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Weltraum-Organoide statt Tierversuche

Was sich wie Science Fiction liest, könnte schon bald Realität werden - und zu Testsystemen für die Medikamentenforschung führen, die Tierversuchen weit überlegen sind.

Wissenschaftler der Universität Zürich senden menschliche Stammzellen zur internationalen Raumstation ISS. Dort entwickeln sich aus den Stammzellen kleine Mini-Organe, sogenannte Organoide. Dr. Cora Thiel und Prof. Oliver Ulrich haben festgestellt, dass sich die Stammzellen in der Schwerelosigkeit anders verhalten als auf der Erde: Jenseits der Erdanziehungskraft gelingt es besonders gut, dreidimensionale Organoide heranwachsen zu lassen. Auf der Erde ist dies nicht ganz so einfach, da die Zellen dazu neigen, sich flach auszubreiten und Organoide daher häufig eine Gerüststruktur benötigen, um größere dreidimensionale Strukturen auszubilden.

Um das Wachstum in der Schwerelosigkeit zu untersuchen wurden menschlichen Knochenmark-Stammzellen von freiwilligen Spendern in einem Bioreaktor, einem Behältnis, das die Zellen mit allem notwendigen versorgt, bereits zweimal ins All geschickt. Beide Missionen sind geglückt und als der Bioreaktor nach 4 Wochen Aufenthalt auf der ISS wieder die Erde erreichte, waren in ihm bis zu 1,5 mm große Leber-, Knochen- und Knorpel-Gewebestückchen gewachsen.

Transplantate made on ISS

Längerfristig hoffen die Züricher Wissenschaftler, im All transplantierbare Gewebe züchten zu können und so dem Mangel an menschlichen Spenderorganen begegnen zu können. Denn es gibt viel zu wenig Spenderorgane, was in der Medizin zu furchtbaren Auswüchsen wie der Xenotransplantation führte, die zuletzt erfolglos mit einem Schweineherz probiert wurde. Auch wenn sich rechtzeitig ein menschliches Spenderorgan finden lässt, muss der Organempfänger lebenslänglich Medikamente einnehmen, um eine Abstoßung des fremden Organs zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Die große Vision ist es daher, Stammzellen von Patienten, die ein Organ benötigen, zu entnehmen und ins All zu schicken. Zurück käme dann patienteneigenes Gewebe, das die Funktion des geschädigten Organs übernehmen könnte. Bis dieses Szenario schwerkranken Menschen helfen kann, ist jedoch noch einiges an Forschungsarbeit nötig, räumt Ulrich ein.

Weltraum-Organoide ersetzen Tierversuche

Die Organoide könnten bereits jetzt dazu verwendet werden, neue Medikamente auf ihre Toxizität, d.h. Giftigkeit, zu untersuchen. Dazu werden bisher überwiegend Tierversuche durchgeführt, deren Ergebnisse aufgrund der Unterschiede zwischen Mensch und Tier aber nicht dazu taugen, die Sicherheit der Medikamente zuverlässig prüfen zu können. Hier bieten Organoide den Vorteil, dass sie aus menschlichen Zellen bestehen und somit tatsächlich Aussagen über die Wirkung der Substanzen beim Menschen erlauben.

Kritiker der Weltraumforschung befürchten unangemessen hohe Kosten und einen angesichts der Klimakrise unverantwortlich hohen Ausstoß an Kohlendioxid. Doch Oliver Ulrich verweist auf sinkende Kosten der Weltraumflüge, so würde es heute ca. $2.500 (ca. 2.400 €) kosten, 1 kg Ausrüstung ins All zu befördern und die Preise sinken weiter. Auch die CO2 Bilanz sei wesentlich geringer als man intuitiv annehmen könnte. Pro Organoid würden lediglich 0,25 kg CO2 entstehen, rechnet Ulrich vor. Das entspräche in etwa der Menge, die entsteht, wenn ein Mensch 2 Stunden atmet.

Fazit

Organoide ermöglichen im Gegensatz zu Tierversuchen für den Menschen relevante Aussagen und haben zudem enormes Potential für die Transplantationsmedizin. Wir sind uns daher sicher, dass den Organoiden die Zukunft gehört. Wie groß die Vorteile ihrer Züchtung im All sind, werden die nächsten Versuche auf der ISS zeigen. Wir beobachten die Weltraumreisen auch weiterhin.

Quellen

Warum Mini-Organe bald aus dem All kommen können. SRF, 27.05.2022 >>

Cell Biology - Gravitational Biology and Biomechanics. Institute of Anatomy, University of Zurich, 8.11.2021 >>