3. Mai 2017

Der Artikel aus dem Jahr 2011 thematisiert die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Tierversuchen am historischen Beispiel Thalidomid. Thalidomid wurde 1957 als Contergan (bzw. Softenon) vom Pharmaunternehmen Grünenthal auf den Markt gebracht. Es galt als harmloses Schlaf- und Beruhigungsmittel und wurde u.a. zur Behandlung von morgendlicher Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt. Dies führte in nur vier Jahren zu teils schweren Missbildungen bei rund 10.000 Neugeborenen.

Das Ziel des Artikels ist es, an Hand der Analyse von konkreten historischen Belegen und Forschungsarbeiten folgende gängige Argumente wissenschaftlich zu widerlegen:

Vier zentrale Punkte werden von den Autoren untersucht und wissenschaftlich nachgewiesen:

1. Die Tatsache, dass diaplazentarer Transfer möglich ist, also dass Wirkstoffe von der Mutter über die Plazenta auf das Kind übertragen werden können, gilt seit den 1930er Jahren als wissenschaftlich anerkannt. Nach dem Wissensstand der 1950er Jahre konnte Thalidomid als klarer Kandidat für möglichen diaplazentaren Transfer gelten.

2. Tests zur Teratogenität von neuen Wirkstoffen gehörten in den späten 1950er Jahren zur gängigen Praxis innerhalb von präklinischen Versuchsreihen. Ob auch Thalidomid nach dem damals üblichen Prozedere an schwangeren Tieren getestet wurde, werden wir nie mit Sicherheit erfahren: Sämtliche Versuchsprotokolle der Firma Grünenthal wurden zerstört.

3. Mehr Tierversuche hätten die „Contergan-Tragödie“ nicht verhindern können. Nachdem die Folgen von Thalidomid bewiesen waren, begannen intensive Forschungsarbeiten zur Teratogenität von Thalidomid bei unterschiedlichen Tierarten:

4. Und: Heutige Teratogenitätstests basieren immer noch auf der irrtümlichen Annahme, Forschungsergebnisse aus Tierversuchen wären auf den Menschen übertragbar. Allein die Tatsache, dass neun von zehn neuen Wirkstoffen in klinischen Versuchen versagen, da die Ergebnisse aus den Tierversuchen nicht die Reaktionen des menschlichen Organismus widerspiegeln, spricht Bände. Der Schluss, den die Autoren daraus ziehen, ist, dass das ideale Modell für den Menschen nur der Mensch selbst sein kann. Dies verhindere auch, dass möglicherweise für den Menschen hochwirksame Wirkstoffe durch „falsche“ Ergebnisse am Tier verloren gehen.

Originalartikel

Greek, R.; Shanks, N. and Rice, M. J.: The History and Implications of Testing Thalidomide on Animals. The Journal of Philosophy, Science & Law 2011: 11; 1-32