Ärztevereinigung stallt Strafanzeige gegen Tierexperimentatoren

Presseerklärung vom 10. März 2003

Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. stellte heute Strafanzeige gegen sieben Tierexperimentatoren. Die vorwiegend in Aachen ansässigen Wissenschaftler haben sich nach Ansicht der Ärztevereinigung der Tiermisshandlung und der Tiertötung schuldig gemacht und damit gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Zwei Kaninchen hatten sich nach einer im Rahmen eines Tierversuchs durchgeführten Operation selbst die Naht geöffnet und waren an herausgefallenen Organen gestorben.

„Das Knabbern an den eigenen Operationsnähten, was bei Kaninchen durchaus vorkommt, kann durch geeignete Maßnahmen verhindert werden", erklärt Dr. med. vet. Corina Gericke von der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche. „Offensichtlich muss hier von einer nicht lege artis ausgeführten Operation und einer vernachlässigten Sorgfaltspflicht ausgegangen werden“, so die Tierärztin weiter. Laut Strafanzeige haben die Beschuldigten durch ihr „verantwortungsloses und rücksichtloses Verhalten, das Leiden, die Schmerzen und ohne vernünftigen Grund den Tod der Tiere verursacht“.

Bei dem 2002 in einer wissenschaftlichen Zeitschrift* veröffentlichten Tierversuch wurden insgesamt 40 Kaninchen verwendet. Unter Narkose wurde den Tieren die Innenseite der Bauchwand mit Schmirgelpapier abgescheuert. Nach Beendigung der Operation starb ein Kaninchen aufgrund eines Narkosezwischenfalls und zwei starben, nachdem sie sich selbst die Naht geöffnet hatten. Bei den anderen Kaninchen kam es aufgrund der Verletzungen im Bauchraum zu schmerzhaften Verwachsungen der inneren Organe mit der Bauchwand. Die Tiere wurden zehn Tagen später getötet. Eine Beschreibung des Tierversuchs ist im Internet unter www.datenbank-tierversuche.de zu finden.

* Quelle: Journal of Investigative Surgery 2002: 15, 23-28
Autoren: Stefan A. Müller (1)* at al.
Titel: Influence of early drainage of intraperitoneal phospholipids on efficacy of adhesion prevention
Institute: (1) Chirurgische Klinik, Medizinische Fakultät, Rheinisch-Westfälische Technische Universität Aachen, 52074 Aachen, (2) Institut für Pathologie, Medizinische Fakultät, Rheinisch-Westfälische Technische Universität Aachen, (3) Joint Institute for Surgical Research, Russian Medical State University, Moskau

Veterinärmedizinische Beurteilung zum Tod von zwei Kaninchen durch vorgefallene Organe

Dr. med. vet. Corina Gericke

Kaninchen neigen durchaus dazu an ihren eigenen Operationsnähten zu knabbern. Da dies bekannt ist, muss diesbezüglich Vorsorge getroffen werden, damit die Tiere sich nicht selbst verletzen. Geeignete Maßnahmen hierfür sind:

Offensichtlich wurde im vorliegenden Fall keine geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung des Öffnens der eigenen Naht getroffen. Es muss also von einer nicht lege artis durchgeführten Operation und einer vernachlässigten Sorgfaltspflicht ausgegangen werden.

Die Kaninchen haben sich nicht nur selbst die Naht geöffnet, sondern sind auch noch an vorgefallenen Organen gestorben. Organe, die vorfallen können, sind Därme, Magen, Bauchspeicheldrüse, Milz. Wird dabei eine der großen Arterien (z.B. Milz- oder Gekrösearterie) abgeklemmt, kann es zum Schock kommen und das Tier stirbt innerhalb kurzer Zeit. Liegen die Organe über einen längeren Zeitraum außerhalb der Bauchhöhle, kommt es zur Austrocknung und zum Absterben der Organe. Der Tod kann erst nach einigen Tagen eintreten.

Im vorliegenden Fall ist es unwahrscheinlich, dass bei beiden betroffenen Kaninchen eine Abklemmung lebenswichtiger Blutgefäße stattgefunden hat. Wahrscheinlicher ist, dass die Tiere über einen längeren Zeitraum nicht kontrolliert worden sind, so dass sie langsam und qualvoll gestorben sind.

Der vorzeitige Tod der Kaninchen, verbunden mit den erheblichen Leiden und Schmerzen, wäre auf jeden Fall vermeidbar gewesen. 

Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Aachen

Mit einem Schreiben vom 15. Dezember 2003 teilt die Staatsanwaltschaft Aachen mit, dass sie beabsichtigt das Verfahren gegen die Experimentatoren einzustellen. Begründung: der zugrundeliegende Tierversuch sei möglicherweise nicht im Klinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen durchgeführt worden.

Von der Staatsanwaltschaft konnte der Ort der Durchführung des fraglichen Tierversuchs nicht ermittelt werden. Zwar sei von der zuständigen Genehmigungsbehörde ein Versuch mit entsprechendem Inhalt genehmigt worden, angeblich sei dieser Versuch allerdings nie durchgeführt worden.

Tatsache ist aber, dass über den in Frage stehenden Tierversuch ein Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen ist (Journal of Investigative Surgery 15: 23-28, 2002). Neben vier Wissenschaftlern von der RWTH Aachen werden auch drei Wissenschaftler von der Universität Moskau als Autoren dieses Artikels genannt. Die Ermittlungsbehörden vermuten, dass der Versuch in Russland stattgefunden haben könnte.

Dieser Vermutung widerspricht eine Zeile in der Originalarbeit, in der es heißt: »The protocol was approved by the local animal use and care committee, and the experiments were conducted in accordance with the animal protection laws«.

In Russland gibt es weder ein Tierschutzgesetz noch eine Ethikkommission oder ähnliches. Tierversuche werden in Russland ohne jede staatliche Kontrolle durchgeführt. Es existiert lediglich eine Leitlinie mit empfehlendem Charakter, gemäß der Versuchstiere gut behandelt und human getötet werden sollen.

Demzufolge kann der zitierte Satz aus der Originalarbeit nur bedeuten, dass der Versuch doch in Aachen stattgefunden haben muss.

Doch selbst wenn die Hauptautoren behaupten sollten, die Angabe in der Originalarbeit sei falsch und der Versuch sei in Russland durchgeführt worden, so können und dürfen sie sich nicht der gemeinsamen Verantwortung entziehen.

Mit diesen Ausführungen legten die Ärzte gegen Tierversuche Beschwerde ein. Doch am 6. April 2004 stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen endgültig ein. Den Beschuldigten sei ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz nicht nachzuweisen gewesen.