Das Coronavirus SARS-CoV-2 hält die Welt in Atem. Die Einschränkungen für das öffentliche Leben auf der ganzen Welt sind massiv. In Deutschland hat es eine vergleichbare Situation für die Bevölkerung noch nie gegeben. Klar ist: Eine Ausbreitung des Virus kann nicht verhindert werden und wer an Covid-19 erkrankt, hat im schlimmsten Fall mit einer schweren und nicht optimal behandelbaren Lungenentzündung zu rechnen. Deshalb liegen die Hoffnungen nun auf der schnellen Entwicklung von Impfstoffen und wirksamen Medikamenten, die erkrankten Personen zuverlässig helfen. Dies wird mit Tierversuchen jedoch nicht möglich sein. 

Ein großer und unstrittiger Nachteil von Tierversuchen, den auch unser Verein immer wieder kritisiert, wird in der aktuellen Corona-Krise zum Verhängnis. Testungen am Tier sind langwierig – viel zu langwierig, um in einer Situation wie dieser mit der rasanten Verbreitung des Virus mitzuhalten. Hätte man schon längst mehr Geld in die Entwicklung humanrelevanter In-vitro-Methoden investiert, dann hätte man jetzt vermutlich bessere Testmethoden an der Hand, um Infizierten schnellstmöglich zu helfen und wirksame Impfstoffe zu entwickeln. Dieser Sachverhalt zeigt einmal mehr, dass die archaische Testmethode Tierversuch keineswegs essenziell für den medizinischen Fortschritt ist, sondern diesen behindert. Das krampfhafte Festhalten an der tierversuchsbasierten Forschung, sowie die massive Verschwendung von Forschungsgeldern – getrieben von befangenen Interessensgruppen – sind nicht eine Notwendigkeit, sondern ein Risiko für die menschliche Gesundheit. 

Die aktuelle Reaktion vom NIH (National Institutes of Health), einer Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, ist der beste Beweis, dass wir Tierversuche innerhalb der Medikamentenentwicklung und Diagnostik nicht zwingend brauchen (1). Kurzerhand wurde nämlich entschieden, dass der Tierversuch umgangen und neue Impfstoffe nach einer ausführlichen In-vitro-Testung direkt an menschlichen Probanden getestet werden sollen. Auf einmal ist das möglich, wogegen sich die Tierversuchslobby seit Jahrzehnten sperrt und wofür sich unser Verein vehement einsetzt. 

„Tiermodelle“ nicht zielführend

Auch das Problem der mangelnden Übertragbarkeit von Testergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen wird in solch einer Krise zum Verhängnis. Aufgrund der vielen Fehlversuche wird die Entwicklung wirksamer Impfstoffe oder Medikamente gegen die Erkrankung Covid-19 verlangsamt und behindert. Auch wenn viele Forscher eilig darauf hinarbeiten, das Coronavirus in - teilweise genmanipulierten - „Tiermodellen“ zu erforschen, stehen sie vor einem altbekannten Problem: Es müsse erst die „richtige“ Tierspezies gefunden werden, die für die Forschungen geeignet sei (2). Eine solche Aussage zeigt ganz klar auf, wie ineffizient die Testung an Tieren ist und dass es einem Zufallstreffer gleicht, ob man irgendwann eine Tierart gefunden hat, bei der die Infektion mit dem Erreger klappt. Letztlich werden dann selektiv nur die Tierversuche der Öffentlichkeit präsentiert, die zum Erfolg geführt haben und die zahllosen zuvor gescheiterten verschwiegen. 

Das Coronavirus verbreitet sich so rasant auf der ganzen Welt, weil es hochspezialisiert seinen Wirt, den Menschen, befällt. Es verursacht nach aktuellem Wissensstand keine Pandemie bei anderen Spezies, sondern ausschließlich beim Menschen. Was liegt also näher, als die Forschung basierend auf menschlichen Test-Systemen durchzuführen? 

Trotz allem werden Tierversuche durchgeführt, beispielsweise an Mäusen, die allerdings nicht mit SARS-CoV-2 infiziert werden können. Aus diesem Grund sollen transgene Mäuse generiert werden, was an sich schon Monate dauern wird (3). Die reguläre Entwicklung von Impfstoffen dauert ein Jahrzehnt oder mehr und kostet hunderte Millionen Euro. Ein Hauptgrund dafür ist, dass etliche Impfstoffe in Tierversuchen bestens wirken, im Menschen dann aber nicht (4). 

Ganz vorne mit dabei, wenn es um Tierversuche zu SARS-CoV-2 geht, ist das Friedrich-Loeffler-Institut Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems bei Greifswald. Hier wird gleich an mehreren Tierarten geforscht: 20 Hühner, 12 Schweine, 12 Flughunde und 8 Frettchen werden für die ersten Infektionsversuche eingesetzt (5). Es handelt sich hierbei größtenteils nicht um Versuche mit dem direkten Ziel der Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten. Ein Hauptanliegen sei es laut Aussage des FLI-Direktors, ein Modell zu etablieren, an dem man das Virus gut erforschen könne (6). Bei den Frettchen werden die Versuche damit gerechtfertigt, dass diese ein „bewährtes“ Modell für menschliche Lungeninfektionskrankheiten seien. Schaut man sich die Durchfallquoten bei der Medikamentenentwicklung im Bereich von Atemwegserkrankungen an, ist das schwer zu glauben: Sie liegt bei stolzen 87 % (7). 

Humanbasierten In-vitro-Modelle: Schnell und zuverlässig

Es ist absurd und erschreckend, dass selbst in einer dramatischen Krisensituation wie dieser die ungeeignete Methode Tierversuch eingesetzt wird – obwohl man aus Erfahrung genau weiß, dass die Übertragbarkeit der Versuchsergebnisse auf den Menschen mehr als fragwürdig ist und die Versuche viel zu lange dauern, um in dieser Krisensituation hilfreich zu sein. Selbst jetzt werden massenhaft Fördergelder verschwendet, um diese nicht zielführende Forschung zu finanzieren. 

Viel sinnvoller wäre es, diejenigen Forscher zu unterstützen, die verlässliche humanbasierte In vitro-Methoden entwickeln, um die Mechanismen der Virusinfektion zu erforschen und wirksame Medikamente zu identifizieren. 3-dimensionale menschliche Lungenmodelle, die sogar in hohem Durchsatz mittels 3D-Druck hergestellt werden können, sind ideal geeignet, um Infektionsforschung mit diversen grippeartigen Viren einschließlich SARS-CoV zu betreiben (8,9). Diese innovativen Systeme haben sich schon lange in diesem Forschungsbereich etabliert und könnten leicht für die Coronavirus-Forschung eingesetzt werden. Auch Multi-Organ-Chips, auf denen humane Zellmodelle der Lunge und anderer Organe z.B. des Immunsystems zusammengeschaltet sind, wären optimal geeignet, um schnell und effektiv zu wertvollen Ergebnissen zu kommen (10). 

Fazit

Die Corona-Krise ist eine Chance für Forschung und Politik, zu erkennen, dass Tierversuche aufgrund ihrer nicht zu leugnenden Ineffektivität die menschliche Sicherheit gefährden und den medizinischen Fortschritt aufhalten. Der Staat muss endlich einsehen, dass im 21. Jahrhundert moderne humanbasierte Methoden, die sich schon vielfach bewährt haben, unbedingt rapide weiterentwickelt und vor allem finanziell gefördert werden müssen. Pandemien wie diese werden in Zukunft vermutlich kein Einzelfall bleiben - und beim nächsten Mal sollten wir in der Lage sein, mit innovativen und zuverlässigen Forschungsmodellen schneller zu sein als das Virus. 

19.03.2020
Dr. rer. nat. Tamara Zietek 

Quellen

  1. Roberts M. Coronavirus: US volunteers test first vaccine. BBC News. Aufgerufen am 18.3.2020
  2. Labs scramble to find right animals for coronavirus studies. STAT. Aufgerufen am 18.3.2020
  3. Researchers fast-track coronavirus vaccine by skipping key animal testing first. livescience.com. Aufgerufen am 18.3.2020
  4. Pre-clinical testing with in vitro model may streamline vaccine development. Drug Target Review. Aufgerufen am 18.3.2020
  5. Erste Ergebnisse Ende April: Institut forscht mit Tieren am neuartigen Coronavirus. STERN.de. Aufgerufen am 18.3.2020
  6. Corona: Kann das Virus auch Tiere befallen? NDR.de.  Aufgerufen am 18.3.2020
  7. Clinical Development Success Rates 2006-2015. BIO, Biomedtracker, Amplion. PDF aufgerufen am 18.3.2020 
  8. Chan MCW et al. Pathogenesis of SARS coronavirus infection using human lung epithelial cells: an in vitro model. Hong Kong Med J 2011; 17(Suppl 6):S31-5
  9. Bhowmick R et al. A Three-Dimensional Human Tissue-Engineered Lung Model to Study Influenza A Infection. Tissue Eng Part A. 2018; 24(19–20):1468–80
  10. Ronaldson-Bouchard K und Vunjak-Novakovic G. Organs-on-a-Chip: A Fast Track for Engineered Human Tissues in Drug Development. Cell Stem Cell. 2018; 22(3):310–24