Kaninchen, Hunde und Affen mit Masken, in denen eine qualmende Zigarette steckt – Viele erinnern sich vielleicht noch an die schrecklichen Bilder aus den 60er und 70er Jahren. Es ist unfassbar, dass solche Tierversuche – heute hauptsächlich an Ratten und Mäusen - immer noch gang und gäbe sind. Hier bei uns in Deutschland! Und das obwohl man mit Bevölkerungsstudien über die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens ganze Bibliotheken füllen könnte und es heutzutage moderne Forschungsmethoden gibt. Und obwohl Tierversuche für die Entwicklung von Tabakprodukten im Tierschutzgesetz verboten sind.

Rauchen ist schädlich

In Deutschland ist der Nikotinkonsum zwar rückläufig, trotzdem rauchen 2015 immer noch 25 % der Bevölkerung. 120.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen des Rauchens. Diese tabakbedingten Todesfälle resultieren dabei am häufigsten aus Krebserkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 90 % der Lungenkrebsfälle werden durch das Rauchen verursacht. Auch ist Rauchen die bedeutendste Ursache für die Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). (1) Direkte und indirekte Kosten des Rauchens schätzt das Deutsche Krebsforschungsinstitut auf etwa 79 Milliarden Euro pro Jahr. (2)

Rauchversuche mit Tieren in der Vergangenheit

Mitte des letzten Jahrhunderts hat man an der krankmachenden Wirkung von Zigaretten noch gezweifelt. Denn zum Rauchen gezwungene Tiere erkrankten nicht an Krebs oder Herz-Kreislauf-Problemen. Und diesem Resultat schenkte man mehr Glauben als den bereits damals vorhandenen Ergebnissen aus Bevölkerungsstudien. (3)

Das Wissen bezüglich der Schädlichkeit des Rauchens wurde anhand von Humanstudien immer umfassender. Das amerikanische Gesundheitsministerium (United States Department of Health and Human Services) z. B. veröffentlicht seit 1964 regelmäßig einen Report, der den aktuellen Wissensstand zu den Folgen des Nikotinkonsums, basierend auf Humanstudien, zusammenfasst. (4)

Um die Jahrtausendwende war so das Krankheitsrisiko von Tabakkonsum hinreichend bekannt. (5) Aber selbst mit dem Wissen aus unzähligen Bevölkerungsstudien, dass Tabakrauch die Hauptursache für mehr als 40 schwerwiegende, teilweise tödlich verlaufende Krankheiten ist, wurden in den 90er und 2000er Jahren weiter Tierversuche betrieben. Der Fokus der damaligen Versuche lag dabei u.a. auf den Konsequenzen von Passivrauchen und der Entstehung von Lungenkrebs. (6)

Der Tabakriese Philip Morris zwang in seiner Niederlassung in Köln noch in den 2000er Jahren Ratten und Mäuse zum Rauchen, um das Passivrauchen zu untersuchen oder Zigarettenzusätze wie Vanillin zu testen. (6)

Rauchversuche an Tieren in der Gegenwart

Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass auch heutzutage weiterhin Tiere für Versuche mit Tabakrauch leiden und sterben müssen. Und das, obwohl das Tierschutzgesetz bereits seit 1986 „Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen … grundsätzlich“ verbietet.

Drei aktuelle Rauchversuche aus München, Ulm und von Boehringer Ingelheim:

Helmholtz-Zentrum in München, 2018: Mäuse werden in eine Plastikkammer gesetzt, in die 100 % Zigarettenrauch geleitet wird. Hier müssen sie zweimal täglich 50 Minuten an 5 Tagen die Woche verbleiben. Mit dieser Prozedur soll bei den Tieren eine chronische, die Lungenwege einengende Lungenerkrankung (COPD) ausgelöst werden. Nach vier oder sechs Monaten wird unter Narkose ein Loch in die Luftröhre geschnitten und dort ein Katheter eingeführt. Darüber wird ein Gas in die Lunge eingeleitet und wieder abgesaugt, um den Gehalt von Kohlenmonoxid zu untersuchen. Außerdem wird die Lunge mit einer Flüssigkeit gespült und die damit ausgespülten Zellen untersucht. Anhand dieses Versuches soll die Krankheitsentstehung der vor allem durch Zigarettenrauch hervorgerufenen COPD beim Menschen untersucht werden. (7)

Institut für anästhesiologische Pathophysiologie und Verfahrensentwicklung in Ulm, 2018: Mäuse werden 3 Wochen lang an 5 Tagen pro Woche dem Rauch von Roth-Händle-Zigaretten ohne Filter ausgesetzt. Dafür wird am ersten Tag der Rauch von 4 Zigaretten über einen semi-automatischen Rauchgenerator verraucht und in eine Box eingeleitet. Jede Verrauchung dauert 15 Minuten. Am 2. Tag erfolgt eine Steigerung auf 6 Zigaretten, ab dem 3. Tag auf 8 Zigaretten pro Tag. Eine Woche nach Ende der Rauchversuche wird bei einem Teil der Mäuse unter Narkose über eine Vene so viel Blut abgesaugt, dass durch den extrem niedrigen Blutdruck ein Blutungsschock entsteht. Nach einer Stunde wird das Blut vermischt mit Medikamenten wieder zugeführt. Einige der Mäuse, die bereits dem Zigarettenrauch und dem Blutverlust ausgesetzt waren, bekommen noch durch eine auf den Brustkorb gerichtete explosionsartige Luftwelle eine Quetschung der Lunge herbeigeführt. Die wenigen Tiere, die diese Prozeduren überhaupt überleben, werden durch Ausbluten getötet. Anhand dieser Studie wird herausgefunden, dass sich das Rauchen von Zigaretten negativ bei schweren Lungenquetschungen auswirkt. (8)

Beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim in Biberach an der Riß werden Mäuse täglich dem Rauch von 4 Roth-Händle-Zigaretten ohne Filter ausgesetzt, indem sie in eine Plastikbox gesetzt werden, in die der Rauch eingeleitet wird. Nach 5 Tagen werden den Tieren unter Betäubung H1N1-Influenzaviren (bekannt als „Schweinegrippe“) in die Nase gesprüht. Dann folgen 4 weitere Tage mit Zigarettenrauch-Exposition. Ein Teil der Mäusegruppen erhält von Beginn an alle zwei Tage Antikörper in die Bauchhöhle injiziert, die bestimmte Entzündungsbotenstoffe hemmen sollen. Eine Kontrollgruppe wird nur Zigarettenrauch, aber keinen Viren ausgesetzt, eine weitere Gruppe wird gar nicht behandelt. Die Mäuse der Gruppe, die Rauch und Viren, aber keine Antikörper erhält, verlieren innerhalb von 12 Tagen 15 % ihres Gewichts. Am 12. Tag werden alle Mäuse getötet. Ergebnis: Die Kombination aus Zigarettenrauch und Schweinegrippeviren macht Mäuse kränker, als nur Zigarettenrauch. Bestimmte Entzündungsbotenstoffe spielen dabei eine Rolle. (9)

Mit der Schilderung dieser Rauchversuche fühlt man sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Denn die Methoden, wie die Tiere dem Rauch ausgesetzt werden, haben sich im Laufe der Jahrzehnte nicht geändert – wurden höchstens modifiziert.(10) Üblich sind z. B. bei Nagetieren entweder die sogenannte „Ganzkörper“-Rauchexposition in einer Kammer oder eine „Nur Nasen“-Exposition. Hier werden Mäuse, Ratten oder Hamster in Plastikröhren gesteckt, so dass nur noch die Nase herausschaut. Dann werden sie über diese Fixierung gezwungen Tabakrauch einzuatmen.

Der Unterschied von Versuchen in der Vergangenheit zu denen der Gegenwart ist einzig die Begründung der Studien. Früher ging es um die Frage, ob Zigarettenrauch überhaupt schädlich ist, heute steht die Erforschung der Ursachen von menschlichen Krankheiten wie der COPD im Mittelpunkt. Und das an Tieren, die sich in Anatomie, Physiologie und Immunologie so stark vom Menschen unterscheiden, dass ihre Reaktion auf Zigarettenrauch völlig anders ausfällt. (11)

Innovative tierversuchsfreie Methoden für die Tabakforschung

Der Bereich der Lungenforschung hat immer mehr moderne, tierversuchsfreie Methoden vorzuweisen, die den Menschen und dessen Gewebe im Fokus haben. Präzisions-Schnitte von menschlichen Lungen beispielsweise sind lebende, dreidimensionale Gewebeschnitte, die nahezu alle Zelltypen enthalten. An ihnen können giftige Mechanismen, die eine Kommunikation verschiedener Zelltypen erfordern, erforscht werden.(12) Mittlerweile sind bereits komplexe 3D-Modelle des menschlichen Lungenepithels, hergestellt aus humanen Zellen, kommerziell erhältlich. Die Zellen hierfür werden bei Operationen gewonnen. Je nach Gesundheits- bzw. Krankheitsstatus des Spenders handelt es sich u.a. um Modelle von Rauchern, COPD, Asthma, cystischer Fibrose und Lungenkrebs.(13) Im Cultex-Verfahren wird die Oberfläche einer porösen Membran mit menschlichen Lungenzellen beschichtet, auf der Unterseite befindet sich das Nährmedium. Das spiegelt die physiologische Situation in den Atemwegen wieder, denn die Zellen auf der Oberfläche sind der Luft ausgesetzt. Werden diese Zellen jetzt mit Zigarettenrauch konfrontiert, kann man prüfen, ob dieser sich schädlich auf sie auswirkt. Auch chronische Schädigung und Reparaturmechanismen des Körpers können so erforscht werden.(14) Lunge-auf-dem-Chip Modelle bestehen aus winzigen dehnbare Kunststoffkanälchen, die durch eine flexible Membran in zwei Bereiche geteilt werden. Der eine Teil entspricht den Blutgefäßen in der Lunge. Dort ist die Membran mit Blutgefäßzellen besiedelt, auf der anderen (der Luftstromseite) mit Lungenzellen. Die Kanälchen lassen sich durch ein Vakuum strecken, wodurch die natürliche Atembewegung der Lungenbläschen nachgeahmt werden kann. Eine Testsubstanz wie der Tabakrauch wird mit dem Luftstrom in das System geleitet, um den Übergang von Substanzen von der Atemluft in die Lungenbläschen nachzustellen.(15) Andere Organ-Chips befassen sich intensiver mit der Luft-Blut-Schranke. Nur Stoffe, die diese Barriere überwinden können, haben die Fähigkeit andere Organe zu schädigen.(16)

Prävention ist die beste Medizin

Neben Nikotin enthält Zigarettenrauch etwa 5.000 Substanzen, von denen über 90 als krebserregend oder erbgutschädigend gelten. Mit dem Tabakrauch werden somit eine Vielzahl an Giftstoffen über die Lunge aufgenommen und im ganzen Körper verteilt. (1) Dass Rauchen schädlich für den Konsumenten wie auch für seine Mitmenschen (Passivrauchen) ist, steht heutzutage außer Frage. Warum bekämpft man dann nicht das Übel direkt an der Wurzel? Forschung und Medizin konzentrieren sich wie fast immer auf Schadensbegrenzung und die Behandlung der Folgen von Tabakkonsum. Viel effektiver wäre es aber, wenn man den Fokus verstärkt auf Prävention setzen würde. Denn durch den Verzicht auf Zigaretten reduziert sich das Risiko für viele Krankheiten sofort enorm. (2)

Fazit

Tierversuche zur Entwicklung von Tabakprodukten sind zwar schon lange gesetzlich verboten. Das hindert die tierexperimentelle Forschung aber nicht daran, weiter vorgeblich zum „Schutz der menschlichen Gesundheit“ Tiere Zigarettenrauch auszusetzen. Und das, obwohl mittlerweile viel aussagekräftigere Methoden zur Verfügung stehen. Wie in anderen biomedizinischen Bereichen wird auch hier hartnäckig an den mittelalterlichen Methoden festhalten.

23.01.2019
Dr. med. vet. Gaby Neumann

Quellen

  1. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 2018. Bundesministerium für Gesundheit 2018 (PDF) (abgerufen am 07.01.2019)
  2. Tabakatlas Deutschland 2015 – Auf einen Blick. Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft 2015 (PDF) (abgerufen am 07.01.2019)
  3. Hentschel, MW und Müller RS: Sind Zigaretten gefährlich? Der Spiegel, 22.01.1964
  4. The Health Consequences of Smoking – 50 Years of Progress. A Report of the Surgeon General. U.S. Department of Health and Human Services, 2014 (PDF) (abgerufen am 07.01.2019)
  5. EU-Kampagne: Mit Schockmotiven gegen das Rauchen. Spiegel Online, 22.10.2004
  6. Ärzte gegen Tierversuche e. V.: Datenbank Tierversuche
  7. Jia, J et al.: Cholesterol metabolism promotes B‐cell positioning during immune pathogenesis of chronic obstructive pulmonary disease. EMBO Molecular Medicine 2018; 10(5): e8349
  8. Hartmann, C et al.: In-Depth Characterization of the Effects of Cigarette Smoke Exposure on the Acute Trauma Response and Hemorrhage in Mice. Shock 2018; doi: 10.1097/SHK.0000000000001115
  9. Bucher, H et al: Neutralization of both IL-1α/IL-1β plays a major role in suppressing combined cigarette smoke/virus-induced pulmonary inflammation in mice. Pulmonary, Pharmacology & Thereupics 2017; 44: 96–105
  10. Klus, H et al.: Cigarette Mainstream Smoke: The Evolution of Methods and Devices for Generation, Exposure and Collection. Contributions to Tobacco Research 2016; 27 (4): 137-274
  11. Coggins, CRE: A minireview of chronic animal inhalation studies with mainstream cigarette smoke. Inhalation Toxicology 2002; 14(10): 991–1002
  12. Morin J-P et al.: Precision cut lung slices as an efficient tool for in vitro lung physio-pharmacotoxicology studies. Xenobiotica 2013; 43(1): 63–72
  13. First choice for in vitro toxicology at the air-liquid interface. Cultex 2018 (abgerufen am 07.01.2019)
  14. Levis, L: Mimicking Organs. Harvard Magazine 2015  (abgerufen am 07.01.2019)
  15. Stucki, A et al.: Lung-on-a-Chip: The interplay of primary human epithelial and endothelial cells improves the alveolar barrier function. Altex Proceedings 2018; 2(7): 226
  16. Stucki, A et al.: Lung-on-a-Chip: The interplay of primary human epithelial and endothelial cells improves the alveolar barrier function. Altex Proceedings 2018; 2(7): 226