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Startup aus Hannover produziert Antikörper tierleidfrei in Algen

Wohl die Wenigsten wissen, dass herkömmliche Schwangerschaftstests nicht vegan sind, denn sie enthalten Antikörper, die mit immensem Tierleid einhergehen. Eine Ausgründung der Leibniz Universität Hannover will dies nun ändern. Erstes Produkt des Startups Phaeosynt sollen Schwangerschaftstests werden, die ohne Tiere und tierische Produkte produziert werden und somit vegan sind.

Schwangerschaftstests, Coronatests - jeder von uns hat bereits diagnostische Schnelltests in der Hand gehabt und verwendet. Diese Tests beruhen auf Antikörpern, zentralen Abwehrmolekülen des Immunsystems, die durch passgenaue Bindung Krankheitserreger und Fremdstoffe neutralisieren. Diese Bindung eines Antikörpers an seine Zielstruktur, das sogenannte Antigen, nutzt man in der Diagnostik, um Krankheitserreger oder auch das in der Schwangerschaft ausgeschüttete Hormon humanes Choriongonadotropin (hCG) nachzuweisen (1).

Häufig werden dabei sogenannte monoklonale Antikörper eingesetzt. Im Gegensatz zu polyklonalen Antikörpern binden die monoklonalen Antikörper nicht an verschiedenen Stellen ihres Antigens, sondern an einer einzigen Position. Dadurch sind sie besonders spezifisch, was in diagnostischen Anwendungen von Vorteil ist.

Üblicherweise werden monoklonale Antikörper in Zellkulturen hergestellt. Hierzu werden tierischen Zellen die genetischen Informationen zur Produktion des gewünschten Antikörpers gegeben, worauf sie den Antikörper produzieren und an das sie umgebende Nährmedien abgeben. Standardzusatz für die Nährmedien ist fötales Kälberserum, das aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird. Dazu werden schwangere Kühe geschlachtet und die Föten entnommen; ihnen wird dann eine Nadel direkt ins Herz gestochen und das gesamte Blut abgesaugt (2).

Auch Mäuse müssen noch immer für die Herstellung von monoklonalen Antikörpern grausam leiden. Bei der sogenannten Aszitesmethode werden den Tieren Antikörper-produzierende Zellen in die Bauchhöhle gespritzt. Dort wachsen aus den Zellen Tumore, welche große Mengen Flüssigkeit und Antikörper bilden und in die Bauchhöhle der Mäuse abgeben. Die Antikörper-haltige Flüssigkeit wird mehrfach abgesaugt, dann sind die Tumore so weit gewachsen, dass die Tiere getötet werden (1). Obwohl es bereits seit Jahrzehnten Verfahren gibt, die ohne Mäuse auskommen, wurden im Jahr 2020 allein in der EU über 41.000 Mäuse in der Aszitesmethode eingesetzt (3).

Das Forscherteam aus Hannover arbeitet an einer Lösung für dieses Problem. Statt wie bisher die Antikörper in tierischen Zellen oder Mäusen zu produzieren, verwenden sie Kieselalgen - ganz ohne tierische Produkte wie fötales Kälberserum. Ein Liter der Algenkultur soll 80 Mäuse ersetzen können (4). Ein mit diesen veganen Antikörpern produzierter Schwangerschaftstest wird nach derzeitiger Planung 2025 auf den Markt kommen (4). Doch nicht nur Schwangerschaftstests sollen tierleidfrei angeboten werden, auch weitere Tests sind in der Entwicklung. Um langwierige Zertifizierungsverfahren - wie sie für diagnostische Tests vorgeschrieben sind - abzukürzen, arbeitet das Team parallel zum Schwangerschaftstest auch an Lifestyle-Produkten wie Vitamintests (4). Ein Beispiel für einen solchen Test könnten vegane Vitamin D-Tests sein, die dem Anwender die Möglichkeit geben, eine Unterversorgung zu erkennen und durch Supplementierung sein Wohlbefinden zu verbessern. Das Verfahren zur Produktion der Antikörper in Algen wurde 2022 zum Patent angemeldet (5).

Die Produktion der Antiköper in Kieselalgen verhindert nicht nur Tierleid, sie schont auch die Umwelt. Denn während tierische Zellen eine Temperatur von ca. 37°C benötigen, kommen die Kieselalgen mit 20°C aus, was eine beträchtliche Energieeinsparung bedeutet. Zudem will Phaeosynt bei der Produktion seiner Tests auf Plastik verzichten (4). Vegan, energieeffizient und umweltschonend – viele gute Gründe also für das grüne Verfahren zur Antikörperproduktion. Doch die Weiterentwicklung und Zertifizierung der Tests benötigt noch Zeit - und Geld. Eine nachhaltige Förderung solchen innovativer und tierfreier Verfahren fehlt leider, wie wir seit Jahren kritisieren (6).

Im März 2023 gewann Phaeosynt den mit 25.000 € dotierten Gründungswettbewerbs Startup-Impuls (7), zuvor erhielt das Gründerteam eine Förderung durch das Land Niedersachsen, die jedoch im Oktober 2023 ausgelaufen ist (5), sodass sich Phaeosynt derzeit auf der Suche nach Investoren befindet. Wir wünschen Phaeosynt viel Erfolg bei der Weiterentwicklung der veganen Tests und eine nachhaltige Finanzierung. Damit schon bald vegane Schwangerschaftstests erhältlich sind und das Ende der grausamen Tierausbeutung bei der Gewinnung von Antikörpern und fötalem Kälberserum einen wesentlichen Schritt näher rückt.