Knapp die Hälfte aller Krebs-Todesfälle ist auf potenziell vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen
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Eine Analyse der Ergebnisse der Global Burden Disease Studie aus 2019 zeigt, dass 44,4 % aller Todesfälle durch Krebs auf die Top 3 Risikofaktoren Rauchen, Alkoholmissbrauch und Übergewicht zurückzuführen sind. Da es sich damit um Faktoren handelt, die durch Verhalten bzw. Lebensstil vermieden werden können, ergeben sich somit Handlungsmöglichkeiten, die Länder weltweit in ihrer Gesundheitspolitik erarbeiten und verankern sollten und somit die Krebstodesraten sowie die Einschränkungen und Belastungen, die durch diese Krankheit entstehen, positiv beeinflussen können.
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache weltweit und geht mit vielfachen sozio-ökonomischen Belastungen einher, so dass weltweit ein großes Interesse besteht, die Krebsraten unter Kontrolle zu bekommen. Manche Krebs-Risikofaktoren und damit einige Krebsfälle sind nicht vermeidbar, allerdings ist es wichtig, dass der Einfluss der Risikofaktoren, die bekannt und belegt sind, minimiert wird. Diese Art der Prävention ist eine extrem kostengünstige und dabei effektive Strategie, die allerdings noch um weitere Faktoren wie umfassendes Screening und Zugang zu schnellen und frühen Diagnosemöglichkeiten und Kapazitäten zur effektiven Behandlung ergänzt werden muss.
Studie mit Daten von 10 Millionen Menschen
Die „Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study“ (GBD) umfasst einen Datensatz von ca. 10 Millionen Menschen aus 2010 bis 2019 mit 23 Krebsarten und 34 Risikofaktoren und berücksichtigt neben den Todesraten u.a. auch die Lebensjahre, die durch die Krebserkrankung beeinträchtigt werden (DALY = Disability-Adjusted Life-Years). Es ist mit die umfangreichste Studie, die weltweit geschlechts- und altersübergreifend angelegt ist.
Die Risikofaktoren werden in die Gruppen „Umwelt & Arbeitsplatz“, „Metabolismus“ und „Verhalten“ eingeteilt. Letzteres bezeichnet (äußere, externe) Risikofaktoren, bei denen der Mensch selbst ein hohes Potenzial hat, diese aktiv zu vermeiden.
Hauptrisikofaktoren: Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung
Der Anteil der Todesfälle mit äußeren Risikofaktoren beträgt mit 44,4 % knapp die Hälfte aller Krebsfälle. Bei Männern ist der Anteil an externen Risikofaktoren mit 50,6 % besonders hoch, bei Frauen beträgt er mit 36,3 % ein gutes Drittel. Auch die DALY lassen sich zu 42,0 % auf externe Faktoren zurückführen (Männer: 48,0 %, Frauen: 34,3 %). Die Hauptrisikofaktoren sind für beide Fälle gleich: in erster Linie ist Rauchen der Risikofaktor Nummer 1 bei beiden Geschlechtern, bei Männern gefolgt von Alkohol, ungesunder Ernährung und Luftverschmutzung bzw. bei Frauen gefolgt von ungeschütztem Geschlechtsverkehr, ungesunder Ernährung, hohem BMI sowie hoher Plasmaglukose.
Entsprechend sind die führenden Krebsarten bei Männern und Frauen Tracheal-, Bronchial- und Lungenkrebs. Bei Männern folgen Dickdarm- und Enddarmkrebs, bei Frauen Gebärmutterhals- und Darmkrebs.
Männer sind also häufiger von risikoabhängigen Krebstoden und DALYs betroffen als Frauen, ausgenommen die geschlechtsspezifischen Krebsarten, die ausschließlich Frauen betreffen. Eine Konsequenz daraus sollte sein, in Zukunft verstärkt geschlechtsspezifische Faktoren bei der Krebsforschung und -interventionen zu berücksichtigen.
Überproportional viele Verhaltens-risikofaktorabhängige Krebstode zeigen sich in Ländern mit hohem sozio-demografischen Index (SDI), obwohl diese Länder nur eine vergleichsweise geringe Population haben.
Krebstodeszahlen um 20,4% gestiegen
Insgesamt und global gesehen sind die Krebstodeszahlen zwischen 2010 und 2019 um 20,4 % und DALYS um 16,8 % gestiegen. Innerhalb dessen verzeichneten metabolische Risikofaktoren mit 34,7 % den höchsten Anstieg der Todeszahlen (DALYs: 33,3 %). Krebstodesfälle, die durch verhaltensabhängige Risikofaktoren verursacht wurden, erhöhten sich um 17,9 %.
Umwelt- und Arbeitsplatz-Risikofaktor-Todesfälle erhöhten sich um 16,7 %. Speziell Männer sind hier aufgrund ihrer häufigeren Tätigkeit in Arbeitsumgebungen mit höherem Gesundheitsrisiko öfter betroffen.
Die höchsten Anstiege der DALY-Raten, d.h. der Anstieg der Menschen, die durch ihre Krebserkrankung (stark) eingeschränkt sind, die auf metabolische Faktoren zurückzuführen ist, wurde in Süd-Asien, Nordafrika und dem Mittleren Osten beobachtet. Hier ist eine mögliche Begründung der Übergang zu höherem Lebensstandard, welcher sich auch u.a. in zunehmender Fettleibigkeit der Bevölkerung äußert.
Die stärkste Abnahme der Verhaltens-, Umwelt- und Berufsrisikofaktoren bedingten DALY-Raten ist u.a. in Mittel- und Osteuropa sowie Regionen mit höherem Einkommen zu beobachten.
Krebs-Prävention
Dies zeigt, dass die Gesundheitssysteme der unterschiedlichen Länder oder Regionen neben der allgemeinen Anti-Krebs-Strategie, die die Risikofaktorminimierung als zentralen Ansatzpunkt haben sollte, auch weitere Interventionen entwickeln müssen, die an die Anforderungen und Besonderheiten der jeweiligen Region angepasst sind. Schätzungsweise könnte sich die (allgemeine) Sterblichkeit bis 2030 um ein Drittel senken lassen.
Krebs-Präventions-Management weltweit sollte sich dazu auf die Hauptrisikofaktoren konzentrieren. Insbesondere Rauchen und Alkohol sollte mit entsprechenden Aufklärungskampagnen und erhöhten Steuersätzen angegangen werden. Zugang zu Bildung und Armutsbekämpfung sind wichtige Schlüsselfaktoren und auch die Verantwortung des Individuums muss berücksichtigt werden.
Quelle
Murray, Christopher JL: The global burden of cancer attributable to risk factors, 2010–19: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet 2022; 400:563–91
Zusammenfassung: Dipl. Biol. Julia Radzwill