 wachsen (7). Der weltweite Jahresbedarf lag laut einer Schätzung aus den Jahren 2002-2007 bei etwa 600.000 bis 800.000 Litern fetalem Kälberserum, wofür 1 – 2 Millionen Kälber pro Jahr weltweit verwendet wurden (3,8). Neuere Zahlen gibt es nicht, es ist aber anzunehmen, dass der Verbrauch inzwischen sehr viel höher ist. Pro Kalb wird ca. ein halber Liter Blut gewonnen. Die Herkunft des Kälberserums bestimmt dabei ebenso den Preis wie die momentane Nachfrage (9). Serum aus Neuseeland oder Australien ist besonders teuer, da das Blut der Inselkühe frei von Seuchen wie Maul- und Klauenseuche ist.

Warum FKS genutzt wird und warum seine Nutzung gestoppt werden muss

Fetales Kälberserum findet sowohl Anwendung als Nährmedium als auch bei der Kryokonservierung (Kältebehandlung) von Zellen (10). Zudem eignet es sich als Nährmedium, da es ein breites Spektrum an Makromolekülen, Transportproteinen für lipoide Substanzen und Spurenelemente, Bindungsproteinen und Anheftungsfaktoren, niedermolekularen Nährstoffen, sowie an Hormonen und Wachstumsfaktoren bietet.

  • Durch eine mögliche Kontamination des Serums mit Krankheitserregern, in Abhängigkeit von der Herkunft, kann es zu einem verlangsamten Wachstum der Zellkultur kommen bis hin zu ihrem Absterben (11,12).
  • Durch eine fehlende Standardisierbarkeit bedingt durch Schwankungen in der Zusammensetzung und mögliche Verunreinigungen durch Mikroorganismen wie Bakterien bzw. Viren oder Prionen, ist Kälberserum kein ideales Nährmedium und schlecht reproduzierbar (13).
  • Im schlimmsten Fall kann es zu einer gesundheitlichen Gefährdung von Patienten kommen, wenn das Kälberblut mit Krankheitserregern kontaminiert wurde und Bestandteile, die mit einem infizierten Serum in Berührung gekommen sind, in die Medikamentenproduktion gelangen. Aufgrund der potenziellen Kontamination mit nichtmenschlichen Krankheitserregern, dem Risiko einer unerwünschten Immunantwort und Problemen mit der Produktreproduzierbarkeit wird in den USA und in der EU von der Verwendung von FBS in Zell- und Gewebekulturen für die klinische Anwendung beim Menschen abgeraten (14,15).
  • Auch können wissenschaftliche Ergebnisse verfälscht werden, durch eine heterogene Zusammensetzung der Nährlösung (11,16). Die variierende Zusammensetzung kommt durch die unterschiedliche Herkunft der Mutterrinder und einer Nutzung verschiedener Rinderrassen und Weidegründe zustande. Ferner stammen die Tiere aus verschiedenen Ländern und sind mit unterschiedlichen Umweltbedingungen konfrontiert.

Doch der wichtigste Grund, weshalb auf den Gebrauch von fetalem Kälberserum verzichtet werden sollte, ist, dass die Gewinnung mit erheblichem Leid und von Millionen Kälberfeten einhergeht. Anhand wissenschaftlicher Studien ist davon auszugehen, dass Feten ein Schmerzempfinden haben (3). Selbst die EU-Tierversuchsrichtlinie schließt Feten von Säugetieren im letzten Drittel der Schwangerschaft mit ein, da diese „einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Schmerzen, Leiden und Ängste zu empfinden“ (17). Um das millionenfache Leid der Tiere nicht zu unterstützen, sollte also auf tierfreie Nährmedien zurückgegriffen werden. Ferner ist das fetale Kälberserum ein Nebenprodukt der Rindfleischindustrie. Die Nutzung des FKS kann somit ethischen Ansprüchen nicht genügen.

FKS-freie Nährmedien

In den letzten zwei Jahrzehnten wurde bereits eine Vielzahl an FKS-freien Nährmedien entwickelt. Allein in der FCS-free Database, eine Datenbank, die Forschenden und der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung steht, sind bisher rund 900 solcher Nährmedien beschrieben, von denen über 400 frei von tierischen Komponenten sind (18).

Tierfreie Nährmedien sind ethisch unbedenklich, da sie kein Tierleid verursachen. Serumfreie Nährmedien haben darüber hinaus eine exakt definierte Zusammensetzung. So ist es möglich, kontrollierte und reproduzierbare Kultivierungsbedingungen zu schaffen und es droht keine Übertragung von Krankheitserregern. Allgemein unterscheidet man 4 Arten von Nährmedien:

  • Medien mit tierischem Serum (z.B. Fetales Kälberserum)
  • Medien aus humanem Blut
  • serumfreie Medien
  • chemisch definierte Medien
  • Medien mit pflanzlichen Substanzen

Neben der FCS-free Database bieten auch andere Plattformen, wie z.B. NC3Rs und PETA Science Consortium International e.V., Informationen über verschiedene FKS-freie Nährmedien an (19,20). Außerdem stellt der dänische Verein Danish Society for the Protection of Laboratory Animals eine Liste von Firmen auf einer Homepage bereit, die serumfreie Nährmedien anbieten (21). Nachfolgend sind einige häufig verwendete Arten solcher Medien, bzw. Medienkomponenten aufgeführt.

Humanes Blutplättchen-Lysat (hPL) aus ungenutzten Blutspenden 

Eine Möglichkeit besteht darin, humanes Blutplättchen-Lysat (hPL) anstelle von FKS als Bestandteil der Zellkulturmedien zu verwenden. Die Herstellung erfolgt aus humanen Thrombozytenextrakten, gewonnen aus dem Buffy Coat, der als Abfallprodukt in Blutspendezentralen anfällt und gestaltet sich sowohl kostengünstig als auch unkompliziert (22). Da es sich um humanes Serum handelt, ist es als Nährmedium für ebenfalls humane Zellen besser geeignet. Es ist zudem reich an spezifischen Wachstumsfaktoren. Da gespendete menschliche Blutplättchen nur vier Tage haltbar sind, verfallen etwa 50-60 % aller Blutplättchen-Spendeneinheiten und können nicht für Patienten verwendet werden (23). Abgelaufene Spenden werden normalerweise weggeworfen. Zu hPL verarbeitet, könnten sie weiter Leben retten - das von ungeborenen Kälbern. Durch hPL könnten große Teile des globalen Bedarfs an FKS-freien Nährmedien gedeckt werden. Die enthaltenen Wachstumsfaktoren sind jenen des fetalen Kälberserums überlegen. hPL bietet für viele menschliche Zelltypen, wie mesenchymale Stammzellen, bessere Wachstumsbedingungen als FKS (24,25). Durch gepoolte humane Spendereinheiten ist die Variation der Zusammensetzung extrem gering, was eine gute Reproduzierbarkeit der Nährlösungen und ein gleichmäßiges Wachstum von Zellkulturen ermöglicht (22). Zudem ist das Blut der Spender im Vorfeld auf Krankheitserreger untersucht worden, sodass eine Übertragung von Erregern ausgeschlossen ist. Nachteilig ist jedoch, dass sich die Zellen erst an das Nährmedium anpassen müssen und zur Verhinderung einer Koagulation Heparin zugesetzt werden muss, das überwiegend aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen wird (26). Jedoch kann hier auf synthetisches Heparin oder auf spezielle Heparin-freie Nährmedien zurückgegriffen werden (27,28).

Humanes Serum

Eine weitere Alternative zum fetalen Kälberserum stellen Humanseren, wie das Human AB Serum (HABS) dar. AB-Serum ist ein antikörperfreies, humanes Serum der Blutgruppe AB. HABS unterstützt die Vermehrung humaner Osteoblasten, Chondrozyten, Knochenmarkszellen, Endothelzellen und Krebszellen, insbesondere Gliome und Melanome (29). Humanseren bestehen ausschließlich aus humanem Material. Daher ist es für die Kultivierung humaner Zellen besser geeignet als FKS, da weder Serum noch die zu kultivierenden Zellen unterschiedlichen Spezies angehören. In vitro (im Reagenzglas) werden die gleichen physiologischen und natürlichen Bedingungen hergestellt, welche die Zellen auch in vivo (im Körper) vorfinden. Humanes Serum eignet sich besonders für die Zellkultur im Bereich der Zell- und Immuntherapie oder des Tissue Engineerings (Gewebezüchtung), bei denen Komponenten tierischer Herkunft nicht erwünscht sind (30,31). Humanseren werden wie das hPL aus abgelaufenen Blutspenden hergestellt und sind in großer Menge verfügbar (32).

Serum-freie Medien

Serum-freie Medien sind Nährmedien, die weder humanes noch tierisches Serum (wie FKS) verwenden. Stattdessen enthalten sie eine Kombination von Proteinen, Hormonen und anderen Nährmedienergänzungssubstanzen wie Insulin, Transferrin und Albumin (33). Serumfreie Medien eignen sich sehr gut für die Kultivierung verschiedener Zelltypen, z.B. Fibroblasten, Epithelzellen und Endothelzellen (34). Tierische und menschliche Seren stellen eine reiche Mischung von Verbindungen dar, deren genaue Zusammensetzung unbekannt ist und variieren kann. Im Gegensatz dazu sind alle Bestandteile von serumfreien Medien bekannt, was die Reproduzierbarkeit von Zellkulturexperimenten erhöht. Ein möglicher Nachteil ist, dass einige Zusatzstoffe in serumfreien Medien wie Albumin tierischen Ursprungs sein können (35). Dies stellt nicht nur Tierschutzprobleme dar, sondern auch ein Risiko der Kontamination der Zellen mit Tierviren. Daher sind viele serumfreie Medien heute auch frei von jeglichen tierischen Materialien.

Chemisch definierte Nährmedien

Im Gegensatz zu „üblichen“ serum-freien Nährmedien, die undefinierte Verbindungen wie Hormone, Wachstumsfaktoren und verschiedene Proteine enthalten können, erfordern chemisch definierte Medien die Identifizierung aller Komponenten sowie ihrer Konzentrationen (36). Daher muss ein chemisch definiertes Medium vollständig frei von tierischem oder menschlichem Serum sein. Nährmedien, die keine Bestandteile einer anderen Spezies enthalten (d. h. keine tierischen Materialien, wenn menschliche Zellen gezüchtet werden), werden auch xeno-freie Medien genannt. Solche Medien sind nicht nur ethisch unbedenklich, da für sie keine Tiere getötet wurden, sondern schließen auch die Gefahr einer Kontamination mit fremden Krankheitserregern und der Übertragung menschlicher Krankheiten aus (37). Einige chemisch definierte Medien sind auch proteinfrei und/oder peptidfrei und enthalten nur Bestandteile mit niedrigem Molekulargewicht (38). Chemisch definierte Medien bieten hervorragende wissenschaftliche Bedingungen für die Untersuchung menschlicher Zellen, da sie frei von unbekannten Faktoren sind, die mit den Zellen interagieren und die Ergebnisse verändern können. Daher bieten sie eine hohe Reproduzierbarkeit der experimentellen Ergebnisse. Eine Einschränkung kann hier sein, dass die Entwicklung solcher Medien teuer und zeitaufwändig sein kann (37). Es gibt jedoch bereits kommerziell erhältliche chemisch definierte Medien, die für eine breite Palette menschlicher Zellen geeignet sind (36). Ein Problem ist, dass die meisten biotechnologischen Unternehmen die genaue Zusammensetzung ihrer chemisch definierten Medien nicht offenlegen, wodurch die Wissenschaftler nicht wissen, welche Nährstoffe ihre Zellen und Experimente beeinflussen. Es gibt jedoch frei verfügbare Rezepte für verschiedene chemisch definierte Nährmedien sowie verschiedene Ansätze zur Erstellung und Optimierung solcher Medienformulierungen (39).

Pflanzliche und synthetische FKS-Ersatzstoffe

Es gibt einige pflanzliche und synthetische Substanzen, die anstelle von FKS als Nährmedienergänzungsmittel verwendet werden können. Eine übliche Art von Ergänzungsmitteln sind die Hydrolysate, die die Produkte der enzymatischen Verdauung von Soja-, Erbsen-, Reis-, Rapssamen- oder anderen Pflanzenproteinen sind (40). Hydrolysate enthalten oft eine Mischung aus Peptiden, Aminosäuren, Mineralien, Kohlenhydraten, Lipiden und Proteinen. Die relativ geringen Kosten pflanzlicher Hydrolysate machen sie als Serumersatzkomponenten für die großtechnische Proteinproduktion attraktiv. Die Zusammensetzung der Hydrolysate ist jedoch nicht vollständig charakterisiert, daher ist ein tiefergehendes Verständnis ihrer Bestandteile und wie diese das Zellwachstum beeinflussen, der Schlüssel zu ihrem Erfolg als potenzielle Serumersatzbestandteile (40).

Mehrere Firmen bieten verschiedene synthetische Substanzen als FKS-Ersatz an. Dies sind in der Regel Wachstumsfaktoren oder Lipoproteine, die das Zellwachstum und die Zellvermehrung unterstützen (41,42). Synthetische Ergänzungsmittel haben eine bessere Qualität als FKS und ihre Herstellung ist viel konsistenter und reproduzierbarer.

Es gibt einige Möglichkeiten, FKS durch andere tierische Substanzen wie Extrakte aus Fleisch, Milch, Insekten oder Spinnen zu ersetzen. Diese Materialien sind jedoch auch mit Tierausbeutung und Tierquälerei verbunden und sollten daher vermieden werden.

Schwierigkeiten bei der Umstellung auf FKS-freie Nährmedien

 Wie oben diskutiert, ist die Verwendung von FKS mit mehreren ethischen und wissenschaftlichen Bedenken verbunden. Darüber hinaus ist ein wichtiger Vorteil der menschlichen Zellkultur der Verzicht auf Tierversuche und FKS reduziert diesen Vorteil durch das Einbringen tierischer Bestandteile und Tierleid. Es gibt komplexe Gründe, warum FKS trotz dieser Nachteile immer noch weit verbreitet ist. Ein Problem ist, dass sich die Zellen der Zellkulturen erst an das neue Nährmedium anpassen müssen (10). Während dieser Anpassungsphase, die je nach Zelltyp variiert, entstehen Wachstumseinbußen, die für die Labore und Institute Kosten verursachen können. Jedoch würde sich dieser Zustand maximal über einige Wochen erstrecken. Hinzu kommt, dass viele Labore unzureichend über den Gebrauch von Alternativnährmedien zum fetalen Kälberserum aufgeklärt sind und gerne auf Altbewährtes zurückgreifen, denn seit den 60er Jahren gilt das fetale Kälberserum als Goldstandard. Laut einer weltweiten Umfrage zur Verwendung von Materialien tierischen Ursprungs in der Wissenschaft haben nur 43% der Wissenschaftler überlegt, Tierseren wie FKS aus ihren Experimenten zu ersetzen (43). Mangelnde Kenntnisse über die Verfügbarkeit von tierfreien Alternativen und die Präferenz, sich an bereits etablierte Protokolle zu halten, waren die Hauptgründe dafür, dass die Umfrageteilnehmer weiterhin FKS und andere tierische Reagenzien verwendeten. Weitere Probleme waren höhere Kosten für tierfreie Reagenzien und unzureichende Aufklärung über den Umgang mit solchen Substanzen.

Fazit

 Millionen von Kälbern werden jedes Jahr für die Gewinnung von FKS grausam getötet. FKS ist ein Standardbestandteil in Zellkulturnährmedien und kann neben den ethischen auch viele wissenschaftliche Probleme wie Kontamination mit tierischen Viren und Bakterien oder unbekannte Reaktionen der Zellen hervorrufen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher FKS-freier Nährmedien und Nährmedienergänzungssubstanzen. Einige enthalten menschliche Materialien wie hPL oder humanes Serum, während andere völlig frei von menschlichen und tierischen Bestandteilen sind. Im Gegensatz zu FKS sind diese Nährmedien ethisch vertretbar und haben viele wissenschaftliche Vorteile. Es ist notwendig, die Informationen über die Verfügbarkeit dieser tierfreien Reagenzien zu verbessern und den Forschenden eine angemessene Finanzierung und Ausbildung für ihre Verwendung bereitzustellen. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Verwendung von FKS aus der Zellkultur zu eliminieren.

09.03.2023
Julia Schulz, Tierärztin
Dr. Dilyana Filipova

 

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Quellen

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