Übungen an lebenden Schweinen untersagt

Nach Plänen der US-Armee in Deutschland sollten für die Ausbildung von medizinischem Personal Schweine und Ziegen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz zu Übungszwecken verletzt und getötet werden. Sofort nach bekannt werden im Mai 2010 wurde der Antrag der US-Streitkräfte aufgrund der zahlreichen Proteste zunächst zurückgezogen. Im Juli 2010 stellte die US-Armee bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, der Regierung der Oberpfalz, erneut einen Antrag auf Durchführung der Militär-Tierversuche. Wir riefen zu Protesten auf. Die Behörde verweigerte schließlich die Genehmigung mit der Begründung des Verstoßes gegen das deutsche Tierschutzgesetz. Im Oktober 2010 versuchte es das US-Militär erneut - diesmal in Thüringen. Auch hier wurde keine Genehmigung erteilt, wogegen das Militär jedoch klagte.

Die Regierung der Oberpfalz und von Thüringen sind mit gutem Beispiel voran gegangen und haben das geltende Tierschutzrecht in vorbildlicher Weise angewandt. Dazu beigetragen hat der enorme öffentliche Proteststurm. Wir hatten nach Bekanntwerden der Pläne des US-Militärs an alle anderen Genehmigungsbehörden geschrieben, um auf die Sachlage aufmerksam zu machen und zu bewirken, dass die Militärübungen nicht an anderer Stelle stattfinden. Unsere Begründung: Die Pläne der US-Armee stellen einen Verstoß gegen das deutsche Tierschutzgesetz dar. Tierversuche zur Entwicklung und Erprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät sind in Deutschland gesetzlich verboten. Weiterhin sind Tierversuche zu Ausbildungszwecken nur erlaubt, sofern das Ziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Dieses ist aber z.B. mit Dummys oder direkt im Krankenhaus problemlos möglich. Die Versuche sind weder ethisch noch wissenschaftlich und didaktisch zu rechtfertigen. Mit dem Skalpell beigebrachte Stich- und Schnittwunden sind fern jeder Realität von Kriegsverletzungen. Die einzige sinnvolle Schulung für medizinisches Militärpersonal ist vor Ort in den Kriegs- oder Krisengebieten, wo es zahlreiche Menschen gibt, die medizinische Versorgung benötigen.

Am 2. Oktober 2012 verhandelte das Verwaltungsgericht Gera die Klage der US-Armee. Im Rahmen der Verhandlung wurden drei Sachverständige hinzugezogen, die zur Klärung der Frage beitragen sollten, ob das Training an lebenden Tieren erforderlich ist, um Soldaten für den Kriegseinsatz zu schulen. Die Gutachter waren Prof. Dr. B. Jilge, der rund 40 Jahre am Tierforschungszentrum der Universität Ulm beschäftigt war und grundsätzlich Tierversuche befürwortet, Dr. J. Reichel, Notfallmediziner am Universitätsklinikum Jena und Prof. Dr. F. Steger (Medizinethiker an der Universität Halle) unter Mitarbeit von Dr. A. May.Wie ein Gerichtssprecher der Ärztevereinigung mitteilte, sind die Experten der Auffassung, dass die Qualität der Dummies so realitätsgerecht sei, dass man nicht auf Tiere zurückgreifen müsse. Das Gericht machte deutlich, dass es den Gutachtern folgen würde, woraufhin das US-Militär seine Klage zurückzog. Die Untersagensverfügung der Genehmigungsbehörde ist damit rechtskräftig und die geplanten Militärtierversuche dürfen nicht durchgeführt werden.

Vorgesehen waren zahlreiche schwerwiegende Eingriffe an den Tieren. Im Einzelnen: Herbeiführen von massiven Blutungen, Verletzungen am Brustkorb, Abdominaltraumata, Amputationen sowie Verletzungen des Weichteilgewebes. 

Prof. Dr. Jilge bezeichnet diese Eingriffe als „sehr viele und sehr schwere Traumata", welche jeweils einzeln, noch mehr aber in ihrer Gesamtheit sehr erheblich sind. Verschiedene während der Versuche vorgesehene Maßnahmen bezeichnet er als nicht tierschutzgerecht. So war für eine Narkosedauer von ca. 8 Stunden ein Präparat vorgesehen, das laut Hersteller nur für Eingriffe unter Kurzanästhesie geeignet ist. Unerwünschte Wirkungen dieses Präparats sind unter anderem Erbrechen, Muskelspasmen, kurzer Atemstillstand, Herzrasen und vermehrter Speichelfluss. Nach Ansicht des Gutachters ist die vorgesehene Narkose nicht tierschutzgerecht entsprechend § 1 des Tierschutzgesetzes, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf.

Jilge führt an, dass eine realitätsnahe Ausbildung am traumatisierten Menschen weder durch Computersimulationen, noch durch Dummies ersetzbar ist – genauso wenig aber auch nicht durch Übungen am Schwein. Weiter wird erläutert, dass es zahlreiche hervorragend geeignete Simulationsprogramme gibt wie z.B. PHTLS (Prehospital Trauma Life Support, u.a. zur Ausbildung von Rettungsdienstmitarbeitern), ATLS (Advanced Trauma Life Support) oder TüPASS (Tübinger Patientensicherheits- und Simulationszentrum).

Nach § 10 des Tierschutzgesetzes, dürfen Eingriffe am Tier nur durchgeführt werden, wenn ihr Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Der Gutachter merkt an, dass dies hier durchaus möglich ist und die Simulatortrainingsprogramme realitätsnäher und um vieles geeigneter sind als das Sammeln von Erfahrungen am Schwein unter Praktikumsbedingungen. Zu berücksichtigen ist auch die psychische Belastung bei einer Gefechtsituation, welche im Versuch am Schwein nicht dargestellt werden kann. Geeignet zur Schulung im Umgang mit schwer verletzten Opfern ist dagegen unter anderem die Mitarbeit in Notfallrettungsteams. Dr. Reichel bewertet die vorgesehenen Tierversuche als „unverhältnismäßig und praktisch überflüssig". Zudem gibt es für die geplanten Einzelmaßnahmen verschiedene Modelle und Simulationstechniken, mit denen eine realistische Darstellung von Lebenszeichen bzw. krankhaften Anzeichen möglich ist. Die Ablehnung der Versuche am Schwein begründet der Gutachter damit, dass auf diese Weise weder die notwendigen theoretischen, noch die praktischen Fertigkeiten sichergestellt werden können und der Einsatz von lebenden Tieren daher nicht notwendig ist.Prof. Dr. Steger kommt zu dem Ergebnis, dass aus medizinethischer Sicht mögliche positive Effekte der Versuche die zahlreichen und bedeutenden negativen Folgen nicht überwiegen und somit die Tierversuche nicht durchgeführt werden sollten.

Das Aus für die grausamen Militärtierversuche ist ein voller Erfolg!

05.10.2013
Dr. med. vet. Corina Gericke