Gentechnik: Manipulationen, Klonierungen, Xenotransplantationen
Was in den 1980er und 90er Jahren im Buchladen noch im Regal mit der Aufschrift »Science Fiction« stand, ist heute bereits teilweise erschreckende Realität. In Aldous Huxleys Roman »Schöne neue Welt« aus dem Jahr 1932 bestand die Gesellschaft aus genetisch identischen Menschen, genauer gesagt aus unterschiedlich entwickelten Klonen. In der Tierwelt ist diese Fiktion längst zur Realität geworden. Sie nahm bei den Säugetieren im Jahr 1996 ihren Anfang mit dem Klonschaf Dolly, gefolgt von Maus, Rind, Ziege, Katze, Hund, Affe und anderen Tierarten.
Die Zulassung von Nahrungsmitteln, die ihren Ursprung in geklonten Tieren haben, wurde von der EU-Lebensmittelbehörde (EFSA) bereits in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2008 zum Verzehr als unbedenklich eingestuft (1) – ohne dass man hierzu Erfahrungswerte hätte. 2009, 2010 und 2012 bekräftigte die Behörde ihre Einschätzung. Fleisch und Milch geklonter Tiere könnte also bald in europäischen Supermarktregalen stehen, ungeachtet der gesundheitlichen Gefahren für den Verbraucher und des immensen Tierleids.
Qualen für die Tiere
Die EFSA stellte fest, dass die Klontechnologie bezüglich Tiergesundheit und Tierschutz Anlass zur Besorgnis geben.(2) Bereits 2008 wurde deutlich, dass die »Erfolgsrate« beim Klonen sehr gering ist. Nur bei 9 % von 3.374 Versuchen bei Rindern kam es zur Geburt eines lebenden Kalbes, nach 150 Tagen lebten nur noch 7 %. Von 40 Ferkeln litten fast 70 % unter Durchfall, hatten einen Herzfehler oder Hirnhautentzündungen.(1)
Schon die »Erzeugung« von Klontieren bedeutet zahlreiche Tierversuche. Doch damit nicht genug. Die EU verlangt, dass neuartige Lebensmittel sowie Lebens- und Futtermittel aus genetisch veränderten Organismen vor ihrer Zulassung Zwangsfütterungsstudien an Ratten durchgeführt werden. Nach dem gleiches Prinzip wie bei der 90-Tage-Toxizitätsstudie bei wiederholter oraler Verabreichung von Chemikalien (3), wird Ratten oder Mäusen das Futter oder ein Bestandteil eines Nahrungsmittels verabreicht, in manchen Fällen per Magensonde. Beobachtet wird, ob es Vergiftungserscheinungen gibt oder Auswirkungen auf beispielsweise den Magen-Darm-Trakt, das Nervensystem oder das Immunsystem. In ihren Leitlinien empfiehlt die EFSA pro Versuch mindestens 80 bis rund 150 Tiere.(4) Da es schwierig ist, sehr hohe Dosierungen der Testsubstanz zu verabreichen, empfiehlt sie mehr Tiere in hohen Dosierungsgruppen und der Kontrollgruppe zu nehmen, bei insgesamt gleich bleibender Tierzahl. Neben der Frage, ob der Verbraucher beim Griff ins Regal überhaupt mit genveränderter Nahrung konfrontiert werden möchte, bleiben die ethische Unvertretbarkeit der Tierversuche sowie die Tatsache, dass die Ergebnisse mangels Übertragbarkeit ohnehin nutzlos sind, vollkommen unberücksichtigt.
Spiel mit den Genen
Die Branche der Gentechnik boomt in vielen Bereichen seit einigen Jahren weltweit und es ist in unserer realen Welt in Mode gekommen, die unterschiedlichsten Manipulationen am Erbgut von Mikroorganismen, Pflanzen, aber auch Tieren vorzunehmen und sogar so genannte transgene Tiere herzustellen. Ziel ist die Produktion von tierischen Modellen für die Grundlagenforschung oder von »Hochleistungsmaschinen« in der Landwirtschaft, wie sie durch reine Zucht nicht erreicht werden können.
Unter Gentechnik versteht man gemeinhin biotechnologische Methoden, die gezielte Eingriffe in das Erbgut und die daraus resultierenden biochemischen Steuerungsvorgänge von Lebewesen verursachen können, beispielsweise durch das Ein- oder Ausschalten bestimmter Gene. Bei der Herstellung transgener Tiere geht man soweit, dass fremde Erbsubstanz in den Organismus eingeschleust wird, beispielsweise das von einer kranken in das einer gesunden Maus.
Bei der Xenotransplantation werden sogar artfremde Gene in ein Lebewesen eingeschleust, so dass durch Überschreiten der Artgrenze unnatürliche Mischungen aus verschiedenen Arten hergestellt werden. Das Ergebnis kann z.B. ein leuchtender Affe sein, in dessen Erbgut das Leucht-Gen einer Qualle eingebaut wurde oder eine Erdbeere, die ein Fisch-Gen enthält.
Eingriff in die Natur
Natürlich vorkommende Klone sind beispielsweise beim Menschen eineiige Zwillinge und in der Pflanzenwelt alle Zwiebelpflanzen, die Tochterzwiebeln bilden. Bei Kulturpflanzen sind Klone durch ungeschlechtliche Vermehrung gewonnene Abkömmlinge wie beispielsweise Stecklinge. Das künstliche Prinzip des Klonens bei Tieren beruht nun auf der gezielten Herstellung genetisch identischer Lebewesen im Labor, wie sie von Natur aus nie entstehen können. Da man ein erwachsenes Tier, das die vom Menschen gewünschten Eigenschaften enthält, nicht einfach kopieren oder durch Zucht erhalten kann, werden Zellen von dem zu klonenden Tier mit Zellen eines Empfängertieres zusammengebracht. Hierzu wird in eine fremde Eizelle eines »Spendertieres«, deren Zellkern entfernt wurde, der Kern einer Zelle aus dem Wunschtier eingepflanzt. Durch eine chemische Substanz oder einen Stromstoß wird die Eizelle angeregt, in ihrem Entwicklungsprogramm fortzufahren. Die neu konstruierte Eizelle wird dann wie im Falle Dolly von einem Leihmuttertier ausgetragen. Die Erfolgsquote ist allerdings gering. Ein Grossteil der so produzierten Embryonen stirbt frühzeitig ab. Klontiere, die geboren werden, haben meist nur eine geringe Lebenserwartung, da sie krankheitsanfällig sind oder mit Missbildungen zur Welt kommen. Doch das Tierleid beginnt schon viel früher, denn auch die »Spendertiere« werden einem Eingriff im Labor unterzogen.
Selbst Haustiere, ob die Katze auf dem Sofa oder der Zebrabärbling im Aquarium, werden von der Modebranche Gentechnik nicht verschont und wie im Fall der bunt leuchtenden Zebrafische in den USA sogar kommerziell angeboten. Auch ganz normale Haustiere kann man in manchen Ländern klonen lassen, damit sie angeblich »unsterblich« werden. Das macht vielen Tierliebhabern Hoffnung, da ihnen so der Abschied von einem geliebten Haustier erspart bleibt. Verschwiegen wird dabei gänzlich, dass es rein genetisch unmöglich ist, eine wirklich 100%-ige Kopie des Tieres anzufertigen, da ein Teil der Erbinformation nicht im Zellkern, sondern außerhalb in den so genannten Mitochondrien liegt. Noch weniger lassen sich die besonderen Charaktereigenschaften und Wesenszüge unseres tierischen Familienmitglieds im Labor erzeugen – aber gerade diese Einzigartigkeit ist es, die jedes Lebewesen zu etwas Besonderem und Unkopierbarem macht.
Tiere für den Abfall produziert
Die Zahl der für die Erzeugung eines einzigen Klons benötigten Tiere ist immens und die Erfolgsquote überlebender Embryos liegt bei weniger als 10%. Zudem werden Tiere erzeugt, die nicht die gewünschten Eigenschaften besitzen und daher keine Verwendung finden. Derartige Experimente sind überdies mit erheblichen Schmerzen und Schäden sowohl für die Klon- als auch für die »Spendertiere« verbunden. Ein wahrer Tierfreund wird es wohl nicht in Kauf nehmen, dass zahllose Tiere in Versuchen leiden, nur um eine schlechte Kopie seines Haustiers zu erhalten.
Keine »schöne neue Welt«
Durch Klonen und Genmanipulationen beeinflusst der Mensch die genetische Identität eines Individuums nach für ihn zweckdienlichen Kriterien. Die ökologischen Auswirkungen der Freisetzung genetisch veränderter Lebewesen sind allerdings nicht abschätzbar. Die genmanipulierten Tiere könnten sich mit »normalen« Tieren verpaaren. Die Folge wäre eine unkontrollierte Durchmischung von natürlichem und künstlich erzeugtem Erbmaterial mit unbekanntem Risiko. Künstlich hergestellte Tiere können krankheitsanfälliger sein sowie Krankheiten auf andere Lebewesen übertragen. Ferner besteht die Gefahr, dass heimische Arten verdrängt werden, was einen Verlust an Artenvielfalt in unserem ohnehin schon stark gefährdeten Ökosystem bedeutet.
Die heute verfügbaren technischen Möglichkeiten setzen der Phantasie, dem Ausleben der Forscherneugier und der Erschaffung einer gar nicht schönen neuen Welt also keine Grenzen. Doch wollen wir als Gesellschaft, dass ethische und natürliche Grenzen missachtet und alle Lebewesen einschließlich uns Menschen zu Objekten degradiert werden, die beliebig manipulier- und vervielfältigbar sind?
Dipl. Biol. Silke Bitz, März 2013
Quellen:
(1) EFSA (2008): Scientific opinion of the scientific committee, food Safety, animal health and welfare and environmental impact of animals derived from cloning by somatic cell nucleus transfer (SCNT) and their offspring and products obtained from those animals
(2) EFSA (2012): Update on the state of play of Animal Health and Welfare and Environmental Impact of Animals derived from SCNT Cloning and their Offspring, and Food Safety of Products Obtained from those Animals
(3) OECD 408, Guideline for the testing of chemicals: repeated dose 90-day oral toxicity study in rodents
(4) EFSA (2011): Scientific opinion, Guidance on conducting repeated-dose 90-day oral toxicity study in rodents on food/feed, EFSA Journal 9(12): 2438