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Schweizer Pharmaunternehmen setzt auf humanbasierte Medikamentenentwicklung

Die Erfolgsquoten in der Arzneimittelentwicklung sind extrem niedrig, was vor allem an der mangelnden Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen auf den kranken Menschen zurückzuführen ist. Weniger als einer von zehn Arzneimittelkandidaten, die erfolgreich im Tierversuch waren und dann in die klinische Prüfung am Menschen gehen, erhält eine Marktzulassung. Dies führt zu sehr hohen Forschungszeiten und -kosten. Für die Entwicklung eines Medikaments benötigen Pharmaunternehmen mehr als 13 Jahre und über 2,5 Milliarden US-Dollar. Im Januar hat nun ein schweizer biopharmazeutisches Unternehmen seine Investition in auf Künstliche Intelligenz basierende Medikamentenentwicklung angekündigt.

Die Biotech Firma VeriSIM Life wurde 2017 gegründet, um laut Firmenaussagen mit einem auf maschinelles Lernen gestützten Ansatz die Fortschritte in der Medizin voranzutreiben, ohne dass Tiere der Grausamkeit von Tests ausgesetzt werden. Und um weitaus schnellere sowie bessere Ergebnisse als den deutlich unter 10 %, die derzeit bei der Markteinführung von Medikamenten erzielt werden, zu erlangen. Ein Team aus pharmazeutischen Wissenschaftlern, Ingenieuren für maschinelles Lernen und Experten für In-Silico-Simulation entwickelte dafür „BioiSIM“. Diese Computerplattform simuliert die Wechselwirkungen von Arzneimitteln im gesamten Körper in jeder Hundertstelsekunde, um kritische Arzneimittelinformationen wie organbasierte Toxizitäten, Arzneimittelstoffwechsel und -wechselwirkungen, ohne einen einzigen Tierversuch zu erhalten.

Dafür wurde ein digitaler Zwilling des Menschen erstellt, der in der Lage ist, zu lernen, wie sich Arzneimittel nach verschiedenen Verabreichungswegen wie oral, über die Haut oder per Injektion im Körper verhalten. Diese Simulation wird mit Hilfe einer Reihe von Techniken des Maschinellen Lernens laut Firmenaussage ständig verbessert, wodurch die Genauigkeit immer höher wird. Die Eignung der in Sekundenschnelle Vorhersagen liefernden Methode wurde anhand verschiedener, bereits bekannter Wirkstoffe überprüft.

Anfang dieses Jahres hat Debiopharm, ein schweizer biopharmazeutisches Unternehmen, angekündigt, seine pharmazeutische Forschung mit Hilfe der von VeriSIM Life entwickelten Künstlichen Intelligenz patientenorientierter und damit humanrelevanter gestalten zu wollen. Als ein Grund wird in der Presseinformation des Konzerns die äußerst schlechte Übertragbarkeit von Tierversuchsergebnissen in die klinischen Studien am Menschen genannt.

Auch in einem anderen Bereich, nämlich der Toxikologie, hat man die Vorteile von Künstlicher Intelligenz zur Einschätzung der Giftigkeit von Substanzen erkannt und in Computerprogrammen umgesetzt. Bereits 2018 wurde vom Toxikologen Dr. Dr. Thomas Hartung und seinem Team ein Computerprogramm entwickelt und in eine Datenbank mit verschiedenen Informationen zu 10.000 chemischen Verbindungen integriert. Dieses Programm ist in der Lage, innerhalb kürzester Zeit für unbekannte Substanzen sowohl strukturell verwandte Chemikalien zu finden als auch eine Vorhersage über mögliche toxische Effekte zu machen.

„Die Investition einer Pharmafirma in Künstliche Intelligenz ist auf jeden Fall zukunftsweisend“, so Dr. Gaby Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche. „Denn dadurch wird eine Methode unterstützt, die Humandaten verwendet, anstatt auf unsichere Tierversuche zu setzen.“ Selbst, wenn man davon ausgehen kann, dass die Investition vermutlich vor allem aus wirtschaftlichen Interessen erfolgt, so zeigt es doch, dass auch Pharmafirmen erkannt haben, dass man für die Entwicklung neuer Medikamente effektivere und schnellere Methoden benötigt als Tierversuche.