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In einem aktuellen Fachartikel werden die drei wichtigsten 3D-Technologien (3D-Organoide, 3D-Mikrofabrikationen und 3D-Bioprinting) vorgestellt, mit denen menschliche Organe im Miniformat nachgebaut werden können. Es wird gezeigt, wie die 3D-Methoden zur Verbesserung des Medikamentenentwicklungsprozess beitragen können (Kosten- und Zeitreduktion, bessere Kontrollierbarkeit).

Zusammenfassung

Heutzutage ist die Medikamentenentwicklung eine teure und unvorhersehbare Herausforderung. Die Entdeckung von nur einem wirksamen Medikament kann über 15 Jahre Suche, eine Millionen aussortierte Stoffe und Kosten von mehr als 900 Millionen US-Dollar bedeuten. Aufgrund der zum Teil sehr großen physiologischen Unterschiede, führen die vorklinischen Tierversuche zu ungenauen Vorhersagen in den nachgeschalteten klinischen Studien am Menschen. Humanrelevante Modelle, die kostengünstiger und weniger zeitintensiv sind als Tierversuche, führen hingegen zu zuverlässigen Vorhersagen in der Medikamentenwirkung und damit zu mehr Sicherheit in klinischen Studien.

Technologische Fortschritte ermöglichen heute Wissenschaftlern, menschliche Mini-Organe in 3D-Modellen nachzubilden. Es besteht sogar die Möglichkeit, mehrere Organe miteinander zu verbinden, um modellhaft zu zeigen, wie bestimmte Stoffe durch die Interaktion von Organen verstoffwechselt werden und das auf einem zeitsparenden Weg. Erste Erfolge gab es bereits. 

Zellen sind natürlicherweise komplexen Einflüssen des gesamten Körpers ausgesetzt. Sie bekommen Signale von anderen Zellen oder durch die Gewebeflüssigkeit – hinzu kommen mechanische Reize. Diese Vernetzung ist wichtig für den Erhalt von Zellformen und -prozessen. Das Ziel bei der Herstellung von Modell-Gewebe oder –Organen ist es, so viele dieser Interaktionen wie möglich nachzubilden, um die wichtigsten Merkmale der Gewebeorganisation und -funktion zu gewährleisten. Das kann über verschiedene Wege erzielt werden: 

Beim sogenannten Top-down-Ansatz, werden verschiedene Zelltypen auf Kunststoffplatten angeordnet. Zellen in einer Kulturschale wachsen normalerweise zweidimensional, also nur auf dem Boden. Mit Hilfe eines Gerüsts aus Biomaterial und kleinen Kanälen kann man sie auch dreidimensional in die Höhe wachsen lassen. Auf diesem Weg kann ein ganzes Organabbild in einer Kultur entstehen: ein Organ-on-a-Chip.

Bei der Herstellung von Organoiden, also Miniorganen, die als kleinstmögliche Einheit eine realistische Organfunktion aufweisen, nutzt man die Eigenschaft von Zellstrukturen, sich selbst zu organisieren und komplexe Gewebe- und Organähnliche Konstruktionen zu entwickeln. Die wichtigsten Zelltypen sind hier die pluripotenten Stammzellen, da sie eine extrem hohe Kapazität besitzen, sich selbst zu organisieren, zu strukturieren und in verschiedene Richtungen zu verändern. 

Solche Organoide sind u.a. bereits für Gehirn, Darm, Leber, Niere, Retina, Haut, Lunge, Gefäße und als Krebsmodell entwickelt worden. Mit Gehirn-Organoiden lässt sich z.B. die Großhirnrinde mit Nervenzellen aus verschiedenen Hirnregionen nachbilden. Diese Nervenzellen zeigen spontane Aktivitäten auf und formen funktionelle Strukturen, die eine detaillierte Analyse von Großhirnrindenentwicklung, -funktionen und -erkrankungen ermöglicht. Mit dieser Methode wurde schon die Ursache für das Timothy Syndrom (Entwicklungsstörung von Nerven) entdeckt. 

Mehrere Organoide sind mit einem Flüssigkeitsstrom miteinander vernetzbar. Dies ermöglicht die Erforschung komplexer Reaktionen und Interaktionen der Miniorgane bei der Medikamententestung und bei Giftigkeitsprüfungen. Bei der sogenannten Mikrofabrikation werden die für eine Vernetzung nötigen Kanäle werden mit Hilfe von Lithographie – einem bestimmten Druckverfahren – aus Silikon hergestellt. Diese werden auf Mikroplättchen aufgebracht (Gefäße-on-a-chip) und gewährleisten die Versorgung einzelner Zellen mit Nährstoffen und Sauerstoff. Die Verbreitung von Tumorzellen konnte bereits über einen zirkulierenden Flüssigkeitsstrom von Darm- auf Leber-Organoide nachvollzogen werden. 

Eine andere Option sind 3D-Drucker, die 2D-Modelle und Tierversuche ersetzen können, da sie die Zellstruktur naturgetreu nachformen und eine sehr gute Anpassungsfähigkeit und Kosteneffektivität aufweisen. Nach dem Druck sind die Modelle allerdings nicht direkt einsatzbereit, sondern müssen erst zum Gewebe oder Organkonstrukt durch die Aussaat von Zellen auf das Gerüst heranwachsen. 

Mit diesen Modellen kann man bereits Herzklappen ersetzen, menschliche Fettzellen in gedrucktes Lebergewebe umwandeln (Regenerativmedizin), die Wirksamkeit von Medikamenten erforschen und das Verhalten von Wirkstoffen an Blut-Sauerstoff-Schranken mit Lungengewebe testen. Erkrankungen von Nerven können an gedrucktem Nervengewebe und Hirnstrukturen erforscht werden. An gedruckten Krebsmodellen, zum Beispiel an Gliom-Modellen, sind Tumorentstehungen und Wirkungsweisen von Wirkstoffen untersuchbar. Gedruckte Gefäßstrukturen tragen zur Forschung bei Wundheilungsstörungen bei. 

Durch die beschriebenen Methoden können Behandlungen und Medikamente individuell an jeden Patienten angepasst werden (so genannte „personalisierte Medizin“). Das Scheitern eines Wirkstoffes in den klinischen Studien durch genetische Variationen der Individuen kann durch Nutzung von patienteneigenen Zellen vermieden werden. Das heißt, man kann einem Patienten Zellen entnehmen, daraus Organoide züchten und quasi einen Minimenschen abbilden, der genau diesem Patienten entspricht. So können Art, Dosierung und Häufigkeit der Gabe eines Medikaments individuell angepasst werden. Bei der Gabe von mehreren Medikamenten können Wechselwirkungen besser abgeschätzt werden. 

20.3.2018
Dr. med. vet. Gaby Neumann

Quelle

Park, J. et al: 3D Miniaturization of Human Organs for Drug Discovery. Advanced Healthcare Materials: 2018; doi: 10.1002/adhm.201700551