Verein Ärzte gegen Tierversuche äußert sich im Fall der in der Schweiz gefundenen „Versuchs“taube der Uni Konstanz

„1,25 Millionen Euro Steuergelder, um Tauben mit Sendern und Helmen auf eine ungewisse Reise zu schicken? Dürfen wir Tiere als Messinstrumente missbrauchen und für die wissenschaftliche Neugier Leiden zufügen?“ – Die Antwort auf diese Frage des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche folgt unmittelbar: „Nein!“, sagt Tierärztin Dr. med. vet Corina Gericke, Vizevorsitzende des Vereins. „Der Wissenschaft müssen da Grenzen gesetzt werden, wo Lebewesen zu Schaden kommen“.

Am 2. September war in Mammern in der Schweiz eine völlig erschöpfte Taube gefunden und vom Schweizer Tierschutz aufgepäppelt worden. Das Tier hatte einen auf den Rücken geklebten Sender und einen Plastikhelm auf. Die Taube gehört zu einem Projekt der Uni Konstanz, bei der die Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes durch Brieftauben untersucht wird. Die größtenteils aus Steuergeldern finanzierte Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Versuchsreihe mit 1,25 Millionen Euro von 2011 bis 2017.

„Die Tierversuchslobby macht uns Glauben, Tierversuche würden nur für lebenswichtige Medikamente durchgeführt werden. Das ist in zweierlei Hinsicht falsch“, erklärt Dr. Gericke. Erstens sind Experimente an Tieren wegen der gravierenden Unterschiede zum Menschen gar nicht geeignet, wirksame und sichere Medikamente zu entwickeln und zweitens fallen 43 % der Tierversuche in die Grundlagenforschung, bei der es vorrangig um die Befriedigung der wissenschaftlichen Neugier geht, wie im Fall des Taubenexperiments.

Die Ärztevereinigung dokumentiert seit zwanzig Jahren Tausende in Deutschland durchgeführte derartige Tierversuche in einer Internet-Datenbank. Um beispielsweise die Echolokationslaute von Fledermäusen zu untersuchen wurden an der LMU München Fledermäuse ohne Betäubung in eine sandwichartige Apparatur geklemmt, der Kopf fixiert und durch Stromstöße im Gehirn Schreie hervorgerufen. In Wilhelmshaven wurden gefangene Silbermöwen sechs Tage hungern gelassen, um herauszufinden, wie lange Möwen hungern können. An der Uni Oldenburg wurden zur Ergründung des inneren Kompasses von Zugvögeln Gartengrasmücken und andere Vögel einzeln in einen Plastikbehälter gesetzt und geköpft, wenn sie 45 Minuten lang unruhiges Zugvogelverhalten zeigten.

Die behördliche Genehmigung auch extrem absurder und qualvoller Versuche sei laut Ärzteverein lediglich eine bürokratische Hürde.

Als „quälerisch und immense Steuergeldverschwendung“ bezeichnet Tierärztin Gericke die Taubenversuche der Uni Konstanz. Wenn wissenschaftlich interessante Fragestellungen nur durch Leid von Tieren zu erlangen sind, muss man entweder auf die Erkenntnis verzichten oder andere Wege suchen, ohne Tieren zu schaden. „Die Taube hat Glück gehabt, dass sie beim Schweizer Tierschutz gelandet ist und jetzt nicht mehr mit aufgeklebten Gerätschaften als Versuchsobjekt herhalten muss. Wir hoffen, dass das so bleibt“, so Gericke abschließend.

Tierversuch an einer Taube
Foto: Schweizer Tierschutz STS

Weitere Infos

Die genannten Tierversuche und Quellen unter www.datenbank-tierversuche.de

Quellen

T. Fenzl et al.: Periaqueductal gray and the region of the paralemniscal area have different functions in the control of vocalization in the neotropical bat, Phyllostomus discolor. European Journal of Neuroscience 2002: 16, 1974-1986
U Trotzke et al.: The influence of fasting on blood and plasma composition of herring gulls (Larus argentatus). Physiological and Biochemical Zoology 1999: 72(4), 426-437
M. Liedvogel et al.: Lateralized activation of Cluster N in the brain of migratory songbirds. European Journal of Neuroscience 2007: 25, 1166-1173