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Sonstige

Leser-Umfrage

Liebe Mitglieder, liebe Leser und Leserinnen des ÄgT-Journals, 

das ÄgT-Journal ist neben den digitalen Auftritten das zentrale Organ unseres Vereins. Wir verschicken es an Mitglieder/Fördermitglieder, Politiker, Genehmigungsbehörden für Tierversuche und Veterinärämter. Selbstverständlich möchten wir, dass es möglichst viele Menschen anspricht und informiert. Doch ist das wirklich so? Um einen Eindruck von den Interessen unserer Leserschaft zu bekommen und so unser Journal optimieren zu können, bitten wir Sie, bei unserer Umfrage mitzumachen. Jede Meinung ist uns wichtig, denn wir müssen für die Erstellung eines ÄgT-Journals aus der Fülle wichtiger Informationen stark selektieren und wollen sicher sein, dabei richtig zu liegen.

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Knapp die Hälfte aller Krebs-Todesfälle ist auf potenziell vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen

Eine Analyse der Ergebnisse der Global Burden Disease Studie aus 2019 zeigt, dass 44,4 % aller Todesfälle durch Krebs auf die Top 3 Risikofaktoren Rauchen, Alkoholmissbrauch und Übergewicht zurückzuführen sind. Da es sich damit um Faktoren handelt, die durch Verhalten bzw. Lebensstil vermieden werden können, ergeben sich somit Handlungsmöglichkeiten, die Länder weltweit in ihrer Gesundheitspolitik erarbeiten und verankern sollten und somit die Krebstodesraten sowie die Einschränkungen und Belastungen, die durch diese Krankheit entstehen, positiv beeinflussen können.

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache weltweit und geht mit vielfachen sozio-ökonomischen Belastungen einher, so dass weltweit ein großes Interesse besteht, die Krebsraten unter Kontrolle zu bekommen. Manche Krebs-Risikofaktoren und damit einige Krebsfälle sind nicht vermeidbar, allerdings ist es wichtig, dass der Einfluss der Risikofaktoren, die bekannt und belegt sind, minimiert wird. Diese Art der Prävention ist eine extrem kostengünstige und dabei effektive Strategie, die allerdings noch um weitere Faktoren wie umfassendes Screening und Zugang zu schnellen und frühen Diagnosemöglichkeiten und Kapazitäten zur effektiven Behandlung ergänzt werden muss.

Studie mit Daten von 10 Millionen Menschen 

Die „Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study“ (GBD) umfasst einen Datensatz von ca. 10 Millionen Menschen aus 2010 bis 2019 mit 23 Krebsarten und 34 Risikofaktoren und berücksichtigt neben den Todesraten u.a. auch die Lebensjahre, die durch die Krebserkrankung beeinträchtigt werden (DALY = Disability-Adjusted Life-Years). Es ist mit die umfangreichste Studie, die weltweit geschlechts- und altersübergreifend angelegt ist.

Die Risikofaktoren werden in die Gruppen „Umwelt & Arbeitsplatz“, „Metabolismus“ und „Verhalten“ eingeteilt. Letzteres bezeichnet (äußere, externe) Risikofaktoren, bei denen der Mensch selbst ein hohes Potenzial hat, diese aktiv zu vermeiden.

Hauptrisikofaktoren: Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung

Der Anteil der Todesfälle mit äußeren Risikofaktoren beträgt mit 44,4 % knapp die Hälfte aller Krebsfälle. Bei Männern ist der Anteil an externen Risikofaktoren mit 50,6 % besonders hoch, bei Frauen beträgt er mit 36,3 % ein gutes Drittel. Auch die DALY lassen sich zu 42,0 % auf externe Faktoren zurückführen (Männer: 48,0 %, Frauen: 34,3 %). Die Hauptrisikofaktoren sind für beide Fälle gleich: in erster Linie ist Rauchen der Risikofaktor Nummer 1 bei beiden Geschlechtern, bei Männern gefolgt von Alkohol, ungesunder Ernährung und Luftverschmutzung bzw. bei Frauen gefolgt von ungeschütztem Geschlechtsverkehr, ungesunder Ernährung, hohem BMI sowie hoher Plasmaglukose.

Entsprechend sind die führenden Krebsarten bei Männern und Frauen Tracheal-, Bronchial- und Lungenkrebs. Bei Männern folgen Dickdarm- und Enddarmkrebs, bei Frauen Gebärmutterhals- und Darmkrebs.

Männer sind also häufiger von risikoabhängigen Krebstoden und DALYs betroffen als Frauen, ausgenommen die geschlechtsspezifischen Krebsarten, die ausschließlich Frauen betreffen. Eine Konsequenz daraus sollte sein, in Zukunft verstärkt geschlechtsspezifische Faktoren bei der Krebsforschung und -interventionen zu berücksichtigen.

Überproportional viele Verhaltens-risikofaktorabhängige Krebstode zeigen sich in Ländern mit hohem sozio-demografischen Index (SDI), obwohl diese Länder nur eine vergleichsweise geringe Population haben.

Krebstodeszahlen um 20,4% gestiegen

Insgesamt und global gesehen sind die Krebstodeszahlen zwischen 2010 und 2019 um 20,4 % und DALYS um 16,8 % gestiegen. Innerhalb dessen verzeichneten metabolische Risikofaktoren mit 34,7 % den höchsten Anstieg der Todeszahlen (DALYs: 33,3 %). Krebstodesfälle, die durch verhaltensabhängige Risikofaktoren verursacht wurden, erhöhten sich um 17,9 %.

Umwelt- und Arbeitsplatz-Risikofaktor-Todesfälle erhöhten sich um 16,7 %. Speziell Männer sind hier aufgrund ihrer häufigeren Tätigkeit in Arbeitsumgebungen mit höherem Gesundheitsrisiko öfter betroffen.

Die höchsten Anstiege der DALY-Raten, d.h. der Anstieg der Menschen, die durch ihre Krebserkrankung (stark) eingeschränkt sind, die auf metabolische Faktoren zurückzuführen ist, wurde in Süd-Asien, Nordafrika und dem Mittleren Osten beobachtet. Hier ist eine mögliche Begründung der Übergang zu höherem Lebensstandard, welcher sich auch u.a. in zunehmender Fettleibigkeit der Bevölkerung äußert.

Die stärkste Abnahme der Verhaltens-, Umwelt- und Berufsrisikofaktoren bedingten DALY-Raten ist u.a. in Mittel- und Osteuropa sowie Regionen mit höherem Einkommen zu beobachten.

Krebs-Prävention

Dies zeigt, dass die Gesundheitssysteme der unterschiedlichen Länder oder Regionen neben der allgemeinen Anti-Krebs-Strategie, die die Risikofaktorminimierung als zentralen Ansatzpunkt haben sollte, auch weitere Interventionen entwickeln müssen, die an die Anforderungen und Besonderheiten der jeweiligen Region angepasst sind. Schätzungsweise könnte sich die (allgemeine) Sterblichkeit bis 2030 um ein Drittel senken lassen. 

Krebs-Präventions-Management weltweit sollte sich dazu auf die Hauptrisikofaktoren konzentrieren. Insbesondere Rauchen und Alkohol sollte mit entsprechenden Aufklärungskampagnen und erhöhten Steuersätzen angegangen werden. Zugang zu Bildung und Armutsbekämpfung sind wichtige Schlüsselfaktoren und auch die Verantwortung des Individuums muss berücksichtigt werden.

Quelle

Murray, Christopher JL: The global burden of cancer attributable to risk factors, 2010–19: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet 2022; 400:563–91

Zusammenfassung: Dipl. Biol. Julia Radzwill

Musterbriefe Affenleid

Musterbriefe

Bitte helfen Sie mit und schreiben Sie per Brief oder E-Mail an das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) und an das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) als oberste Tierschutzbehörde.

Wir haben zwei Musterbriefe für Sie vorbereitet (s.u.). Ändern Sie diese gern nach Belieben oder formulieren Sie selbst einen Brief. 

Kampagne „Die Realität hinter der Affenhirnforschung - Jara gequält, verstümmelt, gestorben“ >>

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Bundesminister Cem Özdemir
Wilhelmstraße 54
11055 Berlin
poststelle@bmel.bund.de  

Sehr geehrter Herr Bundesminister Özdemir,

ich bin entsetzt zu erfahren, dass im Jahr 2022 in Deutschland immer noch Affenhirnversuche durchgeführt werden. Ich habe mich über diese Forschungsmethode informiert und festgestellt, dass es nichts anderes als grausame Folter ist, die Wissenschaft genannt wird.

Dabei werden die Tiere durch Entzug lebensnotwendiger Flüssigkeit gezwungen, Aufgaben am Bildschirm zu lösen, während ihr Kopf an einem zuvor am Schädel angeschraubten Haltebolzen bewegungslos fixiert wird. Durch eine Elektrodenkammer, die über einem Bohrloch im Schädelknochen befestigt ist, werden Elektroden in das Gehirn eingeschoben, um die Aktivität von Nervenzellen zu messen.

In der ZDF-Sendung Frontal gezeigte Bilder aus einem Sektionsbericht dokumentieren Kopfverletzungen wie Bohrlöcher im Schädelknochen und Stichverletzungen im Gehirn solcher Tiere. Diese Bilder bestätigen erneut dieses unvorstellbare Leid, das den hilflosen Tieren angetan wird.

Der Beurteilung der Veterinärpathologen nach, waren die Belastungen für die Tiere extrem hoch. Die Sektion des Affen Jara, der nach diesen Versuchen starb, ergab als Todesursache: „chronisch schweres Schädel-Hirntrauma, neurogener Schock unter anzunehmenden schwersten Schmerzen“.

Diese Qual ist nicht nur ethisch unvertretbar, sondern liefert ebenfalls nach mehreren Jahrzehnten keinen Nutzen in Form von Erkenntnisgewinn oder klinischen Anwendungsmöglichkeiten.

Die grausame Affenhirnforschung muss beendet werden! Außerdem müssen tierversuchsfreie Forschungsmethoden stärker gefördert werden, denn im Gegensatz zu Tierversuchen bringen solche Forschungsmethoden wertvolle Erkenntnisse, die kranken Menschen zugutekommen können.

Im Koalitionsvertrag ist zumindest eine Reduktionsstrategie für Tierversuche vereinbart. Leider ist bislang keine Umsetzung erfolgt.

Herr Özdemir, wir appellieren an Sie als für den Tierschutz verantwortlichen Bundesminister, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, als ersten Schritt die Affenhirnforschung zu beenden und weitere Maßnahmen in Richtung Ausstieg aus dem Tierversuch einzuleiten.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,

(Ihr Name)

=============================================

Ministerium für Ernährung, Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz
Baden-Württemberg
Minister Peter Hauk
Kernerplatz 10
70182 Stuttgart

pressestelle@mlr.bwl.de 

Sehr geehrter Herr Minister Hauk, 

ich bin schockiert zu erfahren, dass in Tübingen an drei Instituten immer noch Affenhirnversuche durchgeführt werden.

Dabei werden die sensiblen und sozialen Rhesusaffen durch Entzug lebensnotwendiger Flüssigkeit gezwungen, Aufgaben am Bildschirm zu lösen, während ihr Kopf an einem zuvor am Schädel angeschraubten Haltebolzen bewegungslos fixiert wird. Durch eine Elektrodenkammer, die über einem Bohrloch im Schädelknochen befestigt ist, werden Elektroden in das Gehirn eingeschoben, um die Aktivität von Nervenzellen zu messen. 

In der ZDF-Sendung Frontal gezeigte Bilder dokumentieren Kopfverletzungen wie Bohrlöcher im Schädelknochen und Stichverletzungen im Gehirn solcher Tiere. Der Beurteilung der Veterinärpathologen nach, waren die Belastungen für die Tiere extrem hoch. Die Sektion des Affen Jara, der nach diesen Versuchen starb, ergab als Todesursache: „chronisch schweres Schädel-Hirntrauma, neurogener Schock unter anzunehmenden schwersten Schmerzen“.

Überaus schockierend ist zudem, dass alle zuständigen Stellen frühzeitig Kenntnis von den Sektionsergebnissen hatten und diesen nicht nur lebensverachtenden, sondern auch gesetzeswidrigen Torturen hätten Einhalt gebieten können und müssen!

Herr Hauk, unter den zuständigen Stellen mit Kenntnis der Affenqual sind neben dem Veterinäramt Tübingen und dem Regierungspräsidium Tübingen das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR)!

Es ist ein Skandal, dass insbesondere Ihr für den Tierschutz zuständiges Ministerium diese schwerstwiegenden Qualen offensichtlich all die Jahre akzeptiert und unter den Teppich gekehrt hat.

Ich appelliere an Sie umgehend Maßnahmen einzuleiten, um die Affenhirnforschung zu beenden.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,

(Ihr Name) 

 

Zutritt verboten

Maus

Er ballte seine schlanken Hände so stark zu Fäusten, dass das Weiße seiner Fingergelenke sichtbar wurde. Sein Atem ging stoßweise und verzweifelt blickte er zu einem blassblauen Himmel, an dem sich dunkle Wolken zusammenballten. Dann schlug er mit seiner rechten Faust auf die Parkbank. Der Schmerz durchfuhr ihn wie ein Schlag. Doch was war dieser Schmerz im Vergleich zu einem anderen? Zu dem Schmerz anderer Lebewesen … dort, in diesem grauen Gebäude, das dicht hinter ihm in den Himmel ragte, so düster und bedrohlich wie die Wolken, die gerade aufzogen. Warum war ihm das erst jetzt bewusst geworden? 

Als Martin mit dem Medizinstudium begonnen hatte, war er voller Hoffnung und Freude gewesen. Menschen zu helfen, das war sein innigster Wunsch, sich dem Dienst einer ehrenvollen Aufgabe zu verschreiben. Auch der Tod seines Vaters hatte ihn beeinflusst. Er war an einem Herzinfarkt verstorben und seine Doktorarbeit wollte er über Herzkreislauferkrankungen schreiben. Als Martin zu Beginn des fünften Semesters eine Praktikumsstelle für Grundlagenforschung auf diesem Fachgebiet entdeckte, hatte er sich sofort beworben und kurze Zeit später eine Zusage erhalten. 

An seinem ersten Tag war Martin aufgeregt und nervös gewesen. Er wurde von einer freundlichen Mitarbeiterin der Verwaltung mit allen Vorschriften vertraut gemacht, erhielt einen Ausweis und eine Chipkarte. „Die dürfen Sie auf keinen Fall verlieren, das ist die Sesam-öffne-dich-Karte für alle Bereiche in diesem Gebäude“, hatte sie augenzwinkernd gemeint. „Und jetzt begeben Sie sich bitte auf Zimmer 212, dort erhalten Sie Ihre Einweisung von Frau Professor Etrom, der Sie unterstellt sind. Viel Glück.“

Das „viel Glück“ hatte wie ein schlechtes Omen in Martins Kopf nachgehallt, während er mit dem Aufzug in den zweiten Stock gefahren und rechts einen Gang entlang gelaufen war, dessen Geruch nach Desinfektionsmitteln den Atem stocken ließ.

Maus

Zaghaft hatte er an die Tür von Zimmer 212 geklopft. Die Begrüßung von Frau Professor Etrom war distanziert gewesen, seine ausgestreckte Hand wurde fast vorwurfsvoll abgelehnt. „Corona ist noch nicht vorbei.“ Ihre graublauen Augen hatten ihn kritisch gemustert, von der Fußsohle bis zum Scheitel. Verlegen hatte er auf das Namensschild an ihrem weißen Kittel gestarrt und sich gefragt, welcher Name sich hinter dem H. verbarg.

Kurz und knapp hatte Martin erklärt bekommen, was er vorerst tun musste. Frau Professor Etrom hatte auf die Karteikarten gedeutet, die in einer grauen Box auf einem stählernen Rollwagen standen. „In ein paar Tagen beginnen wir mit den Versuchen. Ihre Aufzeichnungen bis dahin sollten exakt sein. Größe, Gewicht, Appetit, Krankheitserscheinungen, Verhaltensauffälligkeiten … Sie verstehen? Im Übrigen finden Sie alle Kriterien auf den Karten – die Daten übertragen Sie anschließend in das Computerprogramm. Die Mäuse sind alle durchnummeriert, anders geht es nicht, die Dinger sehen ja alle gleich aus.“ 

Natürlich hatte Martin gewusst, dass in dem Forschungszentrum Tierversuche gemacht wurden – schließlich war in der Ausschreibung für sein Praktikum u.a. von Überprüfung der Versuchstiere die Rede gewesen. Tierversuche mussten eben sein, hatte er wieder einmal gedacht, wie sonst könnten wichtige Erkenntnisse gewonnen und Arzneimittel sicher für den Menschen zugelassen werden; das schrieb die Gesetzgebung schließlich vor. Es war bedauerlich für die Tiere, aber so war es nun mal, und stand der Mensch nicht über den Tieren? 

Maus

An der grauen Tür prangte ein großes Schild. ‚Zutritt strengstens verboten – nur für Fachpersonal.‘ Vorsichtig schob Martin an diesem ersten Tag den Rollwagen über die Schwelle und blieb stirnrunzelnd stehen. So viele Käfige, so viele Mäuse … Auf den ersten Blick sahen sie wirklich alle gleich aus. Schneeweiß mit kugelrunden roten Augen. Gewissenhaft erledigte er zwei Mal seinen Kontrollgang; er musste die Mäuse nicht anfassen oder aus dem Käfig holen, dafür war jemand anderer zuständig, der die entsprechenden Daten wie Gewicht und Größe auf ein Schild am Käfig schrieb. Professor Etrom hatte ihm jedoch auch eingeprägt, die Mäuse zu beobachten und etwaige Auffälligkeiten in ihrem Verhalten zu dokumentieren. 

Als Martin an dem Tag vor Beginn der Experimente wieder durch die Reihen lief, blieb sein Blick länger als sonst an Nummer 87 hängen. Er hatte bis jetzt keine nennenswerten Unterschiede zwischen den einzelnen Mäusen erkennen können, nur dass einige zutraulicher waren, während andere im hinteren Winkel ihres kleinen Käfigs oft träge herumlagen. Manche schienen aufgeweckter und turnten öfters in ihren Käfigen herum, viele nagten aus Langeweile an den schmalen Gitterstäben. Es gab Mäusegruppen, aber auch Einzelhaltung. „Weibchen kommen gut miteinander aus“, hatte ihm Sven, der Tierschutzbeauftragte, erklärt. „Bei den Männchen ist es etwas problematischer.“

Auch gestern war er schon einmal über diese Nummer gestolpert, genau in dem Augenblick, als er sich wie ein Wärter vorgekommen war, der Gefangene überwacht. Diesen unangenehmen Gedanken hatte er jedoch sofort verdrängt – schließlich diente er hier einer ehrenvollen Wissenschaft mit einem höheren Ziel.

Die Maus steckte ihre kleine Schnauze so gut es ging durch die Gitterstäbe und Martin hatte das Gefühl, als würde ihn 87 eindringlich ansehen. ‚So ein Unsinn‘, dachte er, beugte sich aber trotzdem zu ihr hin. Die Schnauze bewegte sich ohne Unterlass, die winzigen Barthaare zitterten dabei mit. Martin musste lächeln. Ganz vorsichtig streckte er seinen linken Zeigefinger aus und Nummer 87 schnupperte neugierig daran. „Du hast ja gar keine Angst“, flüsterte Martin, obwohl niemand im Raum war. Er betrachtete die Maus eingehend und sah auf einmal, dass sie einen winzigen braunen Fleck auf der Innenseite des rechten Ohres hatte. „Du bist doch anders“, schmunzelte er. „Ein possierliches Federgewicht mit einer Laune der Natur.“ 

Martin zog sich an diesem Abend früh in sein Zimmer in der WG zurück, nahm seinen Laptop zur Hand und studierte verschiedene Webseiten über Mäuse. Staunend las er, dass es weltweit vierzig verschiedene Arten gab, ihr Geruchssinn sogar den von Hunden übertraf, und sie hochsoziale und reinliche Tiere waren.

Maus

Als er im Bett lag, dachte er an Nummer 87. Er wusste, welches Schicksal die Maus erwartete, Frau Professor Etrom hatte ihm die Versuche für die Grundlagenforschung über Herzkreislauferkrankungen heute genau erklärt. Mit einem beklemmenden Gefühl schlief er ein und wälzte sich im Schlaf unruhig hin und her. 

Der Raum roch steriler als sonst. Ein OP-Tisch blitzte im Licht greller Leuchten und Martin zuckte zusammen, als der Assistent von Frau Professor Etrom die Maus Nummer 1 mit einem groben Griff aus ihrem Käfig holte. Sie bekam eine Narkose und es dauerte nicht lang, bis ihr ein gezielter Schnitt den Brustraum öffnete. Das winzige Herz wurde herausgestülpt und im nächsten Schritt eine der Herzkranzarterien mit einem Faden abgebunden, um so einen Herzinfarkt herbeizuführen.

Martin spürte Übelkeit aufsteigen, obwohl er in seinem bisherigen Studium schon einiges erlebt und gesehen hatte. Winzige Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn und er fragte sich, wie er die nächsten Stunden überstehen sollte.

Er überstand sie nicht – bei Maus Nummer 8 lief er aus dem Raum und zur nächsten Toilette, wo er sich übergab.

Schwitzend stand er vor dem Waschbecken und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. ‚Vielleicht werde ich krank?‘, dachte er. Doch Martin spürte, dass der Grund ein anderer war. Als Nummer 6 auf dem Stahltisch gelegen war und ihr die Arterie abgebunden wurde, hatte er plötzlich seinen Vater gesehen, der nach Luft ringend auf dem Wohnzimmerboden lag, den entsetzten Aufschrei seiner Mutter gehört und die Sirene des Krankenwagens. Doch da war bereits alles zu spät gewesen. „Schwerer Herzinfarkt“, hatte der Notarzt gemeint. Fassungslos war er mit seinen zehn Jahren daneben gestanden. Martin hatte es nicht begreifen können und auch nicht wollen. Und all die Mäuse erlitten jetzt das gleiche Schicksal, nur mit dem Unterschied, dass der Infarkt künstlich herbeigeführt wurde und nicht zum Herzstillstand führte, damit man so erforschen konnte, wie und in welchem Ausmaß sie nach dem Infarkt betroffen waren.

Martin sah in den Spiegel und wischte sich ein paar nasse Haarsträhnen aus der Stirn. In seinen braunen Augen lag Abscheu. 

Frau Professor Etrom schickte ihn ohne viel Mitgefühl in der Pause nach Hause. „Und morgen reißen Sie sich bitte zusammen. Ich dachte, Sie wollen Arzt werden?“

Martin erwiderte nichts und begab sich auf dem schnellsten Weg nach Hause. Er wusste nicht, wie er den morgigen Tag überstehen sollte. Sollte er sich krankmelden?

Er schlief kaum in dieser Nacht. Und immer wieder musste er an Nummer 87 denken, an die Maus mit dem winzigen braunen Fleck im Ohr. Wie viele Mäuse waren heute aufgeschnitten worden? War 87 auch dabei gewesen?

Irgendwann im Morgengrauen schaltete er die Nachttischlampe ein. An Schlaf war nicht mehr zu denken und er musste sowieso bald aufstehen. Sein Blick fiel auf einen kleinen weißen Stoffhund den ihm sein Vater geschenkt hatte; er war das einzige Stofftier, das er aus seiner Kindheit behalten hatte. ‚Uli‘ hatte er ihn damals genannt, warum, das wusste er nicht mehr. 

Mit klopfendem Herzen betrat er an diesem Morgen das graue Gebäude und erfuhr, dass die OPs bis auf weiteres ausgesetzt worden waren, weil Frau Professor Etrom an Corona erkrankt war. Er wurde sofort getestet, war aber negativ.

Wie gewohnt schob er seinen Rollwagen wieder durch den Raum. „Die operierten Mäuse leiden jetzt nach den Eingriffen an Herzinsuffizienz mit allem was dazu gehört. Beobachten Sie das jeweilige Verhalten und dokumentieren sie es“, war die knappe Anweisung des wissenschaftlichen Assistenten gewesen.

Martin standen bald die Tränen in den Augen. Die meisten der operierten Mäuse lagen schwer atmend in irgendeiner Ecke ihres Käfigs, keine von ihnen turnte noch an irgendwelchen Gitterstäben herum. Bei vielen war die Futterschüssel unberührt und einige schienen sich vor Schmerzen zu krümmen. Ihre kleinen roten Augen blickten teilnahmslos und matt – als hätte eine schreckliche Macht ihren Lebenswillen gebrochen und sie jeglicher Lebensfreude beraubt. Keine einzige Maus kam mehr neugierig angelaufen, als Martin mit dem Rollwagen vor ihren Käfigen anhielt.

„Euer Martyrium wird aufhören“, sagte er schließlich zu Maus Nummer 39 und begann zu weinen. Er wusste, dass die Mäuse in zehn Wochen getötet werden würden, wenn sie ihren Zweck im Namen der Wissenschaft erfüllt hatten. ‚Es kann nicht richtig sein“, dachte Martin. ‚Menschen bekommen wegen allen möglichen Ursachen Herzerkrankungen, was hat das mit eigentlich gesunden Mäusen zu tun?‘

Bei seinem Vater waren es das Übergewicht und der ungesunde Lebensstil gewesen, das wusste er heute. 

Erleichtert stellte er fest, dass Nummer 87 noch nicht operiert worden war, es war kein roter Punk auf dem Schild an ihrem Käfig. Tatsächlich schob die Maus ihre Schnauze gleich wieder aufgeregt durch die Gitterstäbe und Martin beugte sich hinab. „Du bist keine Nummer und auch kein Ding. Was hältst du von Uli?“

Einige Stunden später verließ er das Gebäude schweren Herzens. Er war bedrückt und unruhig. Seine Welt war ins Wanken geraten, der Boden unter seinen Füßen nicht mehr sicher. Er wollte nicht im Dienste einer Wissenschaft stehen, die so schreckliches und unnötiges Leid verursachte; dennoch wollte er unbedingt Arzt werden.

‚Später‘, dachte er, während er auf der Parkbank saß. ‚Ich werde mir später darüber Gedanken machen.‘ 

Seine schlanken Hände ballten sich zu Fäusten …

Maus

In diesem Augenblick, als seine rechte Hand auf die Parkbank schlug, stand sein Entschluss plötzlich fest. Er würde dieses Gebäude noch ein einziges Mal betreten, jetzt gleich, aber nur um Uli herauszuholen und ihm ein grausames Schicksal zu ersparen. Er würde ihn in seine Jackentasche stecken; niemand würde etwas bemerken, und dann gleich zur nächsten Tierhandlung fahren, um einen Käfig mit Zubehör zu kaufen.

Morgen würde er sich erst einmal krankmelden und irgendwann einen Brief an Frau Professor Etrom schreiben. Natürlich würde das Fehlen von Uli bemerkt werden, aber er würde einfach die Käfigtür offen lassen; jeder würde denken, dass er oder Sven vergessen hatten, sie zu schließen und Uli sich irgendwo versteckte. Es tat ihm leid, dass Sven deshalb wohl einen ordentlichen Rüffel bekommen würde, aber das war eben nicht zu ändern. 

Wenn es einen Himmel gab, überlegte er, während er fest entschlossen auf das Gebäude zulief, müsste es dort auch eine Tür mit dem Schild ‚Zutritt verboten‘ geben, die all jenen den Eintritt verwehrte, die unschuldigen Geschöpfen im Namen einer vermeintlichen Wissenschaft so viel Leid und Schmerz zufügten. 

© Daniela Böhm 2022

www.danielaböhm.com 

*Etwaige Ähnlichkeiten mit den Namen lebender/verstorbener Personen dieser Geschichte wären rein zufällig.

Illustrationen steff: © Stefan Murschetz

Kampagne „NEIN zum Tierversuchslabor in Augsburg“ >>

Podiumsdiskussion zur Zukunft der Forschung in Europa

Die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Dr. Kathrin Herrmann, lädt ein zu einer hochkarätigen Podiumsdiskussion: 

"Expert Panel Discussion on the Future of Research and Testing in the European Union & Beyond"

Experten auf dem Podium: 

  • Prof. Dr. Dr. Thomas Hartung, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore, USA
  • Dr. Gavin Maxwell, Unilever
  • Prof. Merel Ritskes-Hoitinga, Universität Utrecht, Niederlande

Termin: Do., 25. August, 19.00-21.30 Uhr CET

Ort: Online

Weitere Infos und Anmeldung >>

Schnelle Impfstoffentwicklung dank weniger Tierversuchen

Weniger und kürzere Tierversuche und verstärkter Einsatz von tierversuchsfreien Methoden erlaubten die beispiellos schnelle Corona-Impfstoffentwicklung.

In einer umfangreichen Literaturanalyse und nach Befragungen von 11 Experten aus relevanten Interessensgruppen untersuchen die Autoren, warum die Entwicklung des Pfizer/BioNTech Corona-Vakzines viel schneller als die übliche Impfstoffentwicklung erfolgt ist. In der Studie stellt sich heraus, dass die Anzahl der durchgeführten Tierversuche reduziert wurde und mehr tierversuchsfreie Methoden verwendet und akzeptiert wurden. Außerdem begannen Studien am Menschen früher und wurden nicht erst nach den Tierversuchen durchgeführt, sondern parallel dazu. Die Aufsichtsbehörden akzeptierten zudem historische Daten aus früheren Impfstoffforschungen.

Durchschnittlich dauert es 10 bis 15 Jahre bis ein neuer Impfstoff entwickelt und zugelassen wird. Zwei bis vier Jahre davon braucht man nur für die gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche, in denen die Sicherheit und die Fähigkeit des Impfstoffs, eine Immunantwort zu erzeugen, an mehreren Tierarten getestet wird. In der Regel werden diese Tierversuche abgeschlossen und ausgewertet, bevor der Impfstoff an menschlichen Probanden in der ersten Phase der klinischen Studien erprobt wird. Auch nach der Zulassung müssen Sicherheit und Wirksamkeit jeder Produktionseinheit des Impfstoffs in den sogenannten Chargenprüfungen getestet werden, was häufig mit mehreren Tierversuchen verbunden ist.

Der erste Corona-Impfstoff in Europa, Comirnaty der Pharmaunternehmen Pfizer und BioNTech, wurde innerhalb von weniger als 12 Monaten nach dem ersten dokumentierten Fall einer Corona-Erkrankung zugelassen. Dies steht im krassen Gegensatz zu den üblichen 10-15 Jahren, die für die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen benötigt werden. Nach Beginn der Corona-Pandemie dokumentierten mehrere Medienberichte schon sehr bald, dass viele der sonst üblichen Tierversuche bei der Entwicklung der Corona-Impfstoffe übersprungen würden.

In dieser Studie nehmen die Autoren den Pfizer/BioNTech Corona-Impfstoff als Beispiel und analysieren dabei, wie sich die gesetzlichen Anforderungen für die obligatorischen Tierversuche im Gegensatz zu dem präpandemischen „Normalfall“ unterschieden. Weiterhin wird der Frage nachgegangen, wie verschiedene Interessensgruppen, einschließlich Zulassungsbehörden und Pharmaunternehmen, das Potenzial für nachhaltige Auswirkungen auf zukünftige Impfstoffentwicklungen sehen.

Hierzu analysierten die Autoren 171 relevante Dokumente, wie z.B. Richtlinien und Anforderungen zur Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), EU-Regularien, Protokolle internationaler Treffen von Interessensgruppen, Peer-Review-Artikel zur Impfstoffentwicklung u.a. Weiterhin führten sie Interviews mit 11 Experten aus den folgenden Interessensgruppen: Vertreter niederländischer und europäischer Zulassungsbehörden, Impfstoffentwickler (Pharmaunternehmen), (Bio-)-Medizinwissenschaftler/Virologen, die an Tierversuchen oder tierversuchsfreien Methoden arbeiten, Tierrechtsorganisationen und niederländische und europäische Politiker.

Weniger Tierversuche, mehr tierversuchsfreie Methoden

Schon am Anfang des Impfstoffentwicklungsprozesses wurden verstärkt schnelle, tierversuchsfreie In-vitro- (d.h. im Reagenzglas) und In-silico- (d.h. computergestürzte) Verfahren sowie menschliche Studien eingesetzt, um die Struktur und die Eigenschaften möglicher Impfstoffkandidaten zu bestimmen. Gleichzeitig wurden deutlich weniger Tierversuche zu diesen Zwecken gemacht. Dabei erlaubte die EMA den Pharmafirmen, viele sonst übliche Tierversuche mit Daten aus menschenrelevanten Methoden zu ersetzen und nur als „essenziell“ betrachtete Tierversuche zur Impfstoffsicherheit durchzuführen. Die Tierversuche zur Prüfung der Wirksamkeit der (Corona-)Impfstoffe wurden laut einer Befragten nicht als „essenziell“ angesehen und die Wirksamkeit konnte deswegen direkt am Menschen getestet werden. Auch spezielle Sicherheitstestungen an Tieren, wie. z.B. zu Karzinogenität, mussten für Comirnaty nicht gemacht werden, weil der Impfstoff bereits ausgiebig genug charakterisiert war. Einige der Befragten sind der Meinung, dass diese Reduktion oder gar die Abschaffung einiger Tierversuche eine nachhaltige Praxis auch für die Zeiten nach der Corona-Pandemie darstellen können.

Tierversuche erst nach Versuchen am Menschen oder parallel dazu

Um die Zulassung der Corona-Impfstoffe weiter zu beschleunigen, hat die EMA den sogenannten „Rolling Review“ verwendet, d.h. alle Testergebnisse wurden umgehend von der Zulassungsbehörde begutachtet. Im Laufe des Rolling Review wurden einige Tierversuche, die üblicherweise vor den Versuchen am Menschen gemacht werden, erst während der klinischen Phase 3 durchgeführt, bei der der Impfstoff bereits an Tausenden Menschen erprobt wurde. Teilweise wurden die Tierversuche sogar erst nach der abgeschlossenen Impfstoffzulassung durchgeführt.

Tierversuchsfreie Chargenprüfungen

Eine weitere Besonderheit von Comirnaty und anderen Corona-Impfstoffen ist, dass alle Chargenprüfungen völlig tierversuchsfrei sind und stattdessen auf modernen In-vitro-Methoden basieren. Laut der Autoren sind diese Techniken präziser, robuster, billiger und haben eine kürzere Bearbeitungszeit als Tierversuche.

Noch ein Unterschied zu der präpandemischen Impfstoffentwicklung ist, dass die EMA Daten aus Tierversuchen akzeptierte, die für andere Impfstoffe mit dem gleichen Wirkmechanismus gemacht wurden. So wurden viele zusätzliche Tierversuche umgangen, was die Geschwindigkeit der Impfstoff-Entwicklung deutlich gesteigert hat.

Pharmaunternehmen: tierversuchsfreie Methoden sind besser, billiger, schneller

Diese Studie befasst sich auch mit der kritischen Frage, inwiefern die hier beschriebene Vorgehensweise bei der Impfstoffentwicklung auch nach der Pandemie etabliert werden könnte - sowohl bei mRNA-basierten, als auch anderen Impfstoffen. Pharmaunternehmen sind bereit, den nächsten Schritt zu tun: Sie halten tierversuchsfreie Methoden für besser, billiger, schneller und wissenschaftlich bedeutsamer. Auf die Frage nach Hürden bei der Umsetzung nannten Befragte aus allen Interessensgruppen die Risikoaversion der Aufsichtsbehörden als Hauptgrund dafür, dass Tierversuche immer noch gefordert und als notwendig erachtet werden.

Fazit

Die Studie zeigt, wie die EMA ihre Zulassungsfrist in Krisenzeiten verkürzte, indem sie die Zahl der Tierversuche reduzierte und tierversuchsfreie Methoden förderte. Sie unterstreicht auch die Bereitschaft der Pharmaunternehmen, zu diesen Veränderungen beizutragen. Ein ständiger Dialog mit den Aufsichtsbehörden ist notwendig, um weniger Tierversuche und mehr tierversuchsfreie Methoden auch zukünftig bei der Impfstoff- und Medikamentenentwicklung einzusetzen. Die Sinnhaftigkeit der Tierversuche, die parallel oder sogar erst nach den Humanstudien durchgeführt wurden, ist mehr als fragwürdig. Abgesehen davon sollte die Vorgehensweise bei den Corona-Impfstoffen jedoch als Präzedenzfall gesehen werden, für eine erfolgreiche Impfstoff- und Medikamententestung ohne Tierversuche.

Quelle:

Ritskes-Hoitinga, M. et al.: The promises of speeding up: Changes in requirements for animal studies and alternatives during COVID-19 vaccine approval – A case study. Animals 2022; 12(13):1735

Zusammenfassung:
Dr. rer. nat. Dilyana Filipova

 

Mangelhafte Reproduzierbarkeit von Tierversuchsergebnissen im Tierversuch bestätigt

10. August 2022

Eine im Mai 2022 in der Fachzeitschrift PLOS Biology erschienene Studie attestiert den Ergebnissen von Tierversuchen mangelhafte Reproduzierbarkeit, also Wiederholbarkeit. Das heißt, die Ergebnisse aus identisch aufgebauten Tierversuchen können vollkommen unterschiedlich sein. Um das herauszufinden, wurden Tierversuche zum Angstverhalten an Mäusen durchgeführt.

In der tierexperimentellen Wissenschaftswelt gilt es als Goldstandard, das Setup eines Versuchs so homogen wie möglich zu gestalten, indem genetisch identische Tiere, meist gleichen Geschlechts und Alters, verwendet werden und die Ausstattung der Käfige sowie das Prozedere in der Versuchsdurchführung einheitlich sind. So sollen Ergebnisse generiert werden, die stets reproduzierbar, d.h., wiederholbar, sind.

Da dies in der Praxis aber häufig nicht gelingt und es vielmehr trotz standardisierter Bedingungen in einem anderen Labor oder bei Wiederholung des Versuchs zu einem anderen Zeitpunkt zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, sollen Ursachen dafür gesucht werden. Die Versagensquote, bereits publizierte Ergebnisse in Wiederholungsexperimenten zu bestätigen, liegt bei 50 bis 90 %.

Aus zahlreichen Studien ist bereits bekannt, dass der Experimentator wie u.a. dessen Geschlecht oder sein Umgang mit den Tieren im Labor, Einfluss auf die Versuchsergebnisse haben. Unter Federführung von Wissenschaftlern der Universität Münster wurde nun dieser Einfluss in drei Laboren an unterschiedlichen Standorten (Münster, Oldenburg, Bern in der Schweiz) untersucht. Zwölf Experimentatoren führten dabei in den drei Laboren an mindestens 288 weiblichen Inzucht-Mäusen Verhaltensversuche, wie den Open-Field-Test zur Untersuchung des Angstverhaltens, durch. Eine Maus wird als ängstlich eingestuft, wenn sie sich vorwiegend im geschützten, dunklen Bereich eines Versuchsfelds aufhält und als mutig, wenn sie die offenen, hellen Bereiche betritt.

Hierbei wurde verglichen, ob ein Versuch unter standardisierten Bedingungen mit nur einem Experimentator sich in der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse von einem Versuchsaufbau unterscheidet, der von mehreren Experimentatoren durchgeführt wird.

Im Ergebnis zeigte sich, dass zwischen den drei Standorten einige Ergebnisse nicht reproduzierbar waren, und zwar sowohl hinsichtlich des Versuchsaufbaus mit nur einem Experimentator, als auch des unter Beteiligung mehrerer Experimentatoren. Der Einfluss des Experimentators war mit durchschnittlich 5 % verantwortlich für die Unterschiede in den Ergebnissen, spielte also nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr war der Standort entscheidend, also in welchem Labor der Versuch durchgeführt wurde, was durchschnittlich 25 % der Variation ausmachte.

Überraschung äußern die Autoren zudem darüber, dass zu 41 bis 72 % nicht erklärbare Unterschiede zwischen den einzelnen Mäusen für die große Varianz der Ergebnisse verantwortlich ist. Unterschiede zeigten sich beispielsweise darin, wie lange eine Maus sich jeweils im ungeschützten Bereich des Versuchsfelds aufhält. Auch vollkommen widersprüchliche Schlussfolgerungen bezüglich des Aufzuchtverhaltens waren zu beobachten, was die Autoren als Beispiel für eine stark eingeschränkte Reproduzierbarkeit bezeichnen. 

Die Erkenntnis der Autoren ist, dass die biologischen Variationen eine große Rolle bei Tierversuchen spielen. Sie räumen ein, dass bei Tierversuchen außer Acht gelassen wird, dass ein lebender Organismus auf seine Umgebung reagiert, was ein Grund für die mangelnde Reproduzierbarkeit sein kann. Sie folgern daraus, dass man zukünftig bessere Strategien braucht, um diese Variation kontrolliert im Versuchsdesign zu integrieren, anstatt sie wie bisher zu eliminieren, um auf diese Weise eine bessere Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu erzielen. Die Autoren halten weitere Studien für erforderlich. Gefördert wurde die Arbeit von der DFG, also auch vom Steuerzahler.

In dieser Studie geht es noch nicht einmal um die Frage nach der Validität, also die wissenschaftliche Aussagekraft und die Übertragbarkeit von tierexperimentellen Ergebnissen auf den Menschen. Der Tierversuch als systemimmanente Störung wird nicht in Frage gestellt. Dennoch wird deutlich, dass selbst Ergebnisse aus Versuchen innerhalb einer Spezies nicht reproduzierbar sind und damit auch nicht von einer Maus auf eine andere übertragbar sind und ebenso wenig eine Aussagekraft für den Menschen haben können. Ein Tier ist nun einmal keine Maschine, sondern ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Gefühlen. Dieses Wissen ist natürlich schon lange bekannt, was es umso fragwürdiger macht, warum hier eigens ein Tierversuch konstruiert wurde, indem zahlreiche Mäuse leiden mussten. Anstatt per se unzuverlässige Tierversuche zu optimieren, wäre es sinnvoll, humanbasierte Modelle zu nutzen, die reproduzierbar sind und zudem relevante Ergebnisse liefern. 

Originalstudie

Vanessa Tabea von Kortzfleisch, Oliver Ambrée, Natasha A. Karp, Neele Meyer, Janja Novak, Rupert Palme, Marianna Rosso, Chadi Touma, Hanno Würbel, Sylvia Kaiser, Norbert Sachser und S. Helene Richter (2022): Do multiple experimenters improve the reproducibility of animal studies? PLOS Biology 20(5): e3001564 

Zusammenfassung: Dipl.-Biol. Silke Strittmatter